Die deutschen Rinderbestände befinden sich auf einem 30-Jahres-Tief. Herr Hortmann-Scholten, wie ist Ihre Prognose für die Rindfleischpreise 2021?
Rindfleisch ist das Koppelprodukt der Milcherzeugung. Im vergangenen Jahr ist die Kuhzahl in Deutschland auf weniger als 4 Mio. gesunken. Auch in der 27er-EU setzte sich der Herdenabbau fort.
Der Trend in der EU-Rindfleischproduktion ist rückläufig und der Selbstversorgungsgrad für Rindfleisch pendelt sich 2021 bei leicht über 100 % ein. Der deutsche Selbstversorgungsgrad liegt klar unter 100 %. Gleichzeitig erwarte ich nach der Corona-Krise eine deutliche Belebung der Rindfleischnachfrage. Deshalb ist Optimismus für einen positiven Preisverlauf 2021 mehr als berechtigt.
Das Rindfleischangebot auf dem deutschen Markt scheint knapp. Kommt weniger Fleisch aus dem Ausland?
Der deutsche Handel verlangt primär heimische Ware. Falls Hotels und Gaststätten nach Ostern wieder öffnen, werden voraussichtlich wieder mehr Edelfleischteile nachgefragt. Dann nehmen auch die Rindfleischimporte zu. Im vergangenen Jahr haben Argentinien, Brasilien und Uruguay ihre Ausfuhren nach Deutschland um 13 bis 25 % reduzieren müssen.
Insgesamt verringerten sich die Einfuhren an ausländischem Rindfleisch aus Drittländern und EU-Staaten von 418.000 t 2019 auf 380.000 t im vergangenen Jahr. Der Trend dürfte sich 2021 abgeschwächt fortsetzen. Die Nachfrage am Weltmarkt steigt momentan ebenfalls, daher sehe ich den europäischen Rindfleischmarkt nur knapp versorgt.
Wie wirkt sich der Brexit auf den Rindfleischmarkt aus?
Im Agrarhandel mit dem Vereinigten Königreich werden keine Zölle und Quoten angewendet. Die Exporte sind aber mit hohem Aufwand verbunden. Zudem kommt es bei der Grenzabfertigung vom Warentransport zu Unsicherheiten und logistischem Zeitaufwand.
Interessanterweise ist nach dem Brexit das Preisniveau für Rindfleisch im Vereinigten Königreich deutlich über das europäische Niveau gestiegen. Jungbullen notieren dort momentan zwischen 4,20 und 4,40 €/kg Schlachtgewicht. Irland kann also nach wie vor das Vereinigte Königreich mit seinen Überschüssen bedienen.
Für eine gewisse Marktentlastung des EU-Binnenmarktes sorgt auch die sinkende Fleischausfuhr Großbritanniens, die laut Prognosen im laufenden Jahr um weitere 5,1 % auf 500 000 t sinken werden.
Sehen Sie für das Mercosur-Abkommen eine Zukunft?
Für die europäische Landwirtschaft ist das Handelsabkommen in der vorgelegten Form inakzeptabel. Allerdings hat Portugal zu Jahresbeginn die Ratspräsidentschaft in der EU übernommen und möchte das Handelsabkommen zwischen Europa und den Südamerikanern auf neue Füße stellen. Die Interessenlage ist damit derzeit nicht klar einschätzbar. Fest steht, dass das Abkommen im klaren Widerspruch zu den ehrgeizigen Zielen der EU im Rahmen der „Farm-to-Fork-Strategie“ und der Aussagen des sogenannten „Green Deals“ steht.
Besonders anfällige Sektoren wären der Zucker- und der Rindfleischmarkt. Allerdings haben sich Länder wie Frankreich und Österreich klar gegen eine Umsetzung des Mercosur-Handelsabkommens gestellt. Der Ratifizierungsprozess kann erst starten, wenn alle 27 EU-Mitgliedstaaten dem Mercosur-Abkommen zugestimmt haben. Danach sieht es momentan nicht aus.
Einen Blick in die Zukunft: Müssen sich Rindermäster Sorgen um die Konkurrenz durch In-vitro-Fleisch machen?
Langfristig ja. Im Gegensatz zu den bereits am Markt verfügbaren Fleischersatzprodukten, die auf pflanzlicher Basis hergestellt werden, soll In-vitro-Fleisch geschmacklich einem echten Rindersteak in nichts nachstehen. Entscheidend wird sein, zu welchen Produktionskosten In-vitro-Fleisch angeboten werden kann.
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