Hubertus Beringmeier, WLV-Präsident
Mit der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung bekennt sich die Politik zur deutschen Schweinehaltung. Allerdings fehlen Finanzierung und Herkunftskennzeichnung. Die Sauenhaltung ist gar nicht einbezogen. Diese Punkte kritisierte der WLV-Veredlungsausschuss bei seiner Sitzung vergangene Woche.
Etwas Handlungsspielraum für Schweinemäster bleibt über Haltungsform 2 der neuen Kennzeichnung. „Die Anforderungen liegen oberhalb des gesetzlichen Standards, sind aber ohne Baugenehmigung umsetzbar“, formulierte WLV-Veredlungsreferentin Manuela König-Lehmkuhl einen Lichtblick für viele Betriebe. Mehr Platz und die geforderte Buchtenstruktur ließen sich kostengünstiger umsetzen als Außenklima oder Auslauf.
Josef Lehmenkühler, Kreisverbandsvorsitzender Soest
Nackte Zahlen schockieren
„Man darf es sich aber auch nicht schönrechnen“, mahnte Bernhard Post, Berater bei der Westfälisch-Lippischen Versicherungs- und Unternehmensberatung (WVU).
Bernhard Post, WVU-Beratung
Abschreibung, Transport, Zins und Pacht müsse jeder Schweinehalter einpreisen. Auch Öffentlichkeitsarbeit sollte in seinen Augen mit auf dem Zettel stehen, weil sich teures Schweinefleisch nicht von selbst verkauft.
„Wir hängen jetzt mal ein Preisschild an 5 x D“, lud Bernhard Post die versammelten Landwirte ein. Seine Berechnungen beruhen auf KTBL- und Erfahrungswerten.
Als Stundensatz für die Arbeit liegen 43 € zugrunde, beim Futter 45 €/dt für Sauen, 53,55 € für Ferkel und 43,20 € für Mastschweine. Für die Schlachtung hat er 95 kg und 0,99 Indexpunkte angesetzt.
Bis zu 123 € fehlen
Demnach müsste ein 5 x D-Ferkel stolze 115 € kosten. Als Mastschwein müsste es später rund 290 € erlösen. Unter Vollkosten kommt Bernhard Post daher auf satte 3,11 €/kg Schlachtgewicht. Selbst ohne Gewinn und bei abgeschriebenen Gebäuden müssten Landwirte noch 2,44 €/kg bekommen, um alle Kosten zu decken. Bei einer Notierung von 1,80 €/kg fehlen dem Betrieb mindestens 60 € pro Schwein, unter Vollkosten sogar 123 €.
„So viel Geld hat noch nie gefehlt. Wenn die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, macht einen Haken dran!“, appellierte Bernhard Post an alle Schweinehalter. Und die Praxis gibt ihm Recht. „Jeden Tag rufen Sauenhalter an, die ihren Betrieb aufgeben wollen. Es ist einfach nicht mehr machbar“, fasste er die aktuelle Lage zusammen.
Zu viel Fleisch am Markt
Das spiegelte sich in den aktuellen Zahlen zur Schweineproduktion in Deutschland wider, die Dr. Tim Koch von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) vorstellte:
Bestände sinken: Im Mai 2022 hielten deutsche Landwirte 22,3 Mio. Schweine, davon 10,26 Mio. Mastschweine. Das sind 9,8 % weniger Schweine als im Vorjahr. Die AMI hatte sogar einen noch deutlicheren Rückgang erwartet.
Dr. Tim Koch, AMI
Schlachtungen weit unter Vorjahr: Von Januar bis April wurden 10,6 % weniger Schweine als 2021 geschlachtet.
Schlachtgewichte normalisiert: Ende 2020 wogen geschlachtete Schweine im Schnitt knapp 101 kg. Mittlerweile liegen die Gewichte wieder um 97 kg.
Weniger Schweine aus dem Ausland: Die AMI erwartet 2022 erstmals unter 10 Mio. Importferkel sowie rund 1 Mio. importierte Schlachtschweine. 2017 waren es noch vier Mal so viele.
Überschuss bleibt groß: Durch die eigene Produktion und den Import von Edelteilen liegt der deutsche Inlandsüberschuss bei gut 2 Mio. t Schweinefleisch pro Jahr.
Nicht auf China hoffen: China produziert schon fast wieder so viel wie vor Ausbruch der ASP und kommt gut ohne deutsche Importe aus.
Daniel Kisker, WLV-Veredlungsreferent
Spanien stockt auf: Das Land trotzt dem europäischen Trend. Daher schrumpft die Menge am EU-Markt trotz schwieriger Produktionsbedingungen kaum.
Der Preisabstand wächst
Beim deutschen Schweinepreis sieht Dr. Koch zwar noch Luft nach oben, doch die Lücke zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen wächst munter weiter. „2 €/kg sind für konventionelles Schweinefleisch vielleicht drin, aber 2,50 € sehe ich beim besten Willen nicht“, so die Einschätzung des Marktexperten. Das Dilemma: Bei diesen Preisen ist kaum einem Landwirt nach Investitionen zumute – erst recht nicht in Branchenwerbung. Die vom WLV initiierte Kampagne „Mag doch jeder“ stagniert bei rund 1000 Unterstützern. Eine Zwangsabgabe würde helfen. Doch dafür fehlt die Rechtsgrundlage.
Die Teilnehmer der Ausschusssitzung bestätigten WLV-Präsident Hubertus Beringmeier in seinem Amt als Ausschussvorsitzender und Sauenhalter Carsten Spieker als seinen Stellvertreter.
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