Serie: Premiumprodukt Kalbfleisch
Mysterium Milchmast
In der Milchmast bekommen Kälber nur Milchaustauscher? Das ist lange her. Christoph Hackmann produziert das zarte und helle Kalbfleisch. Er erklärt, wie der Betriebszweig funktioniert.
Es ist 8 Uhr morgens. Christoph Hackmann öffnet die Tür zum Stall. Lautes Blöken ist zu hören, die schwarzbunten Köpfe mit den glänzenden schwarzen Augen drehen sich aufgeregt in seine Richtung. Die Kälber im Vormastabteil können ihre morgendliche Milch-Mahlzeit kaum erwarten. Theo, Sohn von Christoph Hackmann, fährt mit dem Milchtaxi zwischen den Einzelboxen lang. Er füllt in jede gelbe Schale 2 l Milchaustauscher (MAT)-Tränke.
Kälbermäster Christoph Hackmann hat in seinem Stall in Holdorf, Landkreis Vechta, rund 1000 Kälberplätze. Der Maststall ähnelt von außen und von der Lüftung her einem Schweinestall – er ist geschlossen und zwangsbelüftet. Innen befinden sich vier Endmastabteile, ein Vormastabteil, ein Futterraum sowie ein Aufenthaltsraum. Der Vechtaraner betreibt Milchmast. Das heißt, die Kälber bekommen über die gesamte Mastdauer Milch und Raufutter. Er produziert das helle für seinen feinen Geschmack bekannte Fleisch.
Vormast in Einzelboxen
Die Bullenkälber sind zwischen zwei und vier Wochen alt und wiegen im Schnitt 50 kg, wenn sie dienstags nachmittags bei Hackmanns ankommen. Vier bis fünf verschiedene Händler und Milchviehhalter aus der Region bringen dem Landwirt Holstein Friesian-Bullenkälber. Manchmal sind auch vereinzelt Kuhkälber dabei. „Sie kosten zwischen 90 und 150 €, das variiert stark“, sagt Hackmann. Nach Ankunft stehen die Kälber für etwa vier Wochen im Vormastabteil in Einzelbuchten. Immer 230 Tiere bilden eine Gruppe.
Vor jeder Einzelbox hängen zwei Schalen, eine graue für Raufutter und eine gelbe für Milch. „Zu Beginn bekommen die Kälber täglich ungefähr eine Handvoll Raufutter. Viele fressen am Anfang noch nicht so gut. Erst nach zwei Wochen fressen 90 % der Kälber das Futter“, erklärt der Mäster. Bei ihm besteht das Raufutter aus einer Mischung aus Lieschkolbenschrot, gehäckseltem und entstaubtem Weizenstroh und Kraftfutter mit Maisflocken. Das Lieschkolbenschrot hat er vergangene Woche in Rundballen siliert.
Wenn die Kälber dienstags ankommen, erhalten sie als erste Mahlzeit eine Elektrolyttränke. „Diese ist freiwillig für die Tiere. Ich gebe ihnen 2,5 l, wenn sie sich aber erst von dem Transport ausruhen wollen, ist das auch okay“, informiert Hackmann.
Am Mittwochmorgen geht es dann mit der ersten Milchtränke los. Der größte Bestandteil ist Molke: 30 % eiweißreiches Molkeproteinkonzentrat und 42 % Süßmolkekonzentrat. Dann gehören noch Weizen- und Sojaprotein (10 %), eine Fettmischung (16 %), Vitamine und Spurenelemente (2 %) in den MAT. Ein gutes Futter, gerade zu Beginn, ist dem Mäster wichtig. Denn die Kälber verlieren nach und nach die über die Biestmilch erworbene Immunität und müssen ihre eigene aufbauen.
"Ich habe in der Vormast Futter mit vielen Mineralien und Vitaminen, damit die Kälber vital werden und gute Abwehrkräfte entwickeln."
In den ersten Tagen bekommen die Tiere nur je 2 l MAT morgens und abends, jeweils mit 130 g/l dosiert. „Ich beginne mit so einer geringen Milchmenge, weil ich nie weiß, was die Kälber vorher bekommen haben. Sonst gibt es Probleme“, erklärt der Landwirt. In den ersten vier Wochen steigert er die Milchmenge auf 4 l pro Mahlzeit, die Dosierung bleibt die ganze Vormastperiode über gleich.
Keine Antibiotikaprophylaxe
Die Kälber bekommen bei Hackmanns nach dem Einstallen entgegen vielen Medienberichten, kein Antibiotikum zur Prophylaxe. Allerdings sagt der Landwirt: „Oft erkranken Einzeltiere knapp eine Woche nach Ankunft. Dann verabreiche ich ihnen nach Absprache mit meinem Tierarzt Antibiotikum zur Metaphylaxe.“ Das Problem liegt in seinen Augen im Crowding, fast jedes Kalb kommt von einem anderen Herkunftsbetrieb. „Das macht uns fast unmöglich, die Kälber ganz ohne Behandlung durch die Mast zu bekommen.“
Wenn alle Kälber fit sind, impft der Tierarzt sie intranasal gegen Grippe. In der ersten Woche nach Ankunft verabreicht der Mäster ihnen außerdem ein Parasitenmittel zum Aufgießen.
Blutprobe zur Kontrolle
Bevor Hackmann seine Kälber nach vier Wochen aus dem Vor- in das Endmastabteil umstallt, zieht sein Tierarzt von jedem Tier eine Blutprobe. Der Mäster will den Hämoglobinwert (Hb-Wert) überprüfen. „Meist liegen die Hb-Werte in einer Spannbreite von 5,5 bis 7 mmol/l“, sagt der Mäster und lässt seinen Blick über die Tabelle mit den einzelnen Ohrmarkennummern und den Hb-Werten schweifen. „Die Tiere müssen fit und vital sein. Das ist der Grundstein. Mein Ziel ist, bei allen einen Hb-Wert von 6,8 mmol/l zu erreichen.“ Merkt der Mäster, dass viele Kälber nach vier Wochen noch unter dem Wert liegen, füttert er sie noch eine Woche mit dem gehaltvollen Vormastfutter weiter. Kälbern, die einen viel zu niedrigen Hb-Wert haben, verabreicht er eine Eiseninjektion.
„Wenn der Eisengehalt stimmt, ist es Zeit für das Umstallen“, so der Familienvater. Die Kälber kommen vom Vormastabteil in eins der vier Endmastabteile. In der Vormast haben die Landwirte die Tiere noch alle einzeln gefüttert, im Endmastabteil stehen die Tiere in Achtergruppen und die Milch läuft automatisch in die Längströge vor den Buchten. Auf der Rückseite der Boxen befinden sich ebenfalls Längstroge. Hier steht den Kälber immer Raufutter zur freien Verfügung.
Endmast in Gruppen
Bevor Hackmann die Kälber umstallt, sortiert er sie. „Dabei gehe ich nicht nach dem Gewicht, sondern danach, welche Kälber einen Nuckel brauchen und welche ohne trinken können. Die anderen Tiere stalle ich nach der Trinkgeschwindigkeit zusammen.“ Welches Kalb wie trinkt, hat er zuvor genaustens in den Einzelboxen beobachtet.
Manche Tiere lernen nie, ohne Nuckel zu trinken. Sie kommen in eine Gruppe und bekommen einen Schwimmnuckel in den Trog. „Es ist wichtig, dass nicht Kälber zusammenstehen, von denen eines dreimal so schnell trinkt wie ein anderes.“
Jedes Kalb hat etwas mehr als 1,8 m2 Platz. Die Buchten sind mit Gummiauflagen ausgelegt.
Steigerung der Milchmenge
Im Endmastabteil bekommen die Kälber eine andere Milchration als in der Vormast. Sie besteht jetzt aus 62 % Süßmolkekonzentrat aus einer regionalen Molkerei, aus 16 % pflanzlichen Fetten und aus etwa 20 % Eiweiß aus Weizen- und Sojaproteinkonzentrat. Im Alter von mehr als vier Wochen können Kälber pflanzliches Protein vertragen. Das Tränken funktioniert automatisch. Die Milch wird bei 60 °C für zwei Minuten angerührt. Dann kühlt sie auf etwa 40 °C ab und läuft in die Tröge.
„Ein Mastkalb nimmt vom Einstallen an umgerechnet etwa 2000 l Vollmilch auf.“
Vier Wochen nach dem Umstallen steigert Hackmann die Milchmenge bis zur 12. Woche auf etwa 5,5 l pro Mahlzeit. „Zu diesem Zeitpunkt nimmt jedes Tier etwa 2 kg Raufutter auf“, erklärt Hackmann. Das Raufutter verteilt der Senior, Josef Hackmann, morgens und abends mit einem kleinen Futtertaxi.
Der Mäster steigert die Milchmenge ein weiteres Mal bis zu 16 l MAT pro Tier und Tag in der Spitze. „Das halte ich für unkritisch“, sagt Hackmann. Auch Kälber bei Mutterkühen trinken bis zum achten Lebensmonat Milch. „Insgesamt nimmt ein Tier bei mir bis zum Schlachten etwa 300 kg MAT auf.“
Zum Zeitpunkt der höchsten Milchaufnahme fressen die Kälber etwa 3,5 kg Raufutter täglich. Über die Mastperiode macht das 300 bis 350 kg Raufutter pro Tier.
Tageszunahmen von 1300 g
Nach etwa 28 Wochen auf dem Betrieb kommen die Kälber zum Schlachter. Hackmann gehört zu den wenigen freien Mästern in der Branche. Er kann somit den Schlachtzeitpunkt und die Vermarktung seiner Tiere selbst bestimmen. Älter als acht Monate dürfen die Kälber aber nicht werden, denn sonst gelten sie nicht mehr als Kalb und werden viel schlechter bezahlt.
Nach 28 Wochen haben sie in der Regel ein Lebendgewicht von etwa 300 kg. „Meine Kälber erreichen Tageszunahmen von 1300 g“, ist der Mäster stolz. Die Ausschlachtung liegt bei um die 53 %. „Am Haken bringt ein Kalb also 150 bis 160 kg.“ Pro Durchgang hat Hackmann im Schnitt 2 % Verluste.
Mehr zu dem Thema