Ein Kalb ist geboren. Mit diesem Ereignis geht der jährliche „Trockensteher-Urlaub“ der Kuh zu Ende und die neue Laktation beginnt. So sehr diese Übergangszeit auf jedem Betrieb zur Routine gehört, ist es dennoch jedes Mal wieder eine Herausforderung, die Kühe gesund und leistungsfähig durch die ersten Wochen der Laktation zu begleiten.
Trockenstellen mit Köpfchen
Die Laktation selbst beginnt zwar erst mit der Geburt des Kalbes, das Management der Frischmelker sollte jedoch lange davor beginnen, nämlich mit dem Trockenstellen. Die Trockenstehzeit ist zur Erholung der Kühe und des Euters gedacht, zum Auskurieren eventuell vorhandener Mastitiden und zum Kräftesammeln für die kommende Laktation. Das funktioniert aber nur, wenn den Trockenstehern entsprechende Beachtung geschenkt wird. Oberstes Gebot ist es, die Trockenmasse-Aufnahme (TM-Aufnahme) bis zur Geburt und darüber hinaus so hoch wie möglich zu halten. Studien haben gezeigt: Kühe, die vor der Geburt eine hohe TM-Aufnahme haben, fressen auch nach der Kalbung mehr. Damit Kühe viel fressen, gibt es einiges zu beachten:
- Das Futter muss schmackhaft und homogen gemischt sein,
- die Kühe müssen gesunde Klauen haben,
- das Wasserangebot muss ausreichend sein und
- das Tier-Fressplatz-Verhältnis sollte großzügig gewählt werden.
- Außerdem sollte Stress jeglicher Art vermieden werden.
Hohe TM-Aufnahme
Stimmt die Trockensteher-Ration, ist dies der wichtigste Faktor zur Milchfieberprophylaxe. Hierfür bietet sich zum Beispiel das DCAB-Konzept an, um die Mobilisierung von Kalzium zu unterstützen. Vor allem subklinische Hypokalzämien sind nach wie vor ein Problem auf vielen Betrieben und öffnen Folgeerkrankungen wie Euter- oder Gebärmutterentzündungen die Tür.
Wie bereits erwähnt, beeinflusst die TM-Aufnahme vor der Kalbung die Futteraufnahme post partum. Alle Milchkühe geraten nach der Kalbung in eine negative Energiebilanz. Dies ist ein physiologischer Vorgang, da die Milchleistung in der Regel nach vier bis sieben Wochen ihren Höhepunkt erreicht, die Futteraufnahme jedoch erst nach acht bis elf Wochen.
Um dieses Energiedefizit auszugleichen, greift der Stoffwechsel der Kuh auf körpereigene Reserven zurück, allen voran Fett. Auch das ist bis zu einem gewissen Grad physiologisch. Wird jedoch in kurzer Zeit sehr viel Fett mobilisiert, kann dies die Leber überlasten und zu einer Ketose führen. Genau wie Milchfieber, kann auch eine Ketose eine Reihe von Folgeerkrankungen begünstigen, wie beispielsweise Labmagenverlagerungen und Infektionskrankheiten.
Als weitere mögliche Stoffwechselkomplikation nach der Kalbung ist die (meist subklinische) Azidose zu nennen. Oft ist eine Ration mit viel leicht verdaulicher Stärke die Ursache. Andere Ursachen, wie eine mangelnde Pufferkapazität des Pansens oder eine extrem unregelmäßige Futteraufnahme, sind aber ebenfalls abzuklären.
Hygiene groß schreiben
Die häufigsten Infektionskrankheiten nach der Kalbung sind Euter- und Gebärmutterentzündungen. Diese können als Folge von Stoffwechselbelastungen (Milchfieber oder Ketose) oder unabhängig davon als Primärerkrankung auftreten. Hierbei spielen meist mehrere Faktoren eine Rolle. Allen voran steht die Hygiene der Abkalbebox.
Wird diese nicht in angemessenen Zeitabständen gemistet und/oder sauber nachgestreut, können rund um den Geburtszeitraum Umweltkeime über den Strichkanal ins Euter bzw. über die Geburtswege in die Gebärmutter gelangen. In diesem Zusammenhang ist auch die Hygiene von Umgebung, Hilfsmitteln (Stricke, Ketten, Geburtshelfer usw.) und Personen von größter Wichtigkeit.
Insgesamt sind Kühe im geburtsnahen Zeitraum anfälliger für Infektionskrankheiten, da durch die hormonellen Umstellungen, die Vorgänge in der Gebärmutter bei und nach der Geburt und durch das Energiedefizit in den ersten Wochen nach der Kalbung das Immunsystem stark belastet ist. So können sich Krankheitserreger leichter ausbreiten und klinische Erkrankungen hervorrufen.
Frischmelker kontrollieren
Da Vorbeugen immer besser ist als Heilen, ist eine frühzeitige Erkennung von aufkeimenden Problemen ratsam. Auf diese Weise kann sofort gegengesteuert werden, wenn sich zum Beispiel eine Ketose oder eine Euterentzündung ankündigt. Je früher geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden, desto harmloser ist in der Regel die Ausprägung der Erkrankung und ihre Folgen.
Es gilt, Probleme direkt im Keim zu ersticken. Zu diesem Zweck haben sich in der Praxis Frischmelkerkontrollen während der ersten 14 bis 21 Tage nach der Kalbung bewährt. Mögliche Kontrollen sind zum Beispiel:
- Allgemeines Erscheinungsbild, Kopf, Körperhaltung;
- Beine, Klauen;
- Temperatur,
- Schalmtest/Euterkontrolle,
- Ketonwert,
- Kotkonsistenz,
- Pansenfüllung,
- Abhören Pansen/Kontrolle Labmagenverlagerung,
- pH-Wert Urin,
- vaginale Untersuchung, Ausfluss.
Diese Kontrollen ermöglichen eine gezielte und systematische Kontrolle auf mögliche beginnende Erkrankungen. Hört sich einfach an, ein wenig Gedanken sollte man sich im Vorfeld allerdings machen, damit die Kontrollen positive Effekte bringen. Folgende Fragen sollten vor Beginn der Kontrollen geklärt werden:
- Wer ist zuständig?
- Wie lange und wie oft werden die Frischmelker kontrolliert?
- Welche Kontrollen sollen wann durchgeführt werden?
- Wie werden auffällige Tiere markiert?
- Welche Maßnahmen werden wann ergriffen?
- Haben die Personen, die die Kontrollen durchführen, alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten (auch für die folgenden Maßnahmen)?
- Benötige ich Arbeitsanweisungen?
- Ist notwendiges Equipment vorhanden und funktionstüchtig?
- Wie wird dokumentiert?
Das sind zumindest einmal die wichtigsten Fragen. Vor allem die Frage, welche Kontrollen durchgeführt werden sollen, ist von Bedeutung für den Erfolg.
Status quo ermitteln
Denn einfach „ins Blaue“ hinein zu kontrollieren, einfach um der Kontrolle Willen, macht wenig Sinn. Was nützt mir die tägliche Temperaturkontrolle, wenn eigentlich Ketosen das Problem sind? Und warum sollte ein Ketonwert gemessen werden, wenn die Kühe in der Anfangszeit vermehrt Mastitiden entwickeln?
Also sollte zunächst einmal der Status quo ermittelt und analysiert werden, damit die Kontrollen auch auf das vorhandene Problem abzielen. Und dann ist immer die Frage: Wie dicht komme ich an die Wurzel des Problems? Bei Ketosen macht es ja auf den ersten Blick Sinn, regelmäßig den Ketonwert im Blut zu kontrollieren und bei einer beginnenden Erhöhung mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren.
Aber man kann sich auch fragen, ob die Ketose wirklich das eigentliche Problem oder die Folge von etwas anderem ist. Zum Beispiel könnten (subklinische) Euter- oder Gebärmutterentzündungen zu einer verminderten Futteraufnahme und damit zu einer Ketose führen. Klauenerkrankungen sind ebenfalls häufig die zugrunde liegende Ursache für andere Erkrankungen.
Je weiter nach unten man mit der Ursachenforschung und den Kontrollen kommt, desto mehr Probleme können im Folgenden verhindert werden. Es lohnt sich also, die Frischmelkerkontrollen als einen Prozess zu sehen, der sich je nach betrieblichen Gegebenheiten verändern darf und soll. Die Erfolge der Kontrollen bzw. die Ursachen für Erkrankungen sollten in regelmäßigen Abständen hinterfragt und bei Bedarf angepasst werden.
Schreiben, schreiben, …
Noch ein Wort zur Dokumentation: Es muss ohnehin schon viel dokumentiert werden. Aber ein Mindestmaß an Schreibarbeit ist tatsächlich sinnvoll. Denn die Kontrollen kosten mindestens Arbeitszeit, bei notwendigen Behandlungen kommen Medikamenten- und eventuell Tierarztkosten sowie Leistungsminderung hinzu. Daher sollte von Zeit zu Zeit überprüft werden, ob die Kontrollen die gewünschten Ergebnisse bringen. Das ist jedoch nur möglich, wenn Vorher-Nachher-Ergebnisse zum Beispiel in Form von Krankheits- oder Behandlungshäufigkeiten vorliegen. Auf diese Weise lässt sich auch nachhalten, welche der ergriffenen Maßnahmen die besten Effekte erzielen.
Zudem ist es gut, sich im Vorfeld der Kontrollen Gedanken zu machen, wie bei Auffälligkeiten gehandelt wird. Hierzu sollten sich zunächst sinnvolle Grenzwerte für die eigenen Kontrollen gesetzt werden. Wird bei einer Kontrolle der Grenzwert überschritten, können sofort passende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Das können Infusionen, Gaben von Entzündungshemmern und/oder Antibiotika sein oder auch eine Nachkontrolle nach einer festgesetzten Zeit oder der Anruf beim Tierarzt.
Vor allem wenn es um die antibiotische Behandlung von Kühen geht, sollten die Maßnahmen und Grenzwerte mit dem Tierarzt besprochen werden. Dieser kann bei der Auswahl sinnvoller Kontrollen auf dem Betrieb helfen, da er die Gegebenheiten und gesundheitlichen Herausforderungen der Kühe kennt. Der Hoftierarzt ist der richtige Ansprechpartner, um sich die korrekte Durchführung von Kontrollen und Behandlungen zeigen zu lassen.
Zuletzt sei noch erwähnt, dass Energiehaushalt, Säure-Base-Haushalt und je nach persönlichem Interesse bzw. Problemstellung weitere Parameter durch regelmäßige Blutproben, nicht nur der Frischmelker, Aufschluss über die Herdensituation geben können.
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