Dieser Beitrag ist zuerst in der Lebensmittel Praxis erschienen.
Rindfleisch ist nicht gleich Rindfleisch – ganz im Gegenteil. Es gibt Unterschiede in Geschmack und Farbe, sagt Martin Russ, Rinderbauer und einer der Geschäftsführer der Erzeuger- und Vermarktungsvereinigung Qualivo Deutschland GmbH. Er kommt aus der Landwirtschaft und hält auf seinem Hof auch Qualivo-Mastbullen und -kälber. „Nicht nur der niedrigste Preis zählt. Die deutschen Verbraucher machen ihre Kaufentscheidung immer stärker davon abhängig, unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel produziert werden und für welche Werte die Hersteller und Händler stehen“, erzählt Russ.
Deshalb bietet die Erzeuger- und Vermarktungsvereinigung Qualivo Deutschland dem Handel und dem Metzgerhandwerk ein hochwertiges Premium-Fleisch an, das aus der jeweiligen Region stammt und auf dessen Qualität der Konsument vertrauen kann. „Fleisch kann man nur mit einer Geschichte verkaufen und das funktioniert auch nur, wenn das Fleisch besser ist“, sagt Russ.
Marke mit Gesamtkonzept
Hinter der Marke „Qualivo“ stehe ein Gesamtkonzept zur Herstellung von Premium-Fleisch, so Russ. Das Markenprodukt „Qualivo“ stammt ursprünglich aus der Schweiz und ist über Baden-Württemberg auch nach Bayern gekommen. Das Qualivo-Konzept wurde 1995 vom Tierfutterexperten Jürg Hofmann ins Leben gerufen. Das Futtersystem Qualivo („vo“ für veau = französisch: Kalb) hatte den Schweizer fasziniert. Dafür entwickelte Hofmann eine besondere Futtermischung, die dafür sorgt, dass die Tiere sich gut entwickeln und gesund bleiben.
Zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft
Qualivo bedeute nach Aussage von Russ jedoch auch die Wertschätzung des gesamten Tieres. So sollen nicht nur das bevorzugte Filet, sondern alle Stücke verwendet werden. Qualivo sei ein Markenfleisch, bei dessen Produktion verschiedene Maßgaben erfüllt werden müssen, so Russ. Wesentliches Kriterium ist die Fütterung der Tiere mit einem speziellen, rein natürlichen und gentechnikfreien Futter. Auch die Haltung auf Stroh ist vorgeschrieben. „Qualivo liegt zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft. Die Qualität des Fleisches liegt jedoch über der von Bio-Erzeugnissen“, sagt Martin Russ.
Die gesamte Wertschöpfungskette ist in Baden-Württemberg und Bayern angesiedelt. So liefern regionale Landwirte an den Fleischwarenhersteller Adler in Bonndorf im Schwarzwald. Das Unternehmen schlachtet nicht nur, sondern zerlegt und produziert gleichzeitig die Wurst- und Schinkenprodukte. Verkauft werden diese, abgesehen von einzelnen Fachmetzgereien, vor allem bei dem in Baden-Württemberg und Bayern ansässigen Handelsunternehmen.
Durch die vorgeschriebene Fütterung und Haltung der Tiere sei das Fleisch von gleichbleibender Qualität, das Fleisch schmeckt nach Getreide und Nuss, und die Farbe ist rosa, so der Geschäftsführer. Die Farbe kommt von den Inhaltsstoffen im Futter. Es setzt sich bei ihm nicht nur aus kostengünstigen Standardfuttermitteln wie Silage zusammen, sondern auch aus frischem Heu, Stroh und einem hochwertigen Müsli auf Mais- und Weizenbasis, natürlich frei von Gentechnik. „Das sind die Garanten für zartes Qualitäts-Kalbfleisch mit hervorragender Marmorierung und einem besonders aromatischen Geschmack“, sagt Martin Russ. „Wir wissen, dass Qualivo-Fleisch teurer ist als andere Produkte, aber da wir dem Verbraucher erklären können, was dahintersteckt, sind wir glaubwürdig. Das wird honoriert“, sagt Martin Russ.
Auf der Suche nach Erzeugern
Landwirte für das Qualivo-Konzept zu finden sei laut Russ nicht so leicht, denn die müssen in der Regel „ihren ganzen Betrieb umbauen, um die ‚Qualivo‘-Vorgaben zu erfüllen“. Dazu gehört die Haltung der Rinder (Rasse Fleckvieh) in Laufställen mit Stroh-Einstreu, vier Quadratmetern Platz pro Tier, viel Luft und Licht. In der Fütterung müssen die Landwirte komplett auf Silage verzichten, da sich die Säure laut Russ negativ auf Haltbarkeit und Geschmack des Fleisches auswirke.
Die Tiere werden ausschließlich mit Milch, Heu und „Qualivo“-Futter – einer Mischung aus Getreide, Körnermais, Kräutern, Mineralstoffen und Vitaminen – gefüttert. Sojaschrot oder gentechnisch veränderte Futtermittel sind verboten. Das Schlachtalter der Rinder liegt in der Regel zwischen elf und 13 Monaten, bei einem Gewicht zwischen 270 und 330 Kilogramm. „Damit haben die Tiere zwar das Gewicht eines ausgewachsenen Bullen, aber zartes Fleisch, weil sie ja noch relativ jung sind“, weiß Russ. Damit keiner der Landwirte mogelt, gibt es ein dreistufiges Kontrollsystem, unter anderem durch einen verbandseigenen Prüfer sowie durch eine neutrale Stelle. Als Ausgleich für die qualitativen Auflagen erhalten die Qualivo-Landwirte von den Metzgern und Händlern einen etwas höheren Preis. Die Metzger und Händler wiederum können gegenüber dem Konsumenten damit werben, dass sie ihr Fleisch von Premium-Fleischlieferanten aus der Region beziehen.
Grosse Sicherheit durch Abnahmegarantie
Aber rechnet sich der erhöhte Aufwand für die Landwirte überhaupt? „Wir bieten den Bauern durch eine Abnahmegarantie eine große Sicherheit“, sagt Russ. Die Preise seien zudem sehr konstant das ganze Jahr über. Alle Landwirte – und auch Metzger –, die vom ersten Tag an bei „Qualivo“ dabei waren, sind es laut Russ auch heute noch. Etwa 2.200 „Qualivo“-Rinder werden pro Jahr geschlachtet und 25.000 Schweine. Seit 2014 gibt es auch Kälber. Sicher gibt es da noch Luft nach oben, aber „exzessive Expansionspläne“ gibt es laut Russ bei „Qualivo“ nicht. Das widerspreche dem Qualitäts-, Regionalitäts- und Nachhaltigkeitsgedanken. Inzwischen haben sich dem Verbund rund 60 Erzeugerbetriebe für Rind-, Kalb- und Schweinefleisch angeschlossen. Diese Erzeuger beliefern 70 Metzgereien in Baden-Württemberg und Bayern sowie 16 bis 20 Filialen der Rewe Südwest, bei denen der Endverbraucher das Qualivo-Fleisch erhält.
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