Was ist der aktuelle Stand in Sachen Branchenkommunikation Milch? Wir fragen Oliver Bartelt, Kommunikationschef beim Deutschen Milchkontor (DMK) und Leiter der Arbeitsgruppe zur Branchenkommunikation.
Die Branchenkommunikation schreitet offenbar voran. Herr Bartelt, wie ist der aktuelle Stand?
Eine gemeinsam von der Milchwirtschaft getragene Branchenkommunikation ist ein wesentliches Ziel, an dem die Strategie 2030 festhält. In den vergangenen Monaten gab es zur Umsetzung zwischen Deutschem Bauernverband, Raiffeisenverband und Milchindustrieverband viele Diskussionen. Alle deutschen Molkereien werden Anfang Oktober angeschrieben und gefragt, ob sie die Branchenkommunikation unterstützen und für zunächst vier Jahre verbindlich mitfinanzieren werden. Das Projekt startet nur, wenn diese Umfrage eine breite Beteiligung in der Größenordnung von 80 % der „deutschen Milch“ ergibt, die den Finanzierungsbeitrag erheben und tragen.
Warum ist eine gemeinsame Branchenkommunikation in Ihren Augen so wichtig?
Die Kategorie „Dairy“ nimmt im Lebensmittelmarkt einen der wichtigsten Sektoren ein, was Relevanz, Größe und Breite betrifft. Über die Notwendigkeit einer gemeinsamen, einheitlichen Branchenkommunikation gibt es keine Zweifel, sie ist vor dem Hintergrund der allgemein bekannten Themen zwingend notwendig.
Inwiefern kann die Branchen-kommunikation zu einer gesellschaftlich anerkannten Milchproduktion führen?
Wenn wir selbstkritisch hinschauen, stellen wir fest: Milch spricht nicht über sich selbst. Sie lässt andere ihr Image bestimmen. Als Grundnahrungsmittel schafft Milch es in die Kühlschränke, doch in den Köpfen hat sie kaum Platz. Hier gilt: Nur wer sich zeigt, bekommt auch Komplimente. Ein nahezu passives Verhalten führt dazu, Kritiker noch indirekt zu unterstützen.
Konkret: Wie wollen Sie was kommunizieren?
Wir haben durch Corona eine neue Ausgangssituation, die wir einmalig nutzen können. Corona löst einen Wertewandel aus: Solidarität, Tradition, Familie, Lokaltreue sind wichtiger denn je. Eine neue Chance für die Milch. Dazu kommt: Milch muss digitaler werden. Wenn wir über Verbraucher sprechen, haben wir oft den Typ Einkäufer vor Augen, der heute bestimmt, was in den Einkaufswagen kommt. Dabei ist wichtiger, heute den Grundstein für morgen zu legen. Die kommenden Generationen sind es, die mit veganer Lebensweise sympathisieren und Lebensmittel kritisch hinterfragen. Wir müssen junge Menschen für Milch begeistern. Dafür müssen wir sein, wo sie sind. Sprechen, wie sie sprechen. Über ihre Themen. Uns muss gelingen, langfristig ein einheitliches Bild zu kommunizieren und dabei auf Präsenz und Information zu setzen.
Sie sprechen von digital: Also wollen Sie Werbung in den sozialen Kanälen schalten?
Das kann Social Media sein, es wird aber auch eine Art Newsroom sein, um auf Fragen von NGOs, Medien oder Politik Antworten bereit zu stellen. Bevor in detaillierten Maßnahmen gedacht wird, war es uns wichtig, eine lupenreine Analyse zu betreiben. Ein „wir machen die Fähnchen“ bringt uns nicht weiter. Wir kennen die Themen, um die es geht – wir wissen, wie die unterschiedlichen Zielgruppen zu den Themen denken – jetzt geht es darum, in dem Konzert mitzuspielen.
Welche Rolle spielt die DMK bei der Branchenkommunikation?
Die DMK Group spielt bei der Branchenkommunikation keine andere Rolle als alle anderen Marktteilnehmer auch. Ich kann für uns nur sagen, dass wir jegliche Anstrengung in Richtung Branchenkommunikation unterstützen. Ingo Müller hat das Thema angeregt, ich habe zusammen mit einem breiten Team aus der Branche gerade das Thema Branchenkommunikation vorangetrieben und zur Entscheidungsreife gebracht. Wir haben, wie andere auch, viel Zeit und Arbeit investiert.
Wie viel Geld ist nötig für eine wirksame Branchenkommunikation?
Bevor wir über Geld sprechen, müssen wir über Inhalte und vor allem Ursachen sprechen – das haben wir in der Arbeitsgruppe getan. „Gut“ kommt vor „schnell“. Es bringt uns allen nichts, mit viel Geld die berühmten Fähnchen zu schwenken. Klar kostet Kommunikation Geld, aber: Wir werden mit unseren Mitteln eine klare Botschaft formulieren und haben gute Produkte. Da ist Geld ein wichtiger Faktor, gerade wenn wir über eine nationale Kommunikation spre-chen. Wir sprechen nicht über eine neue CMA-Marketing-Kampagne. Wir brauchen neben Präsenz vor allem Information.
Was passiert, wenn die Finanzierung scheitert?
Ein Scheitern der Finanzierung und damit keine Einigung auf eine gemeinsame Branchenkommunikation würde der gesamten Branche am Ende viel teurer kommen und alle Marktteilnehmer treffen. Aufgrund der Passivität der Branche in den vergangenen Dekaden kommt es zu einem spürbaren Ungleichgewicht der verfügbaren Informationen zu den Produkten. Die Unwissenheit über Herstellung und Produktion unserer Sortimente lässt viel Raum zu für Falschinformationen und Fehlinterpretationen bei Themen wie Tierwohl, Gesundheit oder Umweltschutzfragen.
Halten Sie ein Scheitern für möglich?
Ein „Weiter so“ kann es für die Branche nicht geben, ohne dass junge Generationen Kaufentscheidungen aufgrund mangelnder Kommunikation anders treffen, als uns lieb ist. Dennoch ist klar, dass in dem Prozess auch Stolpersteine und persönliche Eitelkeiten liegen. Ich hoffe aber auf die Entscheidung für eine gemeinsame Branchenkommunikation.
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