Milchviehhaltung

Greenpeace spricht von „Qualzucht“ und fordert Haltungsverordnung für Milchkühe

Die Organisation ist der Meinung, dass die Milchviehhaltung zum Teil nicht tierwohlgerecht abläuft. Dieser Argumentation will top agrar-Rinderexpertin Anke Reimink aber nicht folgen.

Nach Auffassung von Greenpeace werden Kühe in Deutschland oft unter Bedingungen gehalten, die mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar sind. Die Umweltorganisation stützt sich dabei auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. Diese bemängelt letztlich, dass bislang Mindestanforderungen fehlen, die die Haltung von Milchkühen gesetzlich regeln.

„Deutschland braucht dringend eine klare Rechtsvorschrift, wie die Millionen Milchkühe hier gehalten werden dürfen”, fordert deshalb Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. Er ruft Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, hierzu einen Vorschlag für nationale Mindestvorgaben vorlegen. Milchkühe ganzjährig anzubinden und die Hornanlagen bei Kälbern ohne Schmerz- und Betäubungsmittel auszubrennen, müssten umgehend verboten werden.

Bruhn: Qualzucht bei Hochleistungskühen

Auch die Rinderzucht ist Greenpeace und ihren Rechtsgutachtern ein Dorn im Auge: Die einseitige Zucht auf maximale Milchleistung belaste die Gesundheit vieler Kühe und führe häufig zu Stoffwechselstörungen, Unfruchtbarkeit, Euterentzündungen und Klauenkrankheiten, monieren sie. Dies betreffe besonders die in Deutschland weit verbreitete, auf hohe Milchleistung spezialisierte Rinderrasse Holstein Friesian.

„Die angezüchtete hohe Milchleistung bringt derartige starke und häufige Beeinträchtigungen der Gesundheit mit sich, dass dies bei Hochleistungskühen qualzüchterische Ausmaße annimmt”, so Rechtsanwältin Davina Bruhn. Nach ihrer Auffassung bedarf es daher dringend konkreter Regelungen, wann bei Milchkühen von Qualzucht im Sinne des Tierschutzgesetzes auszugehen ist. Schließlich sei der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber verpflichtet, dem Staatsziel Tierschutz aus Art 20a GG Rechnung zu tragen.

Laut Greenpeace kommt nur noch knapp ein Drittel der bundesweit gehaltenen rund 3,8 Millionen Milchkühe im Sommer auf die Weide. Zudem behaupten die Umweltschützer, dass in den Stallanlagen aus Kostengründen häufig zu geringe Liege- und Fressbereiche und der Bewegungsspielraum eingeschränkt sind, so dass die Tiere sich nicht artgerecht verhalten können.

Kommentar - Bekannte Forderungen, fehlende Lösungen
Die Forderungen nach einer Haltungsverordnung Milchvieh sind nicht neu. Schon lange steht fest, dass es für die Haltung von Milchkühen keine gesetzlichen Regelungen gibt. Laut Koalitionsvertrag will das BMEL daher, „bestehende Lücken in der Nutztierhaltungsverordnung schließen“ und „die Anbindehaltung bis 2030 beenden“. Für Milchkuhhalter bleibt die große Frage: Wie sehen die Anforderungen an die Haltung künftig aus? Vorschläge gibt es beispielsweise von der Borchert Kommission oder auch dem Gesamtbetrieblichen Haltungskonzept Milchvieh. Doch das BMEL scheint noch einmal neu anzusetzen. Wann konkrete Eckpunkte feststehen, bleibt ungewiss. Auch die Kritik an der „Leistungszucht“ ist nicht neu. Es stimmt, dass die durchschnittliche Milchleistung der Kühe steigt und in der Zucht eine wesentliche Rolle spielt – aber nicht nur. Auch Nutzungsdauer, Fruchtbarkeit oder Gesundheit sind wirtschaftliche Faktoren, weshalb diese Merkmale bei der Zucht eine immer größere Rolle spielen. Nicht zuletzt entscheidet die Haltung und das Management darüber, ob eine Kuh gesund ist – egal ob die Milchleistung bei 6.000 oder 12.000 kg Milch pro Jahr liegt.
Anke Reimink, top agrar-Redakteurin im Ressort Rinderhaltung

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.topagrar.com

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