Sachlich betrachtet war 2020 ein Jahr der „stabilen“ Milchpreise. Bei den Grundpreisen der in NRW aktiven Molkereien gab es kaum Bewegung. Das dritte Jahr in Folge dümpelt das von uns im Wochenblatt-Milchpreisvergleich berechnete mittlere Milchgeld bei rund 33 Cent/kg vor sich hin. Dabei sollte der Begriff „stabil“ nicht mit auskömmlich verwechselt werden. Der Frust bei vielen Kuhhaltern ist spürbar. Zusätzliche Belastungen infolge der Düngeverordnung, neuer Vorschriften zur Gülle-, Mist- und Silagelagerung, dreier Dürrejahre mit Futterknappheit sowie steigende Kosten insgesamt nagen an der Substanz.
Unverändert und weiterhin gravierend ist die Erlösdifferenz zwischen den 14 Milchunternehmen in unserem Vergleich. Hier geht es um zum Teil mehr als 4 Cent/kg zwischen dem Spitzenreiter und dem Schlusslicht. Das ist keine Kleinigkeit und im Wettbewerb untereinander entscheidend.
Arla Foods hat die Nase vorn
Jahrelang stand der niederländische Molkereiriese FrieslandCampina (FC) unangefochten an Platz eins unserer Hitliste. Doch nun gibt es einen neuen Spitzenreiter: Wer auf Arla „gesetzt“ hat, gehörte 2020 zu den Gewinnern. Denn Arla Foods zahlte das höchste Milchgeld. Je nach Jahresanlieferungsmenge haben wir Erlöse für die skandinavische Genossenschaft zwischen 35,51 Cent/kg (300 000 kg) und 36,08 Cent/kg (2 Mio. kg) errechnet. Im Vergleich zum Vorjahr hat Arla somit einen ordentlichen Sprung hingelegt. Und das in einem durch Corona bedingten Krisenjahr. Laut Arla-Geschäftsführung sei es der Agilität der Genossenschaft zu verdanken, dass sie in der Lage war, quasi über Nacht große Milchmengen umzulenken. So sei es möglich gewesen, schnell der erhöhten Nachfrage nach Molkereiprodukten für Privathaushalte nachzukommen und gleichzeitig die negativen Auswirkungen aus Bereichen wie dem Gastronomiegeschäft zu minimieren. Vom guten Geschäft profitierten die Arla-Lieferanten: Über die kräftige Nachzahlung in Höhe von 2,08 Cent/kg werden sich Arla-Bauern gefreut haben.
Wie auch im Jahr zuvor befindet sich Hochwald auf dem zweiten Platz. Die Genossenschaft mit Sitz in Thalfang hat ihre Hausaufgaben gemacht und ihre „Strategie 2020“ offensichtlich gut umgesetzt. Außerdem ist Hochwald stark in der weißen Linie – ein Vorteil für die Molkerei im Corona-Jahr. In jeder Größenklasse unseres Vergleichs wurde ein mittleres Milchgeld von mehr als 35 Cent/kg ausbezahlt. Auch hier spielt die Nachzahlung eine besondere Rolle. Wie in jedem Jahr muss die Generalversammlung Ende Juni der Nachzahlung noch zustimmen. Der Vorschlag ist bereits in den Hochwald-Milchpreis eingerechnet.
Keine Nachzahlung bei FC
Auf das Thema Nachzahlung werden FC-Mitglieder derzeit nicht gut zu sprechen sein: Denn sie gehen 2020 leer aus. Wie der Molkereikonzern meldet, sei das Betriebsergebnis durch die direkten und indirekten Folgen der Pandemie hart getroffen worden. Dieses brach im Bilanzjahr 2020 um fast 40 % ein. Angesichts der nicht zufriedenstellenden Ergebnisse werden für das zurückliegende Milchjahr demnach keine Nachzahlungen geleistet und auch keine Mitgliederobligationen ausgegeben. Ein harter Schlag für die sonst schon fast „verwöhnten“ Lieferanten. Doch Achtung: Der von uns berechnete FC-Milchpreis ist sozusagen „gedrückt“. Grund hierfür ist der Drei-Tage-Abholrhythmus. Welche Konsequenzen das für die von uns ausgewiesenen Milchpreise hat, wird im Kasten „Die Krux mit dem Abholrhythmus“ erläutert.
In der aktuellen Rangierung teilt sich FC den dritten Platz mit der Moers Frischeprodukte GmbH. Weiterhin hält das Gemeinschaftsunternehmen von Dr. Oetker und Gropper mit den Großen im Molkereibusiness mit und macht somit schon seit Längerem mit ordentlichen Auszahlungspreisen auf sich aufmerksam. Mit hohen Grundpreisen, einer Nachzahlung sowie einem Qualitätszuschlag und keinen Grundkosten befindet sich das Unternehmen im oberen Bereich unserer Leistungsskala.
Durchschnittlich war im vergangenen Jahr die Leistung der Privatmolkerei Naarmann. In allen Größenklassen – außer beim 300 000-kg-Musterbetrieb – zahlte der H-Milch-Spezialist aus Neuenkirchen mehr als 33 Cent/kg Milch.
Was machten DMK und DOC?
Nicht ganz zufrieden werden die zahlreichen Mitglieder des größten deutschen Milchverarbeiters sein: Das Deutsche Milchkontor (DMK) landete im Vergleich nur im Mittelfeld, leicht unter dem Durchschnitt. Kleiner Trost: Der Abstand zum Mittelwert war 2020 deutlich geringer als noch im Jahr zuvor. Die ehemals Humana-Bauern müssen sich mit 0,22 bis 0,53 Cent/kg weniger begnügen als der Durchschnitt und mit bis zu 2,97 Cent/kg weniger als ihre Arla-Kollegen.
Im direkten Vergleich steht das DMK-Tochterunternehmen DOC Kaas etwas besser da. Nach etlichen Jahren unterdurchschnittlicher Auszahlungspreise – im vergangenen Jahr sogar als Schlusslicht – schaffte der niederländische Käsehersteller zumindest bei den Musterbetrieben mit hoher Kuhzahl überdurchschnittliche Leistungen. Bleibt zu hoffen, dass die positive Entwicklung auch zukünftig Tendenz beider Genossenschaften sein wird und die Zeiten verhaltener Auszahlungen zur Vergangenheit gehören.
Warum die Lieferanten der Unternehmen kein identisches Milchgeld erhalten, lässt sich folgendermaßen erklären: Seit der Fusion werden die Deutsche Milchkontor eG und die DOC-Kaas-Genossenschaft von der DMK-GmbH exakt gleich vergütet. Weil die Detailregelungen in beiden Kooperativen aber unterschiedlich sind, stellt sich für unsere Musterbetriebe keine identische Zahlung ein. Das Niveau allerdings ist ähnlich, beide Preise steigen oder sinken in der Regel gemeinsam.
Blick auf die Schlusslichter
Einen regelrechten Absturz erlebte auf den ersten Blick der Butterspezialist Wagenfeld. Hier erhielten die Abnehmer 2020 unterdurchschnittliche Auszahlungspreise. Zur Jahresmitte dann noch der Bescheid, dass die Molkerei in Wagenfeld zwar weiterhin besteht und auch Milch verarbeitet – allerdings wird die Rohmilch nicht mehr von eigenen Milcherzeugern erfasst, sondern zugekauft. Zum Jahreswechsel 2020/21 mussten sich alle Lieferanten um einen neuen Abnehmer bemühen. Ein kleines Trostpflaster gab es schließlich noch: Ende Mai dieses Jahres landete eine Nachzahlung von 1,79 Cent/kg für die gesamte Jahresanlieferung 2020 auf den Konten der ehemaligen Wagenfeld-Landwirte. Immerhin. Und so „rettete“ sich das Milchwerk noch kurz vor Redaktionsschluss vom letzten Platz der Leistungsskala. Zur besseren Einordnung: Seit 2012 gehört Wagenfeld der Handelsgesellschaft Schütten & Lemmerholz sowie der Almil AG (jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile). Die Almil AG wurde 2020 zu 100 % von Hochwald übernommen.
Das Schlusslicht war die auf Sahne spezialisierte Privatmolkerei Wiemo. Vor allem die Lieferanten mit geringer Jahresanlieferung, die nicht von der Mengenstaffel des Unternehmens profitierten, mussten mit einem unterdurchschnittlichen Auszahlungspreis von nicht einmal 31 Cent/kg „klarkommen“.
Der Rechenweg
Grundlage unserer Berechnungen sind folgende Parameter:
1. Die Grundpreise für Milch mit 4 % Fett und 3,4 % Eiweiß.
2. Die Korrekturwerte für höhere oder niedrigere Fett- sowie Eiweißgehalte.
3. Nachzahlungen, Warenrückvergütungen, Jahresabschlusszahlungen sowie besondere Boni. Zum Teil war bis zum Redaktionsschluss noch nicht bekannt, ob einzelne Milchwerke für 2020 noch eine (weitere) Nachzahlung planen oder nicht.
4. Weitere Zahlungen im Rahmen von besonderen Güteanforderungen (S-Milch) oder Nachhaltigkeitsprogrammen. Hier ist die Palette vielfältig. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, gehen wir davon aus, dass unsere „Musterbetriebe“ den höchstmöglichen Bonus erhalten. So zahlte FrieslandCampina für „Landliebe“-Milch mit Weidegang und Foqus-Planet-Zuschlag bis zu 2,16 Cent/kg. DMK-Mitglieder erhielten im Rahmen von „Milkmaster“ bis zu 0,5 Cent/kg, DOC-Lieferanten (Melkkompass) 1,25 Cent, Arla zahlt für „Arlagarden Plus“ 1 Cent und Hochwald für ihr Programm „MilchPlus“ ebenfalls 1,0 Cent/kg.
5. Zuschläge für gentechnikfreie Milch haben wird in diesem Jahr in unsere Berechnungen einbezogen. Bis auf Wagenfeld und Wiemo zahlen mittlerweile alle Molkereien in unserem Vergleich diesen Zuschlag.
6. Grundkostenbeiträge und Stoppgelder werden für jedes Unternehmen individuell berechnet. Eine detaillierte Beschreibung dieser sowie der Mengenzuschläge – sofern eine Molkerei diese zahlt – sind in der Übersicht „Jeder hat ein eigenes System“ auf Seite 23 aufgelistet. Staffelzuschläge wurden für die fünf Musterbetriebe berücksichtigt.
7. Alle Preis- und Kostendaten werden auf die fünf Beispielbetriebe mit unterschiedlichen Jahresmilchmengen übertragen. Anlieferungsprofil im Jahresverlauf sowie Fett- und Eiweißgehalte orientieren sich an den tatsächlichen Durchschnittswerten für NRW.
8. Zum Teil gibt es weitere, sehr individuelle Zuschläge, die wir nicht eingerechnet haben. Hierzu zählen beispielsweise ein Kühlkostenzuschlag von 0,2 Cent/kg für alle DMK-Milcherzeuger, die eine 24-Stunden-Abholung bei entsprechender Kühlung gewährleisten. Eine 3-Zoll-Auslassleitung bei Arla wird mit 0,15 Cent/kg honoriert.
9. Im weiteren Verlauf der Berechnung werden die für jeden Monat einzeln ermittelten Milchpreise mit der Anlieferungsmenge der jeweiligen Monate multipliziert und daraus ein Monatsmilchgeld errechnet, jeweils unter Berücksichtigung der zu zahlenden Kosten und der gezahlten (oder möglichen) Zuschläge. Die Summe der zwölf Monatsmilchgelder, geteilt durch die Jahresanlieferungsmenge des Betriebes, ergibt den Durchschnittsmilchpreis, der in den Übersichten ausgewiesen wird. Alle in diesem Zusammenhang genannten Werte verstehen sich netto, das heißt, die Mehrwertsteuer ist noch nicht enthalten.
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