Interview mit Wilfried Brede, Stallbauexperte beim STA-Serviceteam Alsfeld
Die heimische Schweinehaltung steht unter Druck. Mehr Tierwohl und Bewegung für die Schweine lautet die Devise. Oftmals sind damit Um-, An- oder Neubauten verbunden, weil die Bedingungen in älteren Ställen das nur bedingt ermöglichen. In welchen Bereichen ist der Handlungsbedarf in der Praxis am größten?
Besonders weit reichende Änderungen bringt die novellierte Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sicherlich für die Ferkelerzeuger mit sich: Zuerst müssen die neuen Haltungsvorgaben mit mehr Platz und Bewegung im Deckzentrum umgesetzt werden, später folgt der Abferkelbereich. Der Handlungsbedarf ist also groß. Und auch etliche Betriebe, in denen es tendenziell eher auf eine Aufgabe der Sauenhaltung hinausläuft, möchten die vom Gesetzgeber vorgesehenen Übergangsfristen zum Weiterbetrieb nutzen. Dafür brauchen sie zumindest ein angepasstes Haltungskonzept für ihr Deckzentrum. Von den Materialkosten her ist dies in der Regel nicht sehr aufwendig. Allerdings müssen die Montagearbeiten und eine eventuelle Reduzierung des Bestandes betrachtet werden.
Andere Betriebe wollen und werden auch nach Ablauf der Übergangsfristen noch am Markt vertreten sein. Diese Landwirte machen sich intensiv Gedanken über Zukunftskonzepte, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen oder sogar deutlich darüber hinausgehen. Zukunftsorientiert zu denken heißt hier, die Vermarktungspotenziale abzuschätzen, um für eventuelle Labelprogramme zu produzieren. Inwieweit sich dies rechnet, muss betriebsindividuell geklärt werden.
Neben diesen strategischen Überlegungen gilt es die jetzt schon anstehenden Herausforderungen zu lösen. So müssen alle Schweine vom 1. August 2021 an jederzeit Zugang zu organischem und faserreichen Beschäftigungsmaterial gemäß Definition in den Ausführungshinweisen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung haben. Dieses Beschäftigungsfutter bzw. -material muss regelmäßig nachgelegt oder erneuert werden, was mit viel Arbeit verbunden ist. Die Landwirte machen sich deshalb Gedanken darüber, wie sich Stroh, Heu, Sägemehl, Luzernepellets und andere geeignete Stoffe effizient in den Stall und (automatisch) bis ans Tier bringen lassen. Die Investitionen in den Beschäftigungsbereich sollten indessen nicht nur vor dem Hintergrund der Verordnung („Was ist vorgeschrieben?“), sondern auch im Zusammenhang mit dem Kupierverbot, der gesellschaftlichen Diskussion ums Tierwohl und den bereits angesprochenen Labelprogrammen gesehen werden.
Zu tun gibt es also genug. Leider scheint der Stallbau in den vergangenen Jahren aber immer teurer geworden zu sein. Woran liegt das? An den Materialkosten, an den gestiegenen Handwerkerlöhnen oder an einem anderen Kostentreiber?
Aufgrund der anhaltend guten Baukonjunktur in allen Bereichen der Wirtschaft bzw. des Wohnungsbaus sind die Auftragsbücher der Firmen gut gefüllt. Schnäppchenangebote gibt es daher zumeist nicht. Falls doch, sollte intensiv geprüft werden, ob das fragliche Unternehmen auch über die notwendige Kompetenz verfügt. Leider musste ich in einem Fall bereits das Gegenteil erfahren!
Insgesamt gesehen wurden die Preise beim Rohbau in den vergangenen Jahren vor allem durch die gestiegenen Lohnkosten getrieben. Das ließ sich teilweise durch Fertigteilprodukte wie komplette Stallwände usw. wieder auffangen. Unter anderem bedingt durch Corona sind die weltweiten Handelswege jedoch stark unter Druck geraten. Daher kommen derzeit auch gestiegene Rohstoffkosten in den Fokus.
Für die Bauhülle werden Beton, Baustahl, Steine, Holz oder Stahl, fürs Dach Isolierung und Eindeckung benötigt. Wo schlägt die Kostensteigerung am stärksten zu?
Die Lieferzeiten für Edelstahl betragen je nach Gesprächspartner bei den Firmen bis zu sechs Monate. Parallel dazu wurden die Stahlpreise deutlich nach oben angepasst: 25 bis 30 % Aufschlag sind normal.
Bei Bauholz kennen die Preise zurzeit ebenfalls nur eine Richtung – aufwärts. Allerdings kommen die Holzpreise von einem sehr niedrigen Niveau, welches durch die Sturmschäden der vergangenen Jahre entstanden ist.
Bei den Kunststoffen ist nach Firmenaussagen zurzeit ein Vorprodukt namens MDI betroffen. Dies wird zur Herstellung von Polyurethanschaum benötigt.
Zusätzlich kommt wiederum Corona ins Spiel. Bedingt durch Frachtausfälle von China nach Europa im vergangenen Jahr kommt es zu Lieferengpässen bei elektronischen und Motorenbauteilen. Derzeit wird versucht, dies auszugleichen. Ereignisse wie kürzlich im Suezkanal beeinflussen die Lage zusätzlich. Letztlich haben die Reedereien die Frachtkosten deutlich erhöht, da Transporte nach dem Corona-bedingten Lockdown wieder erheblich gefragt sind.
Von daher sind alle Baugruppen betroffen. Entscheidend ist aber zurzeit der Stahlpreis, der das Material für die Armierung im Rohbau und für die Stalleinrichtung teurer macht.
Es gibt aber noch einen weiteren Punkt: Im Vergleich zu früheren Schweineställen hat sich die zur Verfügung stehende Fläche je Tier deutlich vergrößert. Wenn früher mit 0,75 m² je Mastschwein kalkuliert wurde, sind dies je nach Anforderung heute schnell 1,10 bis 1,50 m² je Tier. Dieser größere umbaute Raum muss bezahlt werden.
Gibt es Bereiche, in denen sich Kosten einsparen lassen?
Meines Erachtens sind das nur wenige. Und diese vermeintlich günstigen Lösungen sind vorab kritisch zu beleuchten. Nehmen Sie hierbei die Hilfe von externen neutralen Stallbauberatern in Anspruch. Wichtig ist eine gute Planung und ein individuelles Investitionskonzept. In der Kostenschätzung können dann verschiedene Szenarien, wie unterschiedliche Fütterungs- oder Entmistungssysteme dargestellt und bewertet werden. Diese Orientierungshilfe dient dem Betriebsleiter für eine Kosten-Nutzen-Analyse bzw. eine betriebswirtschaftliche Betrachtung.
Mit welchen Gesamtkosten je Tierplatz müssen die Landwirte aktuell rechnen, wenn sie ein Stallgebäude für die Mast, Ferkelaufzucht oder Sauenhaltung bauen wollen, um die Vorgaben der novellierten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu erfüllen?
Eine schwer zu beantwortende Frage. Aufgrund der Individualität unterscheiden sich die Kosten je Stallplatz erheblich. Zudem spielen Ausstattung, Größe und Produktionssystem eine gewichtige Rolle. Als Beispiel kann der Neubau eines Abferkelstalles dienen, denn dieser Bereich steht in etlichen Betrieben über kurz oder lang auf der Agenda. Für rund 7500 € je Platz lässt sich ein kompletter Stall für die Abferkelung auf die „Grüne Wiese“ bauen.
Allerdings fehlen in diesen Kosten noch die Erschließung, Flüssigmistlagerung, Zuwegung und Futterlagerung. Diese Kosten sind im Beispiel nicht vergessen worden. Vielmehr sind die Positionen schon vorhanden, weil der Neubau einen vorhandenen Tierhaltungsstandort ergänzt. Außerdem spielt die Gesamttierzahl eine Rolle: Baue ich einen Stall für 500 oder für 200 Sauen? Das macht bei den Kosten je Tierplatz durch die Degressionseffekte einen großen Unterschied!
Oder nehmen wir den laut Nutztierhaltungsverordnung künftig vorgeschriebenen Platz von 5 m2 je Sau im Deckzentrum. Eine Reihe meiner Beratungsbetriebe muss dafür lediglich eine Arena schaffen. Die Funktionsgänge oder -räume sind hier schon vorhanden. Wenn die Arena dann auch noch in Form eines Auslaufes möglich ist, halten sich die Kosten in Grenzen.
In anderen Betrieben müssen für viel Geld komplette Funktionsbereiche neu geschaffen werden, weil beispielsweise nur ein 1,20 m breiter Gang zwischen den Besamungstandreihen vorhanden ist. Bei wieder anderen Sauenhaltern vor allem in Innerortslage sind die Gebäudekonstellationen und Standortverhältnisse so ungünstig, dass eine Bestandsabstockung droht. Im Ergebnis treffen wir auf eine Kostenspanne von 100 bis 3000 € je Platz – je nachdem, was gemacht werden muss.
Lohnt es sich, gemeinsam einzukaufen und eine Ausschreibung zu machen? Oder sollte man das Material vielleicht jetzt schon bestellen, um vor weiteren Preissteigerungen gefeit zusein?
Schon in den Bauboomzeiten Ende der 1990er- bzw. Anfang der 2000er-Jahre haben wir versucht, mit gemeinsamen Ausschreibungen Geld zu sparen. Damals hat das nicht gut funktioniert: Die Anforderungen waren vielfach zu individuell und die einzelbetrieblichen Einflüsse zu groß. Das ist nach meiner Einschätzung auch heute oftmals so.
Das sollte die Landwirte aber nicht davon abhalten, in speziellen Arbeitskreisen die geplanten Konzepte mit gleichgesinnten Berufskollegen zu diskutieren, um somit den eigenen Denkhorizont zu erweitern.
Wenn das Stallkonzept dann nach ausgiebiger Diskussion steht, empfiehlt sich eine professionelle Angebotseinholung mit anschließender Prüfung durch einen neutralen Stallbauexperten. Vom „Hamsterkauf halte ich dagegen wenig: Die notwendige Stalleinrichtung würde ich immer erst dann bestellen, wenn der Um- oder Neubau tatsächlich ansteht.