Ein Umbau der heimischen Tierhaltung, wie ihn die Borchert-Kommission vorschlägt, wird teuer. Klar ist, dass die Landwirte bei ihren Bemühungen um mehr Tierwohl unterstützt werden müssen. Woher das Geld dafür kommen soll, hat die Politik um Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner noch nicht entschieden. Sie hat bei der Bonner Anwaltskanzlei Redeker – Sellner – Dahs vielmehr zunächst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. In dem 275 Seiten umfassenden Gutachten haben die Juristen unter anderem verschiedene Finanzierungsoptionen zur Förderung des Tierwohl-Umbaus beleuchtet und rechtlich bewertet.
Welches Finanzmodell?
Die Fachleute der Kanzlei konzentrieren sich bei ihren Bewertungen auf die drei Varianten:
- höhere Mehrwertsteuer (Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte von 7 auf 19 %)
- Verbrauchsteuer (Einführung einer zusätzlich zum eingekauften Produkt erhobenen „Tierwohlabgabe“) und
- „Tierwohl-Soli“ (Einführung einer am „Solidaritätszuschlag“ orientierten Ergänzungsabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer).
Weitere Optionen zur Finanzierung des Tierwohlumbaus wie die Umwandlung von EU-Direktzahlungen, die Entnahme der Gelder aus dem allgemeinen Staatshaushalt oder eine Umlage analog zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden in der Studie ebenfalls diskutiert. Ihnen werden aber aus unterschiedlichen Gründen keine großen Chancen eingeräumt. Bei der Mehrwertsteuer gibt es darüber hinaus die Variante, diese nicht nur für tierische Erzeugnisse zu erhöhen, sondern den Steuersatz für alle Lebensmittel beispielsweise um 2 % anzuheben.
Zweckbindung möglich?
Den drei in unserer Übersicht aufgeführten Hauptvarianten stehen aktuell keine verfassungs- oder EU-rechtlichen Hindernisse entgegen, so die Bewertung der Gutachter. Ein wichtiger Aspekt ist allerdings die Zweckbindung: So ist eine gezielte Verwendung der erhobenen Gelder als Kostenausgleich für Investitionen und Tierwohl-Mehraufwand aus Sicht der Tierhalter nur folgerichtig. Und auch gegenüber den Verbrauchern wäre das ein gutes Argument für die finanzielle Mehrbelastung der Konsumenten.
Die Zweckbindung kollidiert aber dem Vernehmen nach mit EU-Förderrichtlinien: Die Mittelerhebung müsse nach den Ausführungen der Gutachter so erfolgen, dass keine Konflikte mit dem europäischen Recht entstünden, wie man es bei der Mautfinanzierung erlebt habe. „Wenn Einnahmen aus einer Steuer, die gleichzeitig auf inländische Lebensmittel und solchen aus anderen EU-Staaten erhoben wird, durch eine Zweckbindung allein inländischen Erzeugern vorbehalten bleibt, verstößt dies gegen das Verbot diskriminierender bzw. zollgleicher Abgaben“, heißt es dazu in der Studie. Damit sind die Varianten „Mehrwertsteuererhöhung“ und „Verbrauchsteuer“, zwar beide uneingeschränkt zulässig. Es braucht aber gute, rechtssichere Mechanismen, damit die Gelder auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
Alternativ „Tierwohl-Soli“
Die Variante III, also der „Tierwohl-Soli“, wird zusätzlich zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben. Er ist nicht an den Verbrauch gekoppelt und stellt laut Machbarkeitsstudie keine unionsrechtswidrige Belastung tierischer Produkte aus anderen EU-Staaten dar. Eine Zweckbindung wäre daher zulässig.
Ein Vorteil des Tierwohl-Soli ist sicherlich seine soziale Kompetente. Schließlich werden höhere Einkommen stärker belastet. Ob das den Vegetariern und Veganern hierzulande jedoch „schmeckt“, dass sie zur Unterstützung der Nutztierhaltung zur Kasse gebeten werden, sei mal dahingestellt.
Mit Blick auf den Verwaltungsaufwand wären die Kosten beim „Soli“ laut Studie überschaubar. Es gibt schließlich bestehende Einzugsverfahren, die genutzt werden könnten. Auch die Mehrwertsteuer-Lösung kann auf ein etabliertes System zurückgreifen. Hier könnte der Verteilungsschlüssel des Steueraufkommens an Bund, Länder und Kommunen jedoch die Mittelverwendung verkomplizieren und Begehrlichkeiten wecken. Die von der Borchert-Kommission favorisierte Verbrauchsteuer wäre dagegen zumindest bei der Einführung mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden.
Sattelfeste Zahlungen?
Bislang ist noch nicht entschieden, nach welchem Modell die benötigten Mittel „eingesammelt“ werden. Und auch die Verteilung an die teilnehmenden Landwirte muss noch geklärt werden. Die Gutachter sehen zwei Möglichkeiten:
Rechtlich verbindlich gestalten lassen sich die Investitionsförderung und der Ausgleich der laufenden Mehrkosten zum einen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Die aktuell möglichen GAK-Förderlaufzeiten reichen aber bei Weitem nicht aus. Eine Anpassung im Rahmen der laufenden Verhandlungen zur Reform der EU-Agrarpolitik wäre möglich. Dafür müsste die Bundesregierung hier aktiv werden.
Zweite Möglichkeit wäre ein spezielles Bundestierwohl-Förderungsgesetz. Die vertraglich abgesicherte Förderung der Tierwohlprämien ist unterdessen auch für Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert der entscheidende Punkt. Gegenüber dem Pressedienst Agra-Europe erklärte Borchert kürzlich, dass es nicht auf die Zweckbindung der Mittel ankomme. Diese lasse sich jeder Zeit vom Parlament mit Mehrheitsbeschluss ändern. Sicherheit schafften vielmehr die Verträge zwischen Landwirt und Staat. „Allerdings müssen wir noch die Verlängerung der EU-zulässigen Förderperiode hinbekommen“, so der ehemalige Bundesminister: „Das sollte aber zu schaffen sein.“ Was das Finanzierungsmodell angeht, so hält die Borchert-Kommission nach einer ersten Beratung zur Machbarkeitsstudie zunächst weiterhin an der von ihr favorisierten Verbrauchsteuer fest.