Unternehmen wie Aldi oder Rewe fordern die Schlachtbetriebe auf, ihre Lieferanten auf die Fütterung mit entwaldungsfreiem Soja umzustellen. Vertreter aus der Futtermittelindustrie berichten, dass diese Forderung bei der Mischfutterindustrie vor einem Jahr aufgetaucht ist und durchaus ernsthaft diskutiert wird.
In dem Schreiben an die Lieferanten nennt Aldi zehn Unternehmen bzw. Auditierungsunternehmen, deren Audits anerkannt werden. Welchen Marktanteil im Bereich Sojaschrot diese Audits abdecken, ist nicht klar, dürfte aber bei etwa 80% liegen. Auffällig ist, dass die Forderung nach „entwaldungsfreiem Soja“ nicht nur für Geflügel, Eier und Schwein, sondern auch für Rindfleisch gilt. Dieses stammt bekanntlich zu 50% von Färse und Milchkuh, die ohnehin weitestgehend gentechnikfrei mit Rapsschrot gefüttert werden. Und in der Jungbullenmast kommt Sojaschrot eher selten in den Trog – mit Ausnahme Bayern.
Rodung wegen Soja?
In der Branche ist die Argumentation des Lebensmittelhandels zumindest fraglich. So schreiben Aldi-Süd und Aldi-Nord: „Mehr als 80% des weltweit angebauten Sojas wird zu Futtermittel verarbeitet. Für die Ausweitung der Ackerflächen werden immer noch riesige Wald- und Savannenflächen umgewandelt.“ Als Quelle ist der WWF Deutschland genannt. Die deutsche Mischfutterindustrie sieht das anders. Denn Soja ist laut botanischer Definition eine Ölpflanze und wird wegen des Sojaöls angebaut. Der Ölanteil ist zwar niedriger als das Restprodukt Ölkuchen – aber der Wert des Sojas beruht eben auch auf dem Ölgehalt und nicht nur auf dem Sojaschrot. Das muss erst getoastet werden, um die Trypsininhibitoren „unschädlich“ zu machen. Würden wirklich die Urwälder allein wegen des Futtermittelanbaus gerodet, sollte man wohl alles andere, aber kein Soja anbauen.
Die europäischen Sojaimporte sind in den vergangenen Jahren rückläufig und machen am weltweiten Handel nur noch einen Bruchteil aus. Zudem gehört zur Wahrheit, dass die Urwälder in Brasilien auch der boomenden Bioenergieproduktion zum Opfer fallen – denn der Bioethanol etwa aus Zuckerrohr wird dem Autosprit beigemengt.
Bei den Ölen für den menschlichen Konsum spielt „entwaldungsfrei“ kaum eine Rolle. Auf Nachfrage hat die Qualitätsbeauftragte von Aldi-Süd mitgeteilt, dass die Salatöle für den menschlichen Verzehr weitgehend aus dem Sojaanbau in den USA stammen. Und wären damit per Definition „entwaldungsfrei“.
Wenn dem so ist – warum steht „entwaldungsfrei“ dann nicht auf der Salatölflasche? Während bei Bioenergie in Südamerika und bei Speiseöl das Thema weniger diskutiert wird, soll es die Fleischproduktion mal wieder richten!
Zertifikat „entwaldungsfrei“
Soja aus europäischem Anbau wird zwar mehr, aber kann auf Jahre hinaus nur einen minimalen Teil des in Europa benötigten Sojas liefern. Rapsschrot wäre und ist auch eine Alternative – wird aber für „gentechnikfreie“ Milch benötigt. Auf andere Eiweißträger pflanzlicher Herkunft auszuweichen, ist kaum möglich. Ein zu hoher Einsatz von Erbsen oder Bohnen verschlechtert die Futterverwertung. Wenn Speisereste und die Abfälle der Schlachtindustrie in die Fütterung von Geflügel und Schwein wandern dürften – das soll ja kommen – würde es helfen.
Unbekannt scheint im Lebensmittelhandel auch zu sein, dass der Sojaanteil in den Rationen in den vergangenen Jahren drastisch um rund 40% gesunken ist und zum Teil durch synthetische Aminosäuren ersetzt wurde. Den Weg könnten Landwirte fortsetzen, wenn nicht die ständig rückläufige N-Düngung die Qualität des Getreides mindern würde. Branchenvertreter aus dem Getreidehandel erwarten, dass sich Deutschland schon bald aus der Qualitätsgetreideproduktion verabschiedet.
Trotz allem: Sojaimporte mit Zertifikat „entwaldungsfrei“ gewinnen künftig an Bedeutung. Speziell bei der jungen Generation ist das ein Thema. Billiger wird das Sojaschrot dadurch nicht. Selbst wenn „entwaldungsfreies“ Sojaschrot ausreichend zur Verfügung steht – die Organisation der Logistik sowie deren Kontrolle kostet Geld.
QS greift Thema auf
Damit nicht jeder Tierhalter bei seinem Futtermittellieferanten nachfragen muss bzw. jeder Schlachtbetrieb bei seinem Lieferanten, nimmt sich „QS“ des Themas an. Erste Gespräche mit der Futtermittelindustrie sind geführt, zusammen mit dem WLV. Denn eine zusätzliche Debatte „gentechnikfrei“ sollte unbedingt verhindert werden. Viel spricht dafür, dass zur QS-Zertifizierung der Futtermittelindustrie ab Jahresanfang 2022 eben auch das Zertifikat „entwaldungsfreies Soja“ gehört. Kosten für den Landwirt: etwa 10 bis 15 Cent je dt Sojaschrot. Ob die dann der Verbraucher finanziell honoriert, ist erst einmal offen.
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