Für den Tierhalter ist es ein Erlebnis, wenn Küken im eigenen Stall schlüpfen, jedoch bedeutet es auch mehr Arbeit. Wie genau hingeschaut werden muss, zeigt sich schon daran, dass die Temperaturen nicht in Grad Celsius, sondern in der kleinschrittigeren Variante Fahrenheit gemessen werden. Der Schlupf im Stall kann in jedem vorhandenen Stall durchgeführt werden, ein Umbau ist nicht erforderlich.
In jedem Stall durchführbar
Drei Systeme sind derzeit am Markt vertreten. Wie Anton de Jong von der Brüterei Heijmer berichtete, sind mit dem System Nestborn im Jahr 2020 bereits mehr als 100 Mio. Eier bei Landwirten im Stall gelegt worden. Dies erfolgt mit einer speziellen Maschine, die die Bruteier am 18. Bruttag in eine 5 cm hohe Schicht aus Hobelspänen ablegt. Sogenannte Ovoscans kontrollieren die Temperatur der Eischale, denn die ist für einen reibungslosen Schlupf wichtig. Auch die Luftfeuchtigkeit gilt es im Auge zu behalten. Das Schlüpfen der Küken zieht sich meist über zwei bis drei Tage hin. Danach müssen Steckenbleiber identifiziert und aus dem Stall gebracht werden. Im Schnitt geht de Jong von etwa 1,5 % nicht geschlüpften Küken aus. Diese müssen nach dem Absammeln in einem eigens dafür entwickelten Mazerationsgerät notgetötet werden.
Die Selektion am ersten Lebenstag hat durch den Landwirt zu erfolgen, der anfangs durch Mitarbeiter von Nestborn unterstützt wird. Für die Impfung kommt der Tierarzt auf den Hof. Weil die Küken sozusagen in ihrem Wohnzimmer zur Welt kommen und kein Transport erfolgt, sind sie ruhiger. Dies fördert die Gesundheit. In Kombination mit dem sofortigen Zugang zu Futter, Wasser und Licht entwickelten sie sich besser als angelieferten Eintagsküken. Die Darmgesundheit profitiert und dadurch weisen auch die Fußballen eine bessere Beschaffenheit auf, wie de Jong erläuterte.
Tierverluste sind geringer
Dr. Sophia Schulze-Geisthövel von der Landwirtschaftskammer NRW unterstützte de Jongs Ausführungen mit den Ergebnissen zweier Versuche auf Haus Düsse. SchulzeGeisthövel bestätigte, dass die im Stall geschlüpften Herden sich insgesamt viel ruhiger präsentierten und kaum Notiz nahmen von Personen im Stall. Am Ende zahlte sich das mit einer besseren Futterverwertung und einem höheren Lebendgewicht aus. Die Tierverluste waren beim ersten Versuch deutlich geringer als in der Vergleichsgruppe, beim zweiten Versuch lagen beide Gruppen gleichauf. Im Durchschnitt gab es beim Schlupf im Stall 1,67 % Verluste.
Auch ein Praktiker kam bei der online durchgeführten Fortbildung zu Wort. Martin Otten aus Emsbüren legt die Bruteier auf speziellen, mit Griffen versehenen Papphorden im Stall ab. Diese in gebückter Haltung im aufgeheizten Stall durchzuführende Arbeit sei durchaus anstrengend, berichtete Otten. 400 Horden werden in seinem Stall auf sechs Bahnen entlang des mit Futter bestreuten Kükenpapiers positioniert. Für die Aufrechterhaltung der optimalen Luftfeuchtigkeit von 45 bis 50 % nutzt Otten eine Sprühkühlung.
Tendenziell wirtschaftlich
Bei bislang zwei Durchgängen waren im Schnitt 1,5 % Steckenbleiber zu verzeichnen. Als Nachteile dieses Verfahrens benannte Otten mehr Arbeit, kürzere Pausenzeiten zwischen den Durchgängen und mehr Abfall durch die Papphorden. Die schnellere Wasser- und Futteraufnahme, ein schnelleres Verschließen der Darmwand und vitalere Küken sind ein Plus des Verfahrens. Eine Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes erscheint Otten möglich. Tendenziell hält er das Verfahren für wirtschaftlich und will den Schlupf im Stall in einem seiner Ställe vorerst weiter durchführen.
Die Veranstaltung wurde durchgeführt vom Netzwerk Fokus Tierwohl. In weiteren Online-Seminaren geht es um die zukunftsorientierte Junghennenaufzucht sowie um die bedarfsgerechte Wasserversorgung bei Rindern und die muttergebundene Kälberaufzucht. Mehr Infos unter: www.fokus-tierwohl.de
Eine Reportage zum Thema "Schlupf im Stall" finden Sie in unserem Archiv in der Wochenblatt-Ausgabe 17/2018.