Die Baugenehmigung wird eine der größten Hürden bei der Umsetzung des Borchert-Plans. Nur wenn der Gesetzgeber hier nachbessert, sind die vorgesehenen Um- oder Neubauten flächendeckend machbar.
Eine Baugenehmigung ist notwendig, sobald bei einem Stall die Bauhülle verändert wird. Das ist ab Stufe 2 des Tierwohlkennzeichens der Fall. Bei größeren Beständen, die nach dem Bundes-Immissions-Schutzgesetz (BImSchG) genehmigt sind, muss sogar das BImSch-Verfahren neu aufgerollt werden.
Zwar sind Änderungen beim Baurecht und bei der TA Luft in Planung. Doch die treffen bislang nicht den Kern des Problems. So kann die schizophrene Situation entstehen, dass der Borchert-Plan beschlossen wird, aber viele Betriebe keine Baugenehmigung bekommen. Fatal wird es, wenn Stufe 1 in zehn und Stufe 2 in 20 Jahren gesetzlicher Mindeststandard werden, wie der Borchert-Plan es vorsieht. Doch der Reihe nach.
- Stufe 1 fordert 20 % mehr Platz für die Mastschweine. Das ist genehmigungsfrei, solange der Landwirt den Bestand entsprechend abstockt. Will er die Platzzahl halten, geht das nur mit Genehmigung.
- Kribbelig wird es bei Stufe 2, die neben 47 % mehr Platz einen Außenklimareiz fordert. Salopp gesagt: Eine Wand des Stalls muss auf ganzer Länge geöffnet werden. Dadurch ändert sich die Immissionsbelastung in der Nachbarschaft. Das ist ohne Baugenehmigung überhaupt nicht machbar.
- Bei Stufe 3 schließlich kommt der Auslauf dazu – genehmigungstechnisch die höchste Stufe.
Problemfall Futterfläche
In den letzten Jahren hat sich, von vielen Landwirten unbemerkt, einiges im Baugesetzbuch (BauGB) geändert. Bestehende, genehmigte Ställe haben Bestandsschutz. Doch sobald die Baugenehmigung neu beantragt werden muss, tritt das Problem zutage.
Am einschneidendsten sind die Änderungen des § 35 BauGB, der die Privilegierung der Landwirtschaft beim Bauen im Außenbereich regelt. Diese gilt seit acht Jahren nur noch für Betriebe, die genügend Futterfläche für ihren Tierbestand haben.
An die Futterfläche stellen die Baubehörden deutlich höhere Anforderungen als noch vor zehn Jahren. Einzelfallentscheidungen der Gerichte geben neue Beurteilungsgrundlagen vor, etwa bei der Pachtdauer oder der Anrechnung von bestimmten Futterbestandteilen. So zählt Grünland heute nicht mehr zur Futterfläche für Mastschweine, wohl aber zur Gülleausbringfläche.
Dadurch fehlt vielen Betrieben Futterfläche für ihr Bauvorhaben – auch wenn sich an ihrer Flächenausstattung seit der letzten Baugenehmigung nichts geändert hat. Betriebe, die Pachtflächen verloren haben, sind doppelt betroffen. Damit können solche Betriebe nur nach § 35.1.4 BauGB beurteilt werden. Genehmigungsfähig sind Betriebe oberhalb der UVP-Grenze nur, wenn ein Bebauungsplan aufgestellt wird – ein teures und zeitraubendes Verfahren, das ohne Zustimmung der Gemeinde nicht möglich ist.
Derzeit gibt es zwei Anläufe aus verschiedenen Lagern, um das Problem zu heilen. Zum einen gibt es seit Juni 2020 einen Änderungsentwurf für das Baurecht. Doch hilft dieser Entwurf in vielen Fällen nicht weiter. Zudem liegt er seit geraumer Zeit auf Eis.
Reform des Baurechts?
Zudem hat sich auf Initiative des Landes NRW der Bundesrat zu Wort gemeldet. In einer Stellungnahme zum Baulandmobilisierungsgesetz schlägt er eine Erweiterung des § 35.1 BauGB vor, um eine neue Privilegierung für Tierwohlställe einzuführen. Um-, An- oder Neubauten würden für alle Betriebe möglich, wenn sie der Verbesserung des Tierwohls dienen und die Tierplatzzahl nicht steigt. Da die Privilegierung dann nicht geprüft wird, wären gleich zwei Probleme vom Tisch: Futterfläche und Bebauungsplan. Das haben Vertreter der Kommunen bei einer Anhörung im Koalitionsausschuss eindeutig begrüßt, ebenso die Landwirtschaftsverbände und die Borchert-Kommission.
Das Baulandmobilisierungsgesetz soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden. Wenn der Bundestag sich dem Vorschlag des Bundesrates anschließt, stände Tierwohlställen baurechtlich nichts mehr im Weg.
Tierwohlbremse Immission
Doch bleibt als weiteres großes Handicap der Immissionsschutz. Dabei geht es um den Schutz von Anwohnern vor Geruch, aber ebenso um den Schutz der Natur vor Ammoniak. Das betrifft nicht nur Großbetriebe mit mehr als 1500 Mast- oder 560 Sauenplätzen. Der Immissionsschutz wird bei jedem Bauantrag überprüft – unabhängig von der Stallgröße.
Fatalerweise hat bei Immissions- und Naturschutz die gleiche Entwicklung stattgefunden wie beim Baurecht: Von vielen Landwirten unbemerkt, sind Richtlinien und Grenzwerte in den letzten Jahren verschärft worden. Das führt dazu, dass Ställe, die das Bauamt vor 15 Jahren problemlos durchgewunken hat, heute manches mal keine Genehmigung bekämen.
Knackpunkt Ammoniak
Neben Geruch sind Stickstoff bzw. Ammoniak Stolpersteine bei der Genehmigung. Biotope – und dazu kann schon das kleine Wäldchen am Hof gehören – sind per Gesetz vor schädlichen Immissionen zu schützen. Das betrifft in der Tierhaltung Stickstoff und Ammoniak. Besonders streng ist das in FFH-Gebieten geregelt. Biotope in Hofnähe, oft erst in den letzten Jahren neu ausgewiesen, können zum Genehmigungskiller werden, wenn ein Tierwohlstall beantragt wird.
Ein besonderes Problem: Standard-Emissionswerte, die von Planern und Behörden anerkannt werden, gibt es nur für zwangsgelüftete Ställe. Für Außenklimaställe und Ausläufe fehlen diese Standards für Geruch und Ammoniak. Daher wird im Genehmigungsverfahren oft zunächst mit Zuschlägen auf die Standardwerte konventioneller Ställe gerechnet. Das treibt die Abstände zu Nachbarn und Biotopen zusätzlich hoch.
Diese Lücke soll das EmiDaT-Projekt schließen. Hier wird die Abluft von Außenklimaställen langfristig gemessen, um statistisch gut abgesicherte Zahlen zum Emissionsverhalten zu bekommen. Doch gibt es nicht den einen Außenklimastall, sondern viele Varianten: Vom Pigport zu diversen Bettenställen, von Tiefstreu bis Kot-Harn-Trennung, überdachte oder offene Ausläufe, mit Spalten oder Einstreu usw. Das macht die Ermittlung einheitlicher Emissionsfaktoren fast unmöglich.
Freibrief für Kistenställe?
Zwar soll es in der TA Luft, die maßgeblich für den Immissionsschutz ist, einen „Freibrief“ für Außenklimaställe geben. Doch das hilft nur bedingt. Bislang sind Ausnahmen angekündigt für Ställe, die „dem Tierwohl dienen“. Explizit aufgeführt sind tiergerechte Außenklimaställe, „mit Kisten- oder Hüttensystem bei Teilspaltenboden“ sowie „mit Schrägbodensystem“. Nebenbei bemerkt: Mit den Stufen des Tierwohlkennzeichens aus dem Borchert-Plan ist diese Klassifizierung nicht kompatibel.
Doch gilt diese Ausnahme nur für den Vorsorgeteil der TA Luft. Der Schutz vor Immissionen ist davon nicht erfasst. Heißt im Klartext: Ein Außenklimastall muss nicht die „Bestverfügbare Technik“ einsetzen, also beispielsweise keine Abluftreinigung oder andere Techniken, die die Ammoniakbelastung um mindestens 40 % mindern.
Die Vorgaben zu Geruchsimmissionen aber muss er genauso einhalten wie jeder andere Stall auch. Denn auch ein Außenklimastall darf Nachbarn nicht mit Gerüchen belasten, die ein bestimmtes Maß überschreiten.
Unterm Strich ist damit wenig gewonnen für die Genehmigungspraxis. Zudem dauern die Diskussionen über den Entwurf der TA Luft nun schon fünf Jahre an. Auf den jüngsten Kabinettsbeschluss hin sind über 300 Änderungsanträge im Bundesrat eingegangen. Eine Verabschiedung des Entwurfs rückt damit in weite Ferne. Und wie die endgültige Fassung aussieht, weiß niemand.
Bei den Genehmigungsbehörden herrscht daher große Unsicherheit, wie Anträge für Außenklimaställe und Ausläufe zu behandeln sind. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind in NRW Leitlinien für rechtssicherere Genehmigungsverfahren geplant.
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