Serie: Premiumprodukt Kalbfleisch
Kälber mit Eisen versorgen
Häufig leiden Aufzuchtkälber an Blutarmut – auch viele Bullenkälber bei ihrer Ankunft auf dem Mastbetrieb. Was tun Tierärzte und Landwirte?
"Die Hälfte der Kälber kommt mit einem Eisenmangel auf dem Mastbetrieb an, klinischen Eisenmangel dürfen die Tiere aber in der Milchmast nicht haben“, erklärt Dr. Xaver Wapelhorst, Tierarzt bei der Praxis Lüllmann. Er ist Spezialist in Sachen Kälbermast und Fresseraufzucht. Der Veterinär betreut pro Woche etwa 10 000 Kälber. Oftmals beobachtet er, dass Tiere im Alter von zwei Wochen einen viel zu geringen Eisengehalt im Blut haben. „In der Regel ist das den Milchviehhaltern nicht bewusst, denn sie entnehmen den Tieren selbst keine Blutprobe.“
Augen, Herz, Schleimhäute untersuchen
Dr. Xaver Wapelhorst springt mit einem Satz über die Boxentrennwand in eine Kälbermastbucht bei Jürgen Wickentrup in Wadersloh, Kreis Warendorf. In seiner rechten Hand hält er einen Strick. Innerhalb weniger Sekunden hat er eines der schwarzbunten Kälber gefangen und aufgehalftert. Den Strick wickelt er ein paarmal um die Buchtentrennwand.
Einmal pro Woche ist der Tierarzt grundsätzlich auf jedem Kälbermastbetrieb, für den er zuständig ist. Vor allem die Versorgung und Prüfung des Gesundheitszustands direkt nach der Ankunft der Tiere sind ihm wichtig.
Der schlanke, blonde Mann hört das Kalb als Erstes ab: „Wenn ich das Herz in einem größeren Bereich im Brustraum hören kann und das Herz schneller schlägt, deutet das auf einen Eisenmangel hin.“ Als Nächstes wirft der Tierarzt einen prüfenden Blick in die Augen, dabei zieht er mit den Zeigefingern beide Lider hoch. „Treten die Adern besonders hervor, ist das kein gutes Zeichen.“
Dann öffnet der Rindertierarzt fachmännisch das Maul des Kalbes und überprüft die Schleimhäute. Tiere, die unter Eisenmangel leiden, haben fast weiße Schleimhäute. Er blickt lächelnd hoch und streicht dem Kalb mit einer Hand über den Rücken. „Das Tier ist topfit.“ Das weiß er auch ohne Blutprobe.
Bei einer Bestandsbetreuung muss Wapelhorst aber nicht jedes Tier einzeln untersuchen: „Normalerweise sehe ich mir alle Tiere an und nur die auffälligen untersuche ich einzeln.“
Kälber fast anämisch
Kommen neue Kälber auf dem Mastbetrieb von Landwirt Jürgen Wickentrup an, entnimmt ein Mitarbeiter der Praxis Lüllmann jedem einzelnen Kalb direkt nach dem Einstallen eine Blutprobe. Wickentrup arbeitet in einer Kooperation mit Denkavit. Dieses Unternehmen schreibt die Entnahme der Blutproben vor.
Das Blut kommt ins Labor und wird dort auf den Hämoglobinwert (Hb-Wert) untersucht. „Wir müssen schnell handeln, damit die Kälber vital und gesund in die Mast starten können“, erklärt Wapelhorst.
„Etwa 50 % der Kälber kommen aber mit einem Hb-Wert von weniger als 6 mmol/l Blut auf den Mastbetrieben an. Wir sehen teilweise Kälber mit einem Hb-Wert von gerade mal 2,5 mmol/l Blut dabei.“
Etwa 50 % der Kälber kommen aber mit einem Hb-Wert von weniger als 6 mmol/l Blut auf den Mastbetrieben an. Wir sehen teilweise Kälber mit einem Hb-Wert von gerade mal 2,5 mmol/l Blut dabei.“ Diese Kälber sind anämisch und brauchen dringend eine Eisenzufuhr. Der Eisenmangel gerade in den ersten Lebenswochen trifft aber nicht nur die Bullen-, sondern auch die Kuhkälber.
Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung schreibt vor, dass Kälber, die mehr als 70 kg wiegen, im Mittel einen Hämoglobinwert von mindestens 6 mmol/l im Blut erreichen müssen.
Drei Blutproben
Das Ergebnis der ersten Blutprobe ergibt auf dem Betrieb Wickentrup regelmäßig, dass ungefähr die Hälfte der eingestallten Kälber eine Injektion mit Eisen benötigt. „Die meisten bekommen etwa 4 ml“, sagt Wickentrup.
Etwa zehn Wochen nach dem Einstallen der Kälber kommt wieder ein Mitarbeiter der Praxis Lüllmann auf den Betrieb und entnimmt jedem Kalb Blut und überprüft die Hb-Werte ein zweites Mal. Wenn der Kälbermäster das Ergebnis hat, geht er mit seiner Liste durch den Stall und jedes Kalb mit einem zu niedrigen Hb-Wert bekommt eine weitere Dosis Eisen.
„Das Futter in der Mast hat nur einen relativ niedrigen Eisengehalt. Manche Kälber haben selbst genug im Blut. Mithilfe der Injektionen stellen wir sicher, dass alle Kälber gut versorgt sind“, informiert Kälberspezialist Wapelhorst.
Etwa 20 Wochen nach dem Einstallen beproben die Mitarbeiter etwa 30 % der Kälber ein drittes Mal.
Jeder mit eigenem Vorgehen
Die Entnahme von drei Blutproben sind aber nicht die Regel auf allen Kälbermastbetrieben. Jede Integration und vor allem jeder freie Mäster, hat ein eigenes, individuell abgestimmtes Schema für die Entnahme der Blutproben und die Zufuhr von Eisen. Einige Betriebe entnehmen Kälbern direkt nach dem Einstallen Blut. Andere verabreichen erst eine Eiseninjektion und entnehmen danach eine Blutprobe.
In der Rosémast werden die Kälber meistens nicht beprobt. Trotzdem werden die Tiere mit Eisen über das Futter versorgt.
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