Maike Kreikenberg beschriftet eine Reihe von Kotproben. Die Exkremente hat sie aus einem Sauenstall entnommen. Nun gehen die Proben weiter ans Labor, um sie auf ihr Mikrobiom, die Gesamtheit der Mikroorganismen, untersuchen zu lassen. Denn die 25-Jährige forscht gerade für ihre Doktorarbeit der Tiermedizin. In ihr geht es um einen Zusatz fürs Sauenfutter, der zu vitaleren Saugferkeln führen soll. Seit einem Jahr promoviert die Tierärztin an der Uni Hannover – für sie eine weitere Herausforderung nach einem lernintensiven Studium.
Drei Tage die Woche arbeitet Maike für die Tierärztliche Praxis Schöppingen im Kreis Borken und betreut Schweinehalter im Münsterland und im benachbarten Niedersachsen. Selbst stammt sie von einem Schweinemastbetrieb in der Coesfelder Bauerschaft Gaupel.
Ekel kein Problem
Kot, Blut und Eiter von Tieren gehören für Maike seit Beginn ihres Studiums dazu. Schon im ersten Semester präparierte sie tote Hunde und Pferdefüße. „Daran gewöhnt man sich“, sagt sie und erinnert sich an den stechenden Geruch von Formalin im Präpariersaal der Uni Gießen, an der sie 2015 mit dem Studium der Tiermedizin begann.
Maike wollte schon früh Tierärztin werden. Die mittlere von drei Töchtern begleitete Vater und Tierarzt schon als Kind in den Schweinestall. Direkt nach dem Abi konnte Maike sich noch nicht einschreiben. Sie hat zwar ein gutes Abitur, aber kein so gutes, um den Numerus Clausus (NC) fürs Studium zu knacken. Nur an fünf Hochschulen in Deutschland ist das Studium möglich. Etwa 1100 Studienplätze gibt es insgesamt pro Jahr, aber deutlich mehr Bewerber und vor allem Bewerberinnen. In dem einstigen reinen Männerberuf liegt das Geschlechterverhältnis bei den Studierenden bei 85 % weiblich zu 15 % männlich.
Maike begann zunächst eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten, die sie aber nach einem Jahr vorzeitig beendete. Denn über das interne Auswahlverfahren der Hochschule bekam die Coesfelderin einen Studienplatz.
Und das Studium hat es in sich: Im ersten Drittel, der sogenannten Vorklinik, geht es überwiegend um die Naturwissenschaften. Chemie, Physik und Botanik werden geprüft. Das zweite Drittel, die klinische Phase, dreht sich dann verstärkt um die Heilkunde von Hund, Katze, Pferd, Rind und Schwein, aber auch um Themen wie Tierzucht, Tierseuchenbekämpfung, Parasitologie, Virologie und Lebensmittelkunde.
Das Lernpensum war hoch. Semesterferien gab es nur auf dem Papier, weil irgendeine Prüfung immer anstand. „Durchhaltevermögen und Fleiß waren unerlässlich für das Studium“, berichtet die passionierte Handballspielerin, die für Coesfeld in der Verbandsliga spielt. So pendelte Maike an den Wochenenden meist zurück nach Hause. Mittlerweile lebt sie in der Nähe des elterlichen Hofes mit ihrem Freund zusammen.
Seit März 2021 hat die Coesfelderin die Approbation in der Tasche und darf sowohl Klein- als auch Großtiere behandeln. Für sie war aber eigentlich schon immer klar, dass sie Schweine kurieren möchte. Damit ist sie mittlerweile eine Exotin. „Viele wollen zu Beginn des Studiums Kleintiere und Pferde behandeln. Wenn Nutztier, dann eher noch Rind. Bei Schwein zeigt keiner mehr auf“, erinnert sie sich an eine Abfrage im Studium.
Was aus ihrer Sicht im Studium etwas zu kurz kam, war der Kontakt zum lebenden Tier. Meist kommt er erst im neunten und zehnten Semester, dem Praxisjahr. Was ganz fehlt, sind Veranstaltungen zum Umgang mit den Patientenbesitzern, wie Frauchen und Herrchen bei den Tierärzten heißen.
Ursachenforschung im Stall
Im Job hat Maike ständig Kontakt mit den Patientenbesitzern – in ihrem Fall den Landwirten. Sie steht gerade im Maststall. Der Landwirt hält ein Schwein kopfüber. Die Tierärztin entnimmt Blut, um es später zur Kontrolle zum Labor zu schicken. Zu ihren Aufgaben zählt es, auf manchen Betrieben Ferkel vor der Kastration zu betäuben. Wenn es mit dem Landwirt vereinbart ist, übernimmt sie auch das Impfen der Tiere. Bei Bedarf setzt sie Medikamente ein, deren Einsatz aber deutlich rückläufig ist.
„Im Studium hieß es: ,Folgender Erreger löst die und die Erkrankung aus.‘ Jetzt ist es so: Das Schwein zeigt Symptome. Woran könnte es liegen?“, erklärt sie. Maike schaut sich die Abteile, die Lüftung und das Futter an. Das macht ein gutes Bestandsmanagement aus. Noch muss die 25-Jährige keine Wochenenddienste übernehmen. „Abends kann es aber auch mal länger werden“, sagt sie. Ihre beiden Chefs nehmen aber Rücksicht auf ihre Promotion.
Offenes Ohr
„Die Landwirte sind sehr gut ausgebildet. Meist können sie vieles selbst. Oft fehlt aber die Zeit“, sagt die Veterinärin. Trotzdem nutzen sie gerne das Fachwissen der jungen Tierärztin. Vorurteile erlebt sie keine. Auch als junge Frau wird sie von den Landwirten ernst genommen. Etwas Schnacken auch abseits des Stalls gehört dazu. Mancher Schweinehalter schildert dann seine Zukunftssorgen. Da die Tierärztin selbst vom Hof kommt, kann sie die Sorgen sehr gut nachvollziehen. Wenn Maike dann „Auf Wiedersehen“ sagt, hofft sie, dass es beim nächsten Besuch wieder etwas bergauf geht.
Gehalt und Studienplätze
Laut dem Gehaltsreport 2022 des „TVD-Partner für Tierärzte“, einem Dienstleister für Tierärzte, liegt der Verdienst bei Veterinären im Durchschnitt bei 3800 € brutto im Monat. Das Einstiegsgehalt schwankt zwischen 2500 und 3000 €. Dabei verdienen Großtierärzte im Schnitt aber mehr als Kleintierärzte.
Die Studienplatzvergabe ist wie in anderen medizinischen Studiengängen zentral über das Portal Hochschulstart geregelt. An der Uni Gießen werden zum Beispiel 30 % der Plätze über die Abiturbestenquote vergeben, 10 % über eine zusätzliche Eignungsquote, die sich aus dem Ergebnis eines Tests für Medizinische Studiengänge, abgeschlossene Ausbildung und Berufstätigkeit zusammensetzt. 60 % der Plätze kommen über Auswahlverfahren der Hochschulen.
Tiermediziner arbeiten nicht nur in Praxen, sondern auch in Tierkliniken, Veterinärämtern, der Lebensmittelindustrie sowie der Forschung. So ist zum Beispiel Dr. Lothar Wieler, Leiter des Robert-Koch-Instituts, Tierarzt.
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