Wochenblatt: Die Preise für Aminosäuren gehen durch die Decke. Mit welchen Einkaufspreisen müssen Landwirte zurzeit rechnen?
Bernd Westerfeld: Landwirte kaufen Aminosäuren selten als Einzelkomponente, sondern meist mit Mineralfutter oder Eiweißergänzer. Beim Mineralfutter kann man zurzeit wirklich von Tagespreisen sprechen, die fortlaufend steigen. Der Preis für ein Standardmineralfutter mit 12 % Lysin hat sich binnen Wochen verdoppelt. Bei den übrigen Aminosäuren sieht es ähnlich aus.
Sie betreuen die Einkaufsgemeinschaft Warendorf. Wie macht sich das dort bemerkbar?
Da der Kontrakt für Mineralfutter bis Ende März läuft, bleiben die Mitglieder bislang von steigenden Preisen verschont. Neukunden können schon seit Wochen nicht mehr aufgenommen werden. Was unsere Landwirte aber merken, ist die knappere Verfügbarkeit. Bei größeren Bestellungen werden zunächst nur Teilmengen geliefert.
Da sich die Versorgungslage weiter zugespitzt hat, mussten wir den Aminosäurengehalt reduzieren. So enthält das Mast-Mineralfutter anstelle von bislang 12 % Lysin jetzt noch 8 %. Die Gehalte von Methionin und Threonin sind entsprechend gekürzt. Auf Trypthophan, das bisher mit 1 % vertreten war, verzichten wir jetzt.
Dann reicht die Eiweißversorgung nicht mehr. Wie können die Landwirte den Mangel an künstlichen Aminosäuren ausgleichen?
Die einzige Alternative ist die Erhöhung des Sojaschrotanteils im Futter. Wenn man den Proteingehalt von Endmastrationen dadurch um 2 % erhöht, kann man den Einsatz von Aminosäuren um ein Drittel reduzieren und auf Trypthophan komplett verzichten.
Bei reinen Getreiderationen raten wir unseren Mitgliedern zur Anhebung des Sojaanteils um 3 %-Punkte in der Vor- und Mittelmast und um 2 %-Punkte in der Endmast – bei Rationen mit mehr als 30 % CCM jeweils 1 %-Punkt höher. Trotz des hohen Sojaschrotpreises von rund 48 €/dt zum Jahresende wird die Ration dadurch etwa 1,50 €/dt günstiger. In Vormastmischungen setzen Landwirte jetzt wieder bis zu 23 % Sojaschrot ein, in der Endmast 17 %.
Das ist ein Schuss vor den Bug für alle, die sich für sinkende Proteingehalte stark machen.
Auf diesem Gebiet haben die Schweinehalter in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Doch aktuell ist diese Art der Fütterung einfach zu teuer. Hinzu kommt, dass durch die Preisexplosion beim Dünger überschüssige Gülle vom kostenpflichtigen Abfallprodukt zum wertvollen Mehrnährstoffdünger wird. Dadurch nimmt der Druck auf Veredler ab, möglichst wenig Gülle mit geringem Nährstoffgehalt zu produzieren.
Viele Landwirte werten ihr eigenes Getreide mit Ergänzer auf. Läuft der Preis dort ähnlich aus dem Ruder?
Auch beim Ergänzer sind die Preise drastisch gestiegen. In den vergangenen Jahren haben fast alle Anbieter in Westfalen beim Rohprotein auf die Bremse gedrückt, da die Landwirte die Obergrenze von 170 kg N/ha aus organischer Düngung einhalten müssen. Das hat dazu geführt, dass verstärkt künstliche Aminosäuren eingesetzt wurden zulasten von Eiweißträgern. Wenn jetzt die Aminosäuren im Preis anziehen, schlägt das sofort auf den Ergänzer durch. Produkte, die eine stark N/P-reduzierte Fütterung erlauben, sind in den letzten Wochen um mehr als 6 €/dt angezogen. Einige Hersteller bieten keine Kontrakte mehr an, sondern verkaufen nur zum Tagespreis.
Wie viel teurer wird die Produktion durch den Preisanstieg?
Die Futterkosten sind durch die Preisexplosion bei Getreide schon auf weit überdurchschnittlichem Niveau, das in keinster Weise zu den Notierungen für Ferkel und Mastschweine passt. Der raketenartige Preisanstieg der Aminosäuren verteuert die Produktion um weitere 6 bis 8 € bei Mastschweinen und 1,50 € bei Ferkeln.
Ist denn absehbar, wann sich die Aminosäurenpreise wieder auf ein normales Maß einpendeln?
Da wagt im Augenblick niemand eine Prognose. Der Großteil der Aminosäuren wird in Asien, speziell in China produziert. Sowohl Engpässe beim Übersee-Transport als auch der hohe Energieaufwand für Fermentation und Trocknung können Preistreiber sein. Hinzu kommt, dass aufgrund der Luftverschmutzung zeitweise für ganze Regionen ein Produktionsstopp verordnet wird. Das könnte gerade während der Winterolympiade im Februar eine Rolle spielen. Und es gibt weitere Risiken: Wenn Corona-Fälle auftreten, reagiert die chinesische Regierung rigoros und riegelt Millionenstädte und auch Häfen ab. Das stellt die internationale Logistik vor Riesenprobleme und führt zu weiteren Lieferengpässen.
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