Herr Wiedenroth, der Deutsche Bauernverband (DBV) hat ein Positionspapier zur Rindermast erstellt. Was war der Aufhänger?
Rindermäster stehen einer Vielzahl an Herausforderungen gegenüber: Es gibt verschiedene Regelwerke in den einzelnen Bundesländern, im Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung wird über die zukünftige Rindermast diskutiert und auch das EU-Mercosur-Abkommen stellt den Rindfleischsektor vor neue Konflikte. Das trifft auf eine sehr angespannte Liquiditätssituation auf den Betrieben. Mit unserem Positionspapier wollen wir die öffentlichen Diskussionen um die Rindermast mitgestalten und unsere Schwerpunkte setzen.
Wen genau soll das Papier erreichen?
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Mit ihnen wollen wir das Papier diskutieren.
DBV-Positionspapier Rindermast
Die Ansprüche an Bullenmäster wachsen enorm. Besonders die öffentliche Diskussion über Platzvorgaben, Außenklimareize aber auch der internationale Wettbewerb und die verschiedenen Regelwerke in Form von Empfehlungen, Erlassen und Richtlinien, machen den Landwirten zu schaffen. Der Deutsche Bauernverband hat die heikle Situation der Bullenmäster erkannt und am 6. Mai ein Positionspapier zur Deutschen Rindermast veröffentlicht. Das Papier enthält zehn Forderungen an Politik, Wirtschaft und Wissenschaft:
- Langfristige, staatliche Förderprogramme einrichten,
- Haltungsvorgaben auf wissenschaftlicher Basis, gemeinsam mit der Praxis weiterentwickeln,
- Gremien zu zukünftigen Anforderungen an Rindermast mit Experten mit Praxisbezug besetzen. Ergebnis muss deren Beteiligung widerspiegeln,
- Verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für Rindfleischprodukte,
- EU-Mercosur-Abkommen ablehnen oder neu verhandeln,
- Privatwirtschaftliche Kennzeichnungsformen, wie ITW, einbinden,
- Bestandsschutz für bestehende Haltungssysteme,
- Forschungsvorhaben fördern, die aktuelle Haltungssysteme praktikabel weiterentwickeln,
- Gute fachliche Praxis als Basis von Landwirtschaft,
- Moderne Technik und Digitalisierung fördern.
Im Positionspapier lehnen Sie das EU-Mercosur-Abkommen entschieden ab und fordern für heimische Rindfleischerzeuger eine Chancengleichheit. Wie wollen Sie das erreichen?
Das Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form hätte gravierende Auswirkungen auf den deutschen Rindfleischsektor. Die Voraussetzung für ein internationales Handelsabkommen sind gleiche Umwelt- und Tierwohlstandards. Momentan sehen wir eine große Gefahr darin, dass eine Verabschiedung des Mercosur-Abkommens und die dann importierten Produkte unsere Standards unterlaufen würden. In diesem Moment sind unsere heimischen Rindermäster systematisch benachteiligt. Eine Chancengleichheit in Argentinien bekommen wir nie 100 %-ig hin. Voraussetzung für das Mercosur-Abkommen wären deshalb auch Vor-Ort-Audits.
Außerdem ganz wichtig: Eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung. Dann können Verbraucher zumindest bewusst entscheiden, welches Produkt sie kaufen.
Bisher haben wir eine Haltungs- und Herkunftskennzeichnung auf frischen Rindfleischprodukten. Soll sie dann auf alle Produke im LEH und der Verarbeitung?
Ja, alle Produkte sollen ausgelobt werden. Nur so können wir Transparenz erzeugen.
Setzen Gastronomen dann die Herkunft des Fleisches mit auf die Speisekarte?
Das müsste dann so sein. Der Konsument kann nur in dem Moment eine bewusste Entscheidung treffen, wenn die Herkunft des Fleisches auch ausgewiesen wird.
Kommen wir zu den verschiedenen Regelwerken in der Rindermast. Wir haben eine Vielzahl an Richtlinien, Erlässen und Labeln. Hinter welchen steht der DBV?
Eine gute Frage. Bei allen Überlegungen ist klar: Rindermäster brauchen praktikable Anforderungen, die Verlässlichkeit und Planungssicherheit gewährleisten und das Tierwohl im Blick behalten. Wichtig ist dabei das richtige Augenmaß. Momentan ist eine „Höher-Weiter-Mentalität“ zu beobachten.
Stichwort Platzvorgaben. Forderungen reichen von 3 m2/Bulle (Bauschrift NRW) bis 6 m2/Bulle (KTBL). Was ist nun richtig?
An den verschiedenen Forderungen der unterschiedlichen Papiere wird deutlich: Die Wissenschaft ist sich nicht einig in Sachen Platzvorgaben. Deshalb ist es wichtig, nicht mit Scheuklappen durch den Stall zu laufen, denn es kommt bei Tierwohl wesentlich auf das Management an.
Die Kriterien für ITW Rind stehen, die Finanzierung wird in den nächsten Tagen bekannt gegeben. Die Arbeitsgruppe Rind der Borchert-Kommission hat das erste Mal zu Rindfleisch getagt. Macht es nicht Sinn, zwischen den Gruppen Absprachen zu treffen?
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die wirtschaftsgetragenen Systeme in der Borchert-Kommission berücksichtigt werden sollten. Hier könnte man von den Erfahrungen profitieren, die bei ITW gemacht wurden. Immerhin: In beiden Arbeitsgruppen sitzen Bullenmäster drin. Wichtig für diese Runden ist, dass die Praxis nicht nur gut vertreten ist, sondern, dass sich die Expertise auch in den Endergebnissen wieder finden lässt. Die Forderung stellen wir auch an die AG Rind.
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