Tönnies-Schlachthof Weidemark

Schlachthof-Schließung: Landwirte demonstrieren in Meppen und Sögel

Landwirte haben vor dem Kreishaus Meppen und vor dem Schlachthof in Sögel demonstriert. Ihre Botschaft: Die Lage der schweinehaltenden Betriebe ist dramatisch. Es braucht schnelle Lösungen für die schlachtreifen Tiere.

Etwa 100 Landwirte haben mit 55 Schleppern am Freitagmorgen (9. Oktober 2020) vor dem Meppener Kreishaus das Gespräch mit Landrat Marc André Burghof gesucht. Hintergrund ist der Beschluss des Landkreises vom Mittwoch, den Tönnies-Schlachthof Weidemark in Sögel nach einem Corona-Ausbruch vorerst für 22 Tage zu schließen.

Landwirte fordern kurzfristige und schnelle Perspektiven

Die Botschaft der demonstrierenden Landwirte war deutlich: Die Lage ist für die schweinehaltenden Betriebe mehr als ernst. Wo weniger Tiere geschlachtet werden, wächst die Platznot in den Ställen. Jetzt brauche es, so die Forderung der Landwirte, konkrete und schnelle Antworten auf die Frage, was mit den schlachtreifen Tieren passiere.

Konstruktives Gespräch mit Landrat

Das Gespräch mit Landrat Burghof verlief laut Aussage anwesender Landwirte gut. Es sei offen und sachlich diskutiert worden. Für den Nachmittag ist ein Gespräch zwischen dem Landkreis Emsland und dem Unternehmen Tönnies geplant. Dabei soll diskutiert werden, ob Teilbereiche des Schlachthofes möglicherweise geöffnet bleiben können.

Zahl der Neuinfektionen rückläufig

Nach dem Gespräch vor dem Kreishaus haben sich die Landwirte auf den Weg nach Sögel gemacht. Der dortige Betriebsleiter Christopher Rengstorf sagte im Gespräch mit den Landwirten, Tönnies sei hochinteressiert, den Schlachtbetrieb aufrecht zu erhalten und habe eine einstweilige Verfügung gegen die Schlachthofschließung durch den Landkreis eingereicht.

Entgegen erster Aussagen sei das Infektionsgeschehen zwar nicht ausschließlich in der Zerlegung verortet. Seit einem Hoch am vergangenen Montag würde die Zahl der Neuinfektionen unter den Schlachthofmitarbeitern aber stetig sinken. So kamen laut der von Tönnies veröffentlichten Daten am Dienstag noch neun und gestern nur noch drei Neuinfektionen dazu.

Tönnies setzt Corona-Schnelltest ein

Das Unternehmen Tönnies habe im Schlachthof in Sögel in den vergangenen Tagen zudem zahlreiche Präventionsmaßnahmen installiert, um das Corona-Geschehen genau zu kontrollieren. Alle Mitarbeiter würden jetzt zweimal täglich getestet. Seit Neuestem werde neben dem PCR-Test auch der Antigen-Schnelltest verwendet. Dieser habe bereits am Mittwoch zwei der drei positiven Ergebnisse bestätigt. Dadurch sei verhindert worden, dass diese Mitarbeiter den Betrieb betreten hätten, heißt es in einer Pressemitteilung von Tönnies.

Dazu Weidemark-Geschäftsführer Christopher Rengstorf: "Die zahlreichen Maßnahmen greifen und zeigen erste Erfolge. Daher müssen wir Verhältnismäßigkeit wahren und neben dem Infektionsschutz auch den Tierschutz auf den Höfen in der Region sicherstellen.“ Und im Hinblick auf die Sicherheit seiner Mitarbeiter im Schlachthof sagte er: „Die Mitarbeiter jetzt ohne Quarantäne nach Hause zu schicken ist für sie ein größeres Risiko, als im Betrieb täglich getestet zu werden und bei negativem Ergebnis zu arbeiten.“

Sögels Bürgermeister: Schlachthof-Schließung würde zu Kontrollverlust führen

Auch Sögels Bürgermeister Günter Wigbers hält die drohende Schlachthof-Schließung für unverhältnismäßig. In einem persönlichen Brief an Landrat Marc-André Burgdorf, der dem Wochenblatt vorliegt, plädiert er dafür, wenigstens einen reduzierten Normalbetrieb aufrecht zu erhalten. Seine Begründung bezieht sich auf die Schlachthof-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: "Eine auch nur wenige Tage andauernde Schlachthofschließung aber würde zu einem erheblichen Kontrollverlust führen, den der Landkreis eigentlich zwingend verhindern will und den wir gemeinsam verhindern müssen. Die Menschen sind zu uns gekommen, um zu arbeiten und um Geld zu verdienen. Bleibt der Schlachthof geschlossen, verlieren die Arbeitnehmer/innen ihre Tagesstruktur, ihr Einkommen, das tägliche Testen ist nicht mehr gewährleistet, manche wechseln womöglich den Arbeitsort, werden dort unwissend zum Risiko für andere und/oder sie bewegen sich in Sögel und den Nachbargemeinden - weil für sie ja keine Quarantäne gilt - frei und ohne Aufgabe umher."

ISN: Schließung ist ein reines Politikum

Aus Sicht der ISN - Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands handelt es sich bei der Schlachthof-Schließung in Sögel um ein reines Politikum. ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack schimpft: "Bei jedem anderen Großunternehmen hätte man bei gleicher Lage nicht mit Schließung reagiert. Hier darf man schon die Vermutung anstellen, dass einige Verantwortliche – allen voran Ministerin Reimann – in der Schlachtindustrie ein weiteres Exempel statuieren wollen." Die ISN schätzt, dass mit der Sögel-Schließung und den Corona-bedingten Reduzierungen in den anderen Schlachthöfen deutschlandweit aktuell rund 100.000 Schlachtungen pro Woche fehlen. Diese würden sich jede Woche zum aktuell bereits bestehenden Überhang von fast 400.000 schlachtreifen Schweinen hinzu addieren. Wenn sich nicht schleunigst etwas ändere, liefen Niedersachsens Schweinebetriebe unweigerlich auf Tierschutzprobleme zu - aufgrund von Platzproblemen in den Ställen.

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