WLV-Veredlungsausschuss
Schweinehaltung: Ist das Tal der Tränen bald vorbei?
Die Zahl der Schweine nimmt rasant ab. Die Erlöse stabilisieren sich auf höherem Niveau. Schweinehalter könnten aufatmen – wenn die Politik nicht wäre.
Hubertus Beringmeier wagte eine optimistische Prognose: „Ich glaube, wir sind durch das Tal der Tränen durch. Europaweit gehen die Bestände zurück.“ Doch weiß der WLV-Präsident, dass das Angebot nur eine Seite der Medaille ist.
Auf der anderen Seite steht die Nachfrage – und die Gesetzeslage. Und da konnte Roger Fechler den Teilnehmern des WLV-Veredlungsausschusses nicht viel Positives bieten. „Auf die Tierwohldebatte folgt die Klimadebatte. Die wird uns in den nächsten Monaten mit zunehmender Schärfe ereilen“, fasste der Veredlungsreferent des Deutschen Bauernverbandes die aktuellen politischen Debatten in Berlin und Brüssel zusammen.
Klimadebatte wird schärfer
Erste Signale erleben BImSch-Betriebe schon jetzt. Aufgrund der neuen TA-Luft müssen große Anlagen ab 2026 eine Abluftreinigung nachrüsten. Kleine Anlagen müssen ab 2029 die Emissionen um 40 % mindern. Die BImSch-Pflicht beginnt bislang bei 1500 Mast- oder 560 Sauenplätzen bzw. einer entsprechenden Kombination von beidem. Doch will die EU mit der IED-Richtlinie die Tierbestandsgrenzen auf 25 % des jetzigen Werts senken, sodass dann viele Schweinebetriebe von der Minderungspflicht betroffen wären.
In Deutschland beherrscht aktuell Tierwohl die politische Debatte. Angesichts von Inflation und Ukraine-Krise könnte man erwarten, dass Versorgungssicherheit vorrückt. Doch Politprofi Roger Fechler macht andere Erfahrungen: „Das Ziel des hohen Tierwohl-Niveaus ist ungebrochen. Da gibt es keinen Millimeter Abweichung vonseiten der Politik.“ Der Frischluftstall mit Auslauf und Festfläche ist erklärtes Ziel – sowohl in Berlin wie in Brüssel.
Die Sauenhaltung ist bei der Haltungskennzeichnung momentan nach hinten gerutscht. Doch will Landwirtschaftsminister Özdemir das Tierwohl-Portfolio scheibchenweise abarbeiten und sukzessive in die Gesetzgebung einbauen. Beim Ringelschwanz erwartet Fechler, dass schon im nächsten Jahr „die Daumenschrauben angezogen werden“.
Eine Achillesferse der Schweinehaltung ist der Tiertransport. Auch hier rechnet Fechler mit weiteren Einschränkungen. Seine Prognose: „Wegen der Transportdauer wird sich die Tierhaltung künftig um die bestehenden Schlachtstand-orte gruppieren.“
Mehr Geld mit Bauernliebe
Mit dem Bauernliebe-Programm stellte Dr. Detert Brinkmann ein Positivbeispiel für höhere Haltungsformen vor. Der Landwirtschaftsexperte des Edeka-Fleischwerks Rasting setzt dabei auf Regionalität und Tierwohl. Das Schweinefleisch für Bauerliebe kommt komplett aus NRW, mit Westfleisch als Partner. Es erfüllt die Bedingungen der Haltungsform 3. Die Tiere haben mindestens 40 % mehr Platz, Außenklima und gentechnikfreies Futter.
Die gesamte Lieferkette ist zertifiziert, auch die Einzelhandelsgeschäfte. „Damit es keine wundersame Brotvermehrung gibt“, so Brinkmann augenzwinkernd. Seit dem Start Anfang 2020 sind 77 Schweinebetriebe eingestiegen. Der Großteil musste zwischen 300 und 500 € pro Mastplatz in den Umbau investieren. 63 Bullenmastbetriebe beteiligen sich. In beiden Sparten befinden sich weitere Betriebe im Aufnahmeprozess.
Bullenmäster haben einen Jahresvertrag, Schweinemäster bislang drei Jahre. Seit Oktober bindet Rasting Schweinebetriebe für fünf Jahre. Zudem soll Fairness bis zum Ferkelerzeuger geschaffen werden durch einen Zusatzvertrag mit fester Bindung und Mindestpreis. Teilnehmenden Betrieben zahlt Rasting einen Bauernliebe-Bonus. Zusätzlich können sie in NRW die Strohprämie beantragen.
Eine Besonderheit bei der Schweineabrechnung ist der Mindestpreis aus der gleitenden VEZG-Quartalsnotierung der letzten fünf Jahre. Zudem hat Rasting im zweiten Quartal 2022 einen Krisenzuschlag von 0,17 €/kg gezahlt.
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