Dieser Beitrag ist zuerst in der "Lebensmittelpraxis" erschienen.
Eine Almhütte, mitten auf einer Verkaufsfläche in Norddeutschland? Das ist nicht ungewöhnlich. Die Arge Heumilch bringt nicht nur die Almhütte, sondern auch weitere Verkostungsaktionen für qualitativ hochwertigen Käse in den deutschen Handel. Einschränkend muss man allerdings sagen: wenn nicht gerade die Corona-Pandemie Verkostungen im Handel unmöglich macht.
Die Arge Heumilch
Wer aber steckt eigentlich hinter der Arge Heumilch? Kein einzelner Hersteller, wie man vielleicht meinen könnte, sondern vielmehr eine Philosophie und eine Arbeitsgemeinschaft.
„Anfangs wurden wir belächelt“, erinnert sich Christiane Mösl, die heutige Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft (abgekürzt Arge). Sie kämpft schon seit 20 Jahren für den Erhalt der traditionellen Landbewirtschaftung im Alpenraum. „Wenn wir diese Förderweise nicht unterstützen“, weiß sie, „dann stirbt sie aus.“ Das wäre fatal: Eine schonende Bewirtschaftung der Grünlandflächen freut nicht nur die Kühe, die dort frei grasen dürfen – Stichwort Tierwohl –, sondern schützt auch die Artenvielfalt. Heute stoßen solche Umweltthemen gesellschaftlich auf hohe Akzeptanz.
Im Lauf der Jahreszeiten
Heuwirtschaft ist die ursprünglichste Form der Milcherzeugung. Bereits seit Jahrhunderten erfolgt die Fütterung angepasst an den Lauf der Jahreszeiten. Den Sommer verbringen Heumilchkühe auf Weiden und Almen, wo sie neben frischer Luft und klarem Wasser eine Vielzahl saftiger Gräser und Kräuter verzehren. Im Winter werden die Tiere mit Heu versorgt. Als Ergänzung erhalten sie mineralstoffreichen Getreideschrot. Gärfutter wie Silage ist verboten. Diese Fütterung wirkt sich positiv auf Umwelt, Tiergesundheit und Milchqualität aus.
Die besondere Wirtschaftsweise der Heumilchbauern wurde 2016 mit dem EU-Gütesiegel „g.t.S. – garantiert traditionelle Spezialität“ – für Kuhmilch und 2019 für Schaf- und Ziegenmilch ausgezeichnet. In Europa erfüllen weniger als drei Prozent der erzeugten Milch die Kriterien der Heumilch.
ARGE Heumilch ist die Nummer eins bei der Erzeugung und Vermarktung von Heumilch. Ihre Mitglieder sind ca. 8000 Bauern und rund 80 Verarbeiter aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Sie verpflichten sich, die EU-weiten Richtlinien von „Heumilch g.t.S.“ und das „Heumilch-Regulativ“ einzuhalten, das Umwelt- und Tierschutzrichtlinien festlegt.
Eine Idee nimmt Fahrt auf
Als Christiane Mösl und ihre Mitstreiter sie allerdings anfangs ins Spiel brachten, waren entsprechende Überlegungen in der Bevölkerung nicht präsent oder erst recht nicht angesagt.
Das änderte sich erst 2004, als sich die ersten Heumilchbauern und kleinen Molkereien in Österreich zur Arbeitsgemeinschaft Heumilch zusammenschlossen.
Fünf Jahre später startete die Gemeinschaft die erste Vermarktungskampagne, teilweise finanziert von den Mitgliedsbeiträgen.
„Richtig Fahrt aufgenommen hat unsere Mission 2011, als die Rewe als erstes Handelsunternehmen auf den Zug aufgesprungen ist“, erläutert die Geschäftsführerin. Die Rewe Group hat damals in Österreich die ersten Frischprodukte wie Milch, Joghurt und Sauerrahm unter Eigenmarke eingeführt, mit dem Zusatz „Heumilch“ auf dem Etikett.
2019 ist die Arbeitsgemeinschaft eine Kooperation mit Landwirten und Molkereien in Deutschland eingegangen. Mittlerweile vertritt sie europaweit rund 8.000 Milchlieferanten und 74 Unternehmen. In Deutschland zählen 14 Unternehmen dazu, in Bayern und Baden-Württemberg gelegen.
Betriebe ganzheitlich prägen
Ziel der Organisation ist es, die Milcherzeuger und -verarbeiter ganzheitlich zu prägen. Dazu gehört unter anderem die „silofreie Bewirtschaftung“ der Almen und Höfe. Die traditionelle Fütterung mit (nicht vergorenem) Heu im Winter bringt grundsätzlich große Vorteile für die Käseherstellung. In Deutschland lässt man allerdings zu, dass manche Bauern weiter Grünfutter in einem Silo vergären: Nur dann, wenn sie die Silage für die Aufzucht ihrer Fleisch- und Jungvieh-Kühe benötigen – und nicht für die Fütterung der Milchkühe.
Gleichzeitig legt die Arge Heumilch Wert darauf, dass alle Partner höhere Werte schaffen. Christiane Mösl ist stolz darauf, dass dieses Ziel erreicht wird: Heute bekommen Milchbauern, die Heumilch produzieren, im Schnitt fünf bis sieben Cent mehr pro Liter ausgezahlt, als es für Standardmilch gibt. Wenn die Heumilch in Bio-Qualität angeliefert wird, beträgt die Differenz sogar 12 bis 13 Cent.
Bald wieder Aktionen im Handel
Das Team um Christiane Mösl freut sich, wenn hoffentlich nächstes Jahr wieder viele Einsätze im deutschen Handel möglich sind. Dazu hat es unterschiedliche Ansätze parat: Kochen von alpinen Gerichten, Schulungen fürs Thekenpersonal oder professionelle Käseverkostungen. Dazu haben Käseexperten ein komplettes Buch erarbeitet, in dem beschrieben wird, welche Käse geschmacklich zu welchen Getränken passen. Die Inhalte sind auch in einem Fächer ablesbar (siehe Foto), der Bedienungstheken zur Verfügung gestellt wird. Außergewöhnlich ist zudem ein Kinderbuch, in dem der Nachwuchs die Vielfalt der Heumilch-Wiesen erkunden kann.
Wenn Christiane Mösl nicht gerade im Handel unterwegs ist, wirkt sie auf politischer Ebene. Die Arge Heumilch bringt ihre Interessen etwa in den GAP-Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik ein.
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