Herr Latka, der Handel hat die Preise für Konsummilch Mitte Februar überraschend um 5 Cent pro Liter angehoben. Kommen diese 5 Cent auch bei Ihnen an?
Das rührt sicherlich noch aus der letzten Preisrunde her, denn zum1. Januar ist relativ wenig passiert. Mittlerweile haben die Handelskonzerne unterschiedliche Vertragslaufzeiten und selbst innerhalb einer Molkerei kann es zu verschiedenen Verträgen kommen. Somit ist alles viel intransparenter geworden. Wenn einer vorprescht – wie in diesem Fall Aldi – dann ziehen die anderen nach, ohne dass sich das vielleicht gleich auf der Verkaufsseite der Molkerei widerspiegelt.
Die Kontrakte zwischen Handel und Molkereien für Produkte der Weißen Linie waren bis vergangenes Jahr starr. Jetzt hat der Handel die Spielregeln geändert.
Bislang gab es Preisabschlüsse vom 1. Mai bis 30. Oktober und vom 1. November bis 30. April. Die klassischen Halbjahreskontrakte bestehen weiter – aber vom 1. Januar bis 30. Juni usw. Andererseits gibt es die sogenannten Longterm Agreements, die über zwei, drei oder vier Jahre laufen. Hier wird der kalkulierte Preis von bestimmten Marktindikatoren abgeleitet. Da gibt es ganz unterschiedliche Modelle – auch hinsichtlich der Anpassung der Preise. Sprich, es gibt mittlerweile ein ganzes Bündel von Modellen.
Welches Modell ist Ihnen als Molkereichef lieber?
Wenn die Preise steigen, sind kurz laufende Verträge attraktiver. Gehen die Preise zurück, hätte ich natürlich lieber Jahresverträge. Allerdings glaube ich, dass eine Molkerei durch dieses Bündel an Verträgen Chancen und Risiken besser gegeneinander aufrechnen kann. Da ist man vielleicht nicht immer bei den Spitzenpreisen dabei, doch in Kombination ergibt sich ein ordentlicher Durchschnittspreis. Zudem entsteht ein vernünftiger Risikopuffer, wenn man als Molkerei-Unternehmen die Möglichkeit hat, zwischen unterschiedlichen Laufzeiten zu variieren.
Trotz der Preiserhöhung hinkt die Verwertung für Trinkmilch und Co. den Eckverwertungen Butter und Pulver hinterher, diese liegt bei mehr als 54 Cent/kg. Stehen Sie deshalb beim Milchpreis unter Druck?
Natürlich haben auch wir Vereinbarungen, die diesen Preis widerspiegeln. Allerdings haben wir auch Kontrakte, die zum 1. Januar abgeschlossen wurden, die diesen Preis eben nicht erreichen. Das müssen wir zum 1. Juli anpacken. Die Märkte sind fest und ich sehe auch nicht, dass sich die Marktparameter bis dahin großartig ändern. Deshalb hat sich die gesamte Branche bei der nächsten Verhandlungsrunde an diesen Marktparametern zu orientieren. Energie und Verpackungsmaterial sind erheblich teurer geworden. Das muss ebenfalls Berücksichtigung finden.
Hochwald hat neben dem klassischen Trinkmilchgeschäft noch Alternativen. Während die weiße Linie etwa ein Drittel des Umsatzes ausmacht, kommt der Rest aus Bereichen, die in anderen Kontrakten und Verwertungen unterwegs sind. Wir können beispielsweise Pulver oder Käse herstellen und haben ein großes Standbein im Export. Auch der Spotmarkt ist aktuell sehr aufnahmefähig. Insofern wird das im Sommer eine turbulente und intensive Preisrunde sein.
Sie bieten Ihren Mitgliedern Festpreise, die sich vor allem von Börsenwerten ableiten, also weniger von Ihrem Portfolio. Wie bekommen Sie diesen Spagat hin?
Mit Hinblick auf den Festpreis ist das nicht der Fall, da können wir uns gut den Börsennotierung anpassen. Wir sichern das Volumen, das von den Bauern angemeldet wird, direkt ab. Ein Risiko entsteht daraus für uns nicht. Bei den jetzigen Preisen ist dieses System für unsere Lieferanten logischerweise sehr attraktiv. Landwirte können bis zu 20 % ihres Volumens absichern. Pro Quartal bieten wir maximal 20 Mio. l an. Ohne diese Deckelung wäre der Ansturm derzeit viel zu hoch, und die Absicherung über die Börse nicht möglich. Im letzten Quartal wurde das Volumen komplett ausgereizt. Für die kommende Zeit erwarten wir Ähnliches. Denn die Festpreise werden sicherlich die 50-Cent-Marke ankratzen.
Wäre es für Sie denkbar, das Festpreismodell auszuweiten?
Wir haben das Volumen ja noch vor Kurzem auf 20 Mio. l angehoben. Da sind wir im Vergleich nicht unbedingt der kleinste Händler an der Börse. Doch hier ist immer Vorsicht gefragt, denn die Aufnahmefähigkeit der Börse ist begrenzt.
Ab April will der Handel Milchprodukte mit den Haltungsform (HF)-Stufen ausloben. Sind Hochwald-Produkte dabei?
Ja. Ich war ja selbst mit unserem Vorstandsvorsitzenden Peter Manderfeld in der Kommission und wir haben die Branchenvereinbarung mitverhandelt. Mit unseren ehrenamtlichen Gremien fassten wir vor Kurzem den Beschluss, als Molkerei mitzumachen. Doch realistisch betrachtet wird das zum 1. April nicht machbar sein. Unsere Zielvorstellung ist der 1. Juli. Ab da soll es die ersten Trinkmilchprodukte von Hochwald geben, die mit einer Haltungsform-Stufe gekennzeichnet sind.
Werden Marken wie Bärenmarke und Elinas auch dabei sein?
Wir werden mit den Eigenmarken des Handels starten und dann den Markt genau beobachten. Und erst im zweiten Schritt entscheiden, wie unsere Marken positioniert werden können.
Haltungsform-Stufe 1 kommt erst gar nicht ins Regal, Standard ist Stufe 2, perspektivisch will der Handel nur noch die Stufen 3 und 4. Erfüllen Hochwald-Mitglieder die Kriterien?
Es sieht erst mal nicht so aus, dass Stufe 3 der neue Standard wird. Jetzt beschäftigen wir uns erst mal mit Stufe 2. Unsere Mitglieder-Befragung zeigte gute Resonanz. Wir glauben, dass wir den Bedarf des Handels an Trinkmilch erfüllen können.
Bedeutet das für Hochwald eine logistische Herausforderung?
Wir betrachten das Ganze erst mal nur bis HF-Stufe 2. Das bekommen wir logistisch gestemmt. In unserem Einzugsgebiet bildet der Rhein eine natürliche Trennlinie. Von der Umstellung betroffen ist auf der hessischen Seite unser Werk in Hungen. Und auf der anderen Rheinseite haben wir das neue Werk in Mechernich. So bekommen wir das logistisch gut hin, sodass sich die Milchmengen in HF-Stufe 2 auf diese beiden Werke konzentrieren.
Welche Zertifizierungs-Variante werden Sie als Molkerei bevorzugen? QM oder DLG?
Wir werden bei QM bleiben, weil es das verbreitetste System ist und es sich um eine Branchenlösung handelt. Eine Lösung, bei der die Molkereien mit am Tisch sitzen und wir die Standards mit gestalten.
Für Stufe 2 sollen Erzeuger 1,2 Cent/kg erhalten, Molkereien sollen über eine Branchenvereinbarung die höheren Kosten ersetzt bekommen. Klappt das so?
Wir beteiligen uns nur, wenn unsere logistischen Mehrkosten vergütet werden. Sonst würde das zulasten des Grundpreises gehen. Wir setzen die Anforderungen gerne um – vorausgesetzt die 1,2 Cent je kg kommen beim Landwirt an.
Für welche Milch zahlt der Handel eigentlich den Aufschlag: Für die, die Sie liefern – oder nur für die, die er tatsächlich im Laden verkauft?
Der Handel ist unser Kunde und jeder Liter Milch, der in HF-Stufe 2 geliefert wird, wird auch so vergütet. Was der Handel hinterher verkauft, ist seine Herausforderung.
Milchpreis-Zuschläge machen einen immer größeren Teil vom Milchgeld aus. Sie haben aktuell den S-Milch-Zuschlag auf 1 Cent/kg erhöht – warum?
Bislang hatten wir unser MilchPlus-Programm mit einem Zuschlag für Nachhaltigkeit. Mit dem Punktesystem erhielt der Landwirt maximal 1 Cent/kg Zuschlag. Dieses System haben wir zum 1. Januar umgestellt. Im Kern wollen wir uns auf die Themen CO2, Qualität und Tierwohl konzentrieren. Deshalb bezahlen wir von nun an einen CO2-Bonus. Beteiligt sich der Landwirt an der Erstellung eines CO2-Fußabdrucks für seinen Hof, erhält er einen Bonus von bis zu 0,60 Cent/kg. Als zweiten Baustein haben wir den Zuschlag für S-Milch erhöht. Und dann noch der vom Markt finanzierte Tierwohl-Zuschlag in Höhe von 1,2 Cent/l für Milch der HF-2.
Gibt’s bald auch einen „Klimaschutz-Zuschlag“? Immerhin haben Sie mit Nestlé ein Pilotprojekt, bei dem ein Hochwald-Betrieb in Hessen innerhalb von drei Jahren seinen Fußabdruck auf Null-Emissionen reduzieren soll.
Das Thema wird an Bedeutung gewinnen. Vielleicht wird bald jedes Nahrungsmittel mit CO2-Werten gekennzeichnet. Der kürzlich veröffentlichte Klimabericht zeigt, dass wir uns alle der Problematik stellen müssen. Deshalb haben wir mit dem Cool Farm Tool, mit dem der CO2-Fußabdruck eines Betriebes messbar wird, für die Bauern schon eine Hilfestellung geleistet. Das Nestlé-Projekt ist für uns interessant, weil es wissenschaftlich begleitet wird. So haben wir Zugang zu den Daten und können genau verfolgen, welche Maßnahmen umgesetzt werden können, um den CO2-Output zu reduzieren.
International spielen die deutschen Mehrwert-Zuschläge oft gar keine Rolle. Hochwald hat einen hohen Exportanteil. Wie kommen Sie aus diesem Dilemma heraus?
International sieht man ein sehr durchwachsenes Bild. Bei Ware, die in Entwicklungsländer exportiert wird, steht die Versorgung mit Nahrung an erster Stelle. Aus Asien wiederum kommen vermehrt Fragen von Kunden zu CO2 und Tierwohl.
Ist die Molkerei Hochwald von den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine bzw. Russland betroffen?
Wir haben lediglich ein ganz kleines Geschäft in der ehemaligen Sowjetunion. Rein geschäftlich berührt uns das kaum. Auf der Einkaufsseite sieht es anders aus. In der Ukraine gibt es beispielsweise Papier-Unternehmen, die Vorprodukte für die Papierindustrie in Westeuropa herstellen. Das wird zu Störungen in der Lieferkette führen.
Hinzu kommt, dass viele Rohstoffe aus Russland stammen – wie Aluminium. In fast jeder H-Milch-Verpackung sind Aluminium-Bestandteile enthalten. Auch hier vermuten wir Probleme in der Verfügbarkeit. Kopfschmerzen bereitet die Energieversorgung, vor allem mit Gas. Da wo wir in den verschiedenen Werken auf Öl umstellen können, machen wir das, um uns etwas unabhängiger zu machen. Alternativen sind nicht kurzfristig umsetzbar. Eine Turbine von Gas auf Strom umzustellen, ist nicht so einfach möglich. Solche Prozesse dauern Jahre.
Wird der Ukraine-Krieg den Milchmarkt beeinflussen?
Das ist schwer zu beurteilen. Stand heute würde ich sagen: Wenn die Milchmenge weiter unter dem Vorjahresniveau bleibt, dann bleiben die Preise weiter fest. Im Krieg ist die Sicherung von Nahrungsmitteln ein zentrales Thema. Aktuell werden seitens des Handels wieder Hamsterkäufe wie bei Corona wahrgenommen.
Zurück nach Deutschland: Vor knapp sechs Wochen sind die ersten Anlagen im neuen Werk in Mechernich angelaufen. Wie wichtig ist dieser neue Standort?
Wir haben zwei Standorte, wo wir haltbare Produkte herstellen. In Erftstadt ist das Werk veraltet. Dort können wir nicht zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren. Das Werk in Kaiserslautern produziert zu vernünftigen Kosten, allerdings befindet es sich in einer Region, wo die Milchmenge schwindet. Das Werk ist gut, es steht nur an falscher Stelle. Deshalb haben wir uns zum Neubau entschieden. Hier können wir Produkte zu günstigeren Kosten abfüllen und befinden uns in einer Region, wo unheimlich viel Produktion auch zukünftig sein wird.
Hat der Bau des Werkes in Mechernich Auswirkungen auf andere Standorte?
Mitte 2022 wird das Werk in Erftstadt geschlossen. Die Mitarbeiter wechseln nach Mechernich. In Kaiserslautern ist uns etwas gelungen, wo wir stolz drauf sind. Dort haben wir ein Joint Venture mit einem der größten chinesischen Importeure für Milchprodukte gegründet. Der Kunde suchte Zugriff auf Verarbeitungskapazitäten. Wir betreiben das Werk in einer abgespeckten Variante, weil der chinesische Markt 200-ml-Verpackungen verlangt. Das heißt, wir gehen von Großvolumen weg, hin zum kleineren Sortiment. Es wird viel Verpackung benötigt, dafür weniger Milch. Der Kunde möchte das Werk kontinuierlich weiter füllen und bietet feste Verträge. Ohne dieses Joint Venture hätten wir das Werk schließen müssen.
Von der Flutkatastrophe im Juli 2021 waren Sie als Molkerei betroffen. Wie teuer war das?
Das waren dramatische Tage. Betroffen waren wir erst, als die Dämme an der Erft brachen. Dabei wurde unser Werk nicht überflutet, allerdings die komplette Peripherie. Touren mussten umgelegt werden. Andere Molkereien haben unsere Milch mit aufgenommen. Das Werk in Erftstadt stand über Wochen still. Wir kommen auf einen Schaden von insgesamt 13,3 Mio. €. Und da wir keinen Eigenschaden, sondern Folgeschäden hatten, zahlt keine Versicherung.
Auf den mittleren Milchpreis des vergangenen Jahres umgerechnet, fehlen uns fast 0,8 Cent/kg Milch. Wir haben den Schaden beim NRW-Hilfsfonds angemeldet und bekommen 80 % des Schadens erstattet. Deshalb erhöhen wir die Nachzahlung für 2021 und werden den Landwirten schon mit der März-Abrechnung eine Vorabauszahlung der Nachzahlung leisten. So wird es 1,5 Cent/kg Nachzahlung für 2021 geben. Die Vorabauszahlung beträgt 0,5 Cent je kg.
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