Kosten explodieren

Schweinehalter brauchen 2,50 €/kg

Die Kosten im Schweinesektor explodieren weltweit – am stärksten aber in Deutschland. Das sind die Faktoren.

Das Positive vorweg: Die Frosterbestände an Schweinefleisch bauen sich ab. Zudem geht EU-weit die Produktion zurück – allein im Jahr 2021 um 3,1 %. Und in China wächst der Importbedarf, da auch dort die Bestände gesunken sind. Noch steuert die Regierung durch Auslagerungsaktionen gegen. Doch zum chinesischen Neujahrsfest, wenn die Nachfrage am höchsten ist, notiert die Börse in Dailan über 4,50 €/kg. „Auch wenn wir nicht wie Dänen oder Spanier direkt vom Export profitieren, wird die Sogwirkung sich auch in Deutschland bemerkbar machen“, ist Dr. Albert Hortmann-Scholten überzeugt.

Wie kommt die Multikrise zustande?

Doch das war’s auch schon mit den guten Botschaften. Der Marktexperte der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zählte auf den Agrar Unternehmertagen etliche Faktoren auf, die zur existenziellen Multikrise des Sektors beitragen.

Futterkosten: Solange der Krieg nicht beendet ist, bleiben die Engpässe beim Getreide bestehen. Die Warenterminbörsen zeigen bis ins Jahr 2025 Preise, die weit über denen der Vergangenheit liegen. Da Futter mit 60 bis 65 % den größten Kostenblock in der Schweineproduktion ausmacht, leidet die Wirtschaftlichkeit enorm.

Energiekosten: Die Explosion bei den Gaspreisen schlägt auf den Strommarkt durch. Das fällt der ­gesamten Branche auf die Füße. Für die Erzeuger bedeutet das laut Hortmann-Scholten Folgendes: Sauenhalter zahlten bislang etwa 4 €/Ferkel für Energie. Das steigt im Winter auf 11 €/Ferkel oder mehr – je nachdem, wie die Gas-/Strompreisbremse der Bundes­regierung greift. Auch für Mäster verdoppeln sich die Energiekosten von 2,36 auf knapp 5 €/Schwein.

Arbeitskosten: Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 €/Stunde führt zur weiteren Inflationierung der Produktionskosten.

Versorgungsengpässe: Da die Produktion von Stickstoffdünger massiv heruntergefahren wurde, ist die Versorgung mit CO2 gefährdet. Dies fällt als Koppelprodukt der Düngeproduktion an. Der CO2-Mangel betrifft zum einen die Schlachtung, wo das Gas zur Betäubung der Schweine unabdingbar ist. Zum anderen aber auch den Bereich SB-Fleisch, wo die Begasung mit CO2 die Haltbarkeit beispielsweise von Hackfleisch verlängert.

Engpässe bei Ad Blue

Auch beim Dieselzusatz Ad-Blue gibt es Engpässe. Der Preis ist von 17 Cent/l auf 1,20 €/l gestiegen. Das erhöht die Logistikkosten in der ganzen Kette.

In Summe bedeutet das immens steigende Produktionskosten. Um die abzudecken, reichte selbst die Preisspitze von 2,10 €/kg nicht. „Der Break-even liegt bei 2,50 €/kg plus X, bevor alle Produzenten Geld verdienen – Sauenhalter und Mäster“, rechnete Marktexperte Hortmann-Scholten vor.

Die Kehrseite: Deutschland produziert im Vergleich zu den europäischen und globalen Wettbewerbern zu teuer. Der Export bleibt schwierig. Auf dem heimischen Markt verschlechtert sich das Absatzpotenzial für Schweine aus höheren Haltungsformen durch die steigende Inflation massiv. Das trifft Direktvermarktung, Schweine aus Bio- oder Außenklima­haltung, aber auch ITW-Ware.

ITW:Fehler im System

Mittelständler, die ihre Landwirte zunächst zur Teilnahmen an ITW gedrängt haben, nehmen die Ware jetzt nicht ab. Auch große Schlachtunternehmen wie Tönnies oder Westfleisch zahlen nicht vertragsgebundenen Mästern keinen ITW-Bonus. „Der Fehler liegt im System“, legte Hortmann-Scholten. den Finger in die Wunde. Solange Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung und Wursthersteller die Haltungsform nicht ausflaggen müssen, unterläuft der größte Teil des Konsums das ITW-System.

Lesen Sie mehr dazu:

Anfang des Jahres schien der Knoten bei 5xD durchschlagen. Da die Lebensmittelketten mitzogen, wurden für deutsche Ferkel flächendeckend Zuschläge gezahlt. Doch jetzt scheren erste Vermarkter aus.