Im Rahmen einer betrieblichen Eigenkontrolle soll mit Hilfe einer systematischen, regelmäßigen Erhebung tierbezogener Indikatoren die Tierwohlsituation auf dem Betrieb erfasst werden. Im Rahmen des Projektes „EiKoTiGer“ (Eigenkontrolle Tiergerechtheit) haben Thünen-Institut und KTBL einen Orientierungsrahmen für rinderhaltende Betriebe mit Ziel- und Alarmwerten für die in dem KTBL-Praxisleitfaden vorgeschlagenen Messgrößen erarbeitet.
Entstehung des Orientierungsrahmens
Um Tierhalter bei der Bewertung ihrer Tierwohlsituation zu unterstützen, wurde in einem mehrstufigen Prozess von 2017 bis 2020 ein Orientierungsrahmen für die Indikatoren aus dem Praxisleitfaden „Tierschutzindikatoren – Rind“ erarbeitet.
Am Abstimmungsprozess waren Vertreter aus Wissenschaft, Veterinärmedizin, Beratung, Verwaltung, landwirtschaftlicher Praxis sowie Interessen verbänden beteiligt. Zunächst wurden in einer zweistufigen Expertenbefragung 195 Rinderexperten angeschrieben, und je Indikator bis zu 60 Vorschläge für Ziel- und Alarmwerte zurückgemeldet. Daneben wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt und 506 Datensätze aus 89 Publikationen für den Prozess bearbeitet.
Auf Basis der Expertenbefragung und der Literaturrecherche wurden Vorschläge für Ziel- und Alarmwerte je Indikator in drei Fachgesprächen mit allen Akteursgruppen abgestimmt. Weiterhin wurden im Abstimmungsprozess die Ergebnisse aus den im Projekt durchgeführten Erhebungen in 44 Rinderbetrieben (24 Milchviehbetriebe, 20 Mastbetriebe, davon drei ökologisch wirtschaftende) berücksichtigt. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, um zu einem fachgerechten und gleichzeitig breit abgestimmten Ergebnis für die Tierwohlbewertung in der Rinderhaltung zu kommen.
Ziel- und Alarmwerte
Ziel ist die Unterstützung von Tierhaltern bei der Einordnung ihrer Ergebnisse aus einer betrieblichen Eigenkontrolle. Die für den Orientierungsrahmen erarbeiteten Ziel- und Alarmwerte können für die Bewertung der Tierschutzindikatoren aus dem „Leitfaden für die Praxis – Rind“ herangezogen werden.
Handlungsbedarf können Tierhalter ableiten, wenn sie die Ergebnisse ihrer betrieblichen Eigenkontrolle mit den Werten im Orientierungsrahmen (Übersicht 1) abgleichen. Es kann für jeden Tierschutzindikator eingeschätzt werden, ob sich die Situation im „grünen Bereich“ (Zielbereich) befindet oder ob mittel- bzw. kurzfristig Handlungsbedarf zur Verbesserung der betrieblichen Tierwohlsituation besteht, falls das eigene Ergebnis im Frühwarn- (gelben Bereich) bzw. Alarmbereich (roten Bereich) liegt.
Die Ziel- und Alarmwerte definieren die drei Bereiche (Übersicht 2) und wurden so festgelegt, dass frühzeitig Handlungsbedarf angezeigt wird und Managementmaßnahmen eingeleitet werden können. Der Zielwert orientiert sich an unter Praxisbedingungen realisierbaren Werten. Allerdings soll der Orientierungsrahmen nicht die Praxis abbilden, sondern enthält auch normative Elemente und soll als Orientierung dienen.
Auch wenn ein möglichst hohes Tierwohl angestrebt wird, sind Beeinträchtigungen des Wohlergehens bei einzelnen Tieren im Bestand nicht vermeidbar. Bei Überschreitung des Alarmwertes sollten Tierhalter kurzfristig mögliche Ursachen klären, am besten mit Unterstützung von Spezialberatern oder Tierärzten.
Gesamtsituation Betrieb
Sind die Gründe, die zum „Anschlagen des Alarms“ geführt haben, ermittelt, sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Tierwohlsituation umgesetzt werden. Sofern die Überschreitung des Alarmwertes auf behobene Probleme zurückzuführen ist, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
Die Tierschutzindikatoren sollten nicht einzeln betrachtet werden, sondern immer die Gesamtsituation im Betrieb. Um Entwicklungen im eigenen Betrieb und den Erfolg von eingeleiteten Maßnahmen zu beurteilen, sollte die Auswertung der eigenen Daten regelmäßig erfolgen. Die Indikatorenauswahl kann an die betriebsindividuelle Problemlage angepasst werden. Der Vergleich der eigenen Ergebnisse mit denen von anderen Betrieben hilft, Stärken und Schwächen zu erkennen und Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten.
- Die Förderung des Vorhabens „Eigenkontrolle Tiergerechtheit – EiKoTiGer“ erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
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