Bei den politischen Auflagen für deutsche Schweinehalter ist kein Ende in Sicht. Höhere Erlöse wären dringend nötig, um investieren zu können. Geht es 2023 bergauf?
Seit einigen Wochen nehme ich positive globale Entwicklungen wahr. Vor allem in der EU sinken die Schweinebestände. Stück für Stück normalisieren sich die Märkte. Aus Russland kommt relativ viel Getreide. Auch beim Eiweiß hat sich die Lage aufgrund der guten Rapsernte in Nordamerika entspannt.
Bisher ist noch keine Entlastung zu spüren. Wann wird sich das auf die Betriebe auswirken?
Gerade liegen die Vollkosten in der Mast noch bei mindestens 230 € pro Schwein. Allein das Futter kostet deutlich über 90 €. Das knabbert natürlich an der Rentabilität. Allerdings liegt Märzweizen an der Pariser Börse Matif schon wieder unter 280 €/t.
Das wird noch nicht reichen, um kurzfristig auf ein vollkostendeckendes Niveau zu kommen. Wie sieht es bei den Energiekosten aus?
In den vergangenen drei Jahren sind sie für Mastschweine von etwa 3 auf 6 € gestiegen, für Ferkel von 5 bis 6 € auf 10 bis 12 €. Aktuell liegen die Energiepreise auf einem Niveau wie vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs, sind aber beim Endkunden noch gar nicht mit voller Wucht angekommen. Was Schweinehaltern in die Karten spielt, ist der bislang milde Winter.
Von 40 kg Schweinefleisch, das die Deutschen verbrauchen, kommen 11 kg aus dem Ausland. Unsere hohen Tierwohl-Standards sind eine Steilvorlage für die europäische Konkurrenz. Können wir da auf Dauer mithalten?
Über die Tierwohl-Diskussion sind Effizienz und Kostenführerschaft definitiv aus dem Fokus gerückt. Deutschland trifft es besonders hart, weil Mehrkosten und Ökologisierung quasi staatlich verordnet werden. Bald liegen wir in Deutschland unter 44 Mio. Schlachtungen pro Jahr. Das führt zu Überkapazitäten und Schlachthofschließungen, wodurch sich die Transportzeiten erhöhen. Diese Entwicklung trägt wohl kaum zum Tierwohl bei. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet dafür enorm.
Wie viel teurer produzieren die deutschen Schweinehalter?
Das sieht man gut an der unten stehenden Grafik für das Jahr 2021. Alles in allem konnte Brasilien seine Schweine für 1,20 €/kg Schlachtgewicht produzieren, Dänemark für rund 1,50 €. Italien ist Spitzenreiter, insbesondere aufgrund der hohen Schlachtgewichte und Futterkosten. Die zweitteuerste Produktion hat Großbritannien – aufgrund strenger Tierwohl-Vorgaben und schlechterer Futterverwertung.
Dagegen punkten Dänemark und Finnland mit besonders effizientem Futtereinsatz und entsprechend geringen Kosten.
Deutschland hatte 2021 Produktionskosten von rund 1,80 €/kg. Das waren 13 % mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig lag der Erlös im Schnitt 14 % unter Vorjahresniveau – nämlich bei rund 1,35 €/kg.
Um über die Kette kostendeckend zu produzieren, bräuchten wir 2023 eine Notierung von rund 2,40 €/kg.
So einfach lassen sich die Kosten wohl nicht an Verbraucher weitergeben. Schließlich sparen gerade alle, wo sie nur können.
Das stimmt. Auf der anderen Seite wird die Marge des Handels immer größer. Konsumenten zahlen heute das Dreifache von dem, was der Landwirt für seine Produkte bekommt. Und das lässt sich nicht bloß mit Mindestlohn, Energie und Corona-Schutz rechtfertigen. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe kämpfen mit Mehrkosten.
Mit 5 x D sollte die deutsche Ferkelherkunft gestärkt werden. Zieht dieses Argument bei Handel und Verbrauchern?
Zurzeit steigt der Anteil deutscher Ferkel in den heimischen Mastställen, da die Niederländer und Dänen ihre Tiere primär nach Polen, Spanien und Kroatien exportieren. 5 x D nimmt so zwangsläufig zu. Das Prinzip stärkt den Zusammenhalt in der Produktionskette. Den Verbraucher überzeugt der Mehrwert aber leider nicht. Das Label wird in meinen Augen kaum wahrgenommen. Verkaufsschlager ist vielmehr die „Deutschländer“ Wurst von Meica, ohne dass sie nachweislich deutsches Fleisch enthält.
Prächtig entwickeln sich zum Nachteil der Bauern die Handelsmarken von Rewe, Edeka und Co. Sie punkten beim Preis. Die Herkunft können Lebensmittelhändler unbemerkt austauschen.
Der deutsche Fleischkonsum liegt bereits 12 kg unter dem EU-Durchschnitt. Wird Laborfleisch bald eine ernst zu nehmende Konkurrenz?
Das seh ich momentan noch nicht. Der Herstellungsprozess ist extrem energieintensiv. Auch sonst gibt es noch viele ungelöste Probleme. Eventuell kommen irgendwann Produkte wie Frikadellen aus künstlichem Fleisch auf den Markt. Für Schnitzel ist das aber erst einmal nicht denkbar, im Rindfleischbereich schon gar nicht – vor allem nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Und wie steht es um Haltungsform 3 und 4?
Ich glaube nicht an Werbeaussagen des Lebensmittelhandels, dass in wenigen Jahren 100 % des Fleischs in diese Kategorie fallen. Gerade jetzt – in Zeiten der Inflation – tun sich höherwertige Haltungsformen extrem schwer. Aktuell lassen sich 60 % der Schweine in Stufe 2, etwa 3 % in Stufe 3 und rund 2 % in Stufe 4 einordnen. Alternative Haltungssysteme werden eine Nische bleiben, weil der Verbraucher nicht mitzieht. Ich gehe auch davon aus, dass wir das Ziel des Koalitionsvertrages von 30 % ökologischer Landwirtschaft in dieser Legislaturperiode nicht mehr erleben werden.
Auch bei der Initiative Tierwohl sinkt die Nachfrage des LEH rapide. Immer mehr Landwirte bangen um ihre Verträge.
Bei ITW-Ware ist der Markt momentan deutlich überzeichnet. Nicht alle zertifizierten Schweine bekommen den Mindestbonus von 5,28 €/Schwein. Die Situation hat sich bis in den Januar weiter verschärft.
Wenn Schweinehalter trotz aller Unwägbarkeiten in neue Ställe investieren möchten, scheitern sie oft am Bau- und Umweltrecht.
Wir können nicht Tierwohl mit Auslauf umsetzen und gleichzeitig eine super CO2-Bilanz vorweisen. Da sind Zielkonflikte, die wir auch in der Öffentlichkeit darstellen müssen.
Haben Sie zum Schluss noch einen guten Spartipp für Schweinehalter?
Die wichtigste Stellschraube in der Mast bleibt die Futterverwertung. Sinkt sie von 2,9 auf 2,6 kg, spart das rund 12 € je Schwein. Gleichzeitig sinkt der ökologische Fußabdruck. Wichtig ist auch die Energieeffizienz von Licht, Heizung und Kleingeräten.
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