Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) rückt mit ersten Ideen für die Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag versprochenen Tierhaltungskennzeichnung raus. Die Überlegungen heben sich erheblich von dem bisher in der Borchert-Kommission verhandelten Konzept ab. Danach will das BMEL die Einführung einer verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung nach dem Modell der Eierkennzeichnung. Vorgesehen sind vier Stufen, die sich an der Kennzeichnung für Eier anlehnen sollen:
0 = Bio
1 = Auslauf
2 = Außenklima
3 = Stall
Die höchste Stufe wäre allein Biofleisch vorbehalten und würde mit einer 0 gekennzeichnet. Konventionelles Schweinefleisch könnte höchstens die Stufe 1 erreichen. Die niedrigste Stufe wäre die 3, in der alle Formen der reinen Stallhaltung gruppiert wären. Dazu zählen sowohl der gesetzliche Mindeststandard als auch die Tierwohlprogramme in der Stallhaltung. Für einen Sprung auf Stufe 2 würde der Kontakt zu Außenklima benötigt. Die nächsthöhere Stufe 1 erforderte die Möglichkeit zu Auslauf. Neben der staatlichen Kennzeichnung soll es aber weitere Kennzeichnungen geben dürfen. Damit blieben Zusatzlabel etwa die Verbandsbiolabel erlaubt.
Kennzeichnung zunächst nur für Schweinemast
Geplant ist die Kennzeichnung nach Informationen aus dem Kreis der Verbände zunächst nur für Schweinefleisch. Dabei soll sich die Kennzeichnung zudem erstmal auch nur auf die Mast konzentrieren. Die Sauenhaltung bleibe ausgeklammert, heißt es. Auch der Geflügelbereich bleibt zunächst unberücksichtigt. Grund ist, dass es dort bereits EU-Haltungsnormen gibt, die mit der verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung in Konflikt geraten könnten.
Anders als die bisherigen Entwürfe in der Borchert-Kommission will das BMEL sich allein auf die aktuelle Haltung bei der Kennzeichnung konzentrieren. Die Bereiche Transport und Schlachtung fallen nicht bei der Kennzeichnung ins Gewicht. Sie sollen ordnungsrechtlich über Verordnungen geregelt werden.
Zudem ist die Kennzeichnung zunächst nur für frisches Schweinefleisch und verpackte Waren in Supermärkten vorgesehen. Die Einbeziehung von verarbeiteter Ware und Wurst soll danach wohl erst in einem späteren Schritt folgen. Handelsunternehmen und Gastronomie sollen allerdings zur Kennzeichnung verpflichtet werden.
Finanzierung bleibt offen
Ein Finanzierungskonzept für die zusätzlichen laufenden Kosten, die durch die Umstellung entstehen, hat das BMEL bisher noch nicht ausgearbeitet. Weil die FDP keine Mehrwertsteuererhöhung für Fleisch will und die Grünen ein privates Umlagemodell als nicht umsetzbar einschätzen, konzentrieren sich die Verhandlungen aktuell vor allem auf die Erhebung einer Tierhaltungsabgabe. Das bestätigte Agrarminister Cem Özdemir im Gespräch mit Agrarjournalisten. Im Bundeshaushalt eingestellt sind nur 1 Mrd. €, die von 2023 bis 2026 zur Förderung von Investitionskosten zum Stallumbau genutzt werden sollen.
Bisher gibt es noch keinen konkreten Referentenentwurf über die BMEL-Pläne. Bis Ende April will das Ministerium allerdings einen Entwurf veröffentlichen. Zuvor soll es noch weitere Gespräche geben und auch der Handel mit einbezogen werden.
Verbände skeptisch
Bei den landwirtschaftlichen Verbänden stoßen die Pläne auf Skepsis. Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) und Veredlungspräsident des Deutschen Bauernverbandes, ist zum einen überrascht, dass das BMEL die bereits geläufige vierstufige Haltungsformkennzeichnung des Handels mit „1“ für Stallhaltung, „2“ für Stallhaltung Plus“, „3“ für Außenklima und „4“ für Premium quasi auf den Kopf stelle. Aber das ist seiner Meinung nach politisch bereits durch. „Jetzt kommt es darauf an, die Stufen zu definieren. Und da fordern wir eine eigene Stufe für Betriebe, die an der Initiative Tierwohl (ITW) mitmachen. Sonst wären 90 % aller ITW-Betriebe in der Stufe 3 des BMEL – und das kann nicht sein!“, sagt Beringmeier.
Dass konventionelle Tierhalter jetzt nicht mehr die höchste Stufe erreichen können, ärgert auch Martin Schulz, Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Zudem würden die Hürden für Tierhalter, die in Tierwohl investieren wollten, in diesem System sehr hoch gelegt.
Zufrieden mit dem Konzept zeigen sich hingegen die Ökoverbände. Sie erhalten die geforderte eigene Haltungsstufe.
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