Biofilme im Euter lösen

Behandlung von Mastitis ohne Antibiotika

Mastitis zählt trotz Einsatz von Antibiotika zu den häufigsten Abgangsursachen von Kühen. Das Prinzip der „Quorum sensing-Hemmung“ ermöglicht die Behandlung ohne Antibiotika. Ein Praktiker erzählt.

Sperrmilchkühe fressen jeden Tag ihre volle Ration und verdienen kein Geld. Das ist umso ärgerlicher, wenn der Auszahlungspreis sich nach oben bewegt. Dieses Gefühl kennt auch Bernd Claussen vom Tannenhof im niedersächsischen Geestland. Bei dem Milcherzeuger laufen täglich 300 Milchkühe in zwei Herden durch zwei Melkroboter und ein Melkkarussell. „Wir hatten schon immer Probleme mit Zellzahlen und Euterentzündungen“, berichtet der 48-jährige Landwirt.

Im April 2021 startete Claussen einen Versuch mit der Quorum sensing-Hemmung – was sich genau hinter diesem Behandlungsprinzip verbirgt, wird im Kasten erläutert. Kühe mit Euterproblemen erhielten Boli, deren pflanzenbasierte, biotechnologisch aktivierte Moleküle den Biofilm im Euter lösen und das Potenzial für chronische und schwere Mastitisverläufe in einer frühen Phase senken sollen. Es handelte sich um Tiere, die der Roboter mit verändertem Leitwert identifizierte oder die mit harten, warmen Vierteln ins Karussell kamen und erste Flocken zeigten.

Risiko - Resistenzen

Besonders chronische Mastitis­tiere haben teilweise beachtliche Mengen Biofilm im Euter. Gerät ­eine frisch infizierte Kuh oder ein Tier mit ruhenden Erregern im Biofilm aus vorangegangenen Mastitiserkrankungen in eine Stresssituation, können die Bakterien Oberhand bekommen. Sie greifen den geschwächten Organismus an.

Werden die Tiere mit Antibiotika behandelt, töten diese die Erreger häufig nicht vollständig ab, sondern veranlassen die Bakterien, sich mittels Quorum sensing in den Biofilm zurückzuziehen und ihn noch zu verstärken. Die Folge: Der Biofilm umfasst mit jeder weiteren Mastitis immer mehr Bakterien. Durch den Selektionsdruck besteht zudem das Risiko, dass sich mit mehrfachen Antibiotikabehandlungen Resistenzen bilden.

Stressfaktor: Überbelegung

Bei Claussens war Überbelegung ein wesentlicher Stressfaktor. So erhöhten sie in den vergangenen drei Jahren die Milchleistung vor allem durch eine Abstockung um 10% von 9000 auf 10.500kg Durchschnittsleistung. Claussen stockte jedoch nicht nur ab, sondern setzt seit einem Jahr auf Quorum sensing-Hemmung: „Zu Beginn haben wir erst behandelt, wenn klar war, dass die Kuh eine Euterentzündung bekommt. Mittlerweile behandeln wir, sobald die erste Flocke im Vorgemelk auftaucht.“ Eine Mastitis koste viel Geld, da dürfe man nicht abwarten, meint der Landwirt. Seine Tierarztkosten liegen pro Kuh im Schnitt bei 55 € im Jahr. Es sei nicht schwer, sich für diese Behandlungsalter­native zu entscheiden, denn die Milch der auffälligen Tiere könne er, anders als nach einer Antibiotikabehandlung, weiter abliefern.

Pflanzlicher Futterzusatz

Zu Beginn der Behandlung erhalten die Tiere einen rasch wirksamen Bolus, der neben Zichorienpulver und Weidenrinde weitere bioaktivierte Inhaltsstoffe enthält. Diese sollen die Bakterienkommunikation hemmen und damit das Bilden eines Biofilms unterbinden oder einen vorhandenen Biofilm auflösen.

Ein zusätzlicher, sich langsam auflösender Pansenbolus versorgt die Kuh in den folgenden drei Wochen mit den Wirkstoffen. Ein weiteres Zusatzfuttermittel aus dem Programm, ebenfalls auf der Basis von Zichorienpulver,...