Großrahmige Kühe stehen am Futtertisch und blicken erwartungsvoll aus dem Stall. Sie haben genau im Blick, wer auf den Hof kommt oder wer ihn verlässt. Denn das Gebäude ist von allen Seiten offen, die Jalousien sind komplett heruntergefahren. Ein Teil der Holstein Friesians liegt wiederkauend in ihren Tiefboxen. In den drei Melkrobotern im Zentrum des Stalls steht jeweils eine Kuh, eine zweite wartet davor. Zu hören ist nur das Rauschen der großen, im Stall gleichmäßig verteilten Ventilatoren. Die rund 230 zu melkenden Kühe von Christian Schlütke und seiner Frau Stefanie Klus haben eine stolze Milchleistung von knapp 12 300 kg Milch im Jahr.
Stall mit vielen Extras
Familie Schlütke betreibt einen Gemischtbetrieb mit Milchvieh, Schweinemast, Biogas, Fotovoltaik und Ackerbau in Handrup, Emsland. 2015 bauten sie einen neuen Milchviehstall mit 230 Liegeplätzen, Selektions- und Strohbereich sowie vier Lely-Melkrobotern. Bis zu diesem Zeitpunkt melkten Schlütkes etwa 70 Kühe im Auto-Tandem-Melkstand. Damals betrug die Milchleistung etwa 9400 kg.
Im neuen Stall gibt es viele Besonderheiten: Das Dach zur Nordseite besteht aus Light-Roof-Lichtplatten. So ist es im Stall genauso hell wie draußen. „Das System haben wir in den Niederlanden entdeckt“, erklärt Betriebsleiter und Ausbilder Christian Schlütke. Zur Südseite ist das Dach mit dunklen Platten und Solarzellen ausgelegt. „Die Fotovoltaik-Platten schützen vor Hitze und dienen der Wärmedämmung.“ Abends mit der Dämmerung fährt die LED-Beleuchtung mit dem Lichtprogramm langsam hoch. Zu den Highlights im Stall gehört auch der planbefestigte Rillenboden. „Durch die Rillen läuft der Urin ab und die Kühe stehen trockener. Das ist gut für die Klauengesundheit“, zeigt sich der 35-Jährige zufrieden.
Der Stall ist nicht unterkellert. Vor dem Gebäude befindet sich ein 230 m3 großer Abführschacht. „Die Gülle wird hier drei bis vier Mal am Tag aufgerührt und zur Biogasanlage gepumpt“, sagt Schlütke. Die Tiefboxen mit gewelltem Nackenriegel werden immer montags mit einem Strohkalkgemisch aus den Niederlanden eingestreut. Das Einstreumaterial ist besonders gut für die Eutergesundheit.
Damit den Kühen auch im Sommer nicht zu warm ist und das Stallklima zu jeder Zeit stimmt, hängen 17 Ventilatoren mit 700 Watt im Stall. „Sie sind günstig und sehr effizient“, lobt der Emsländer. Außerdem schaltet sich ab 25 °C die Berieselungsanlage am Futtertisch ein. Als einfache Lösung hat das Team Schlütke einen Gartenschlauch mit Kabelbindern am Fressgitter befestigt. „Die Kühe werden alle vier Minuten für 40 Sekunden berieselt. Aber nur oberhalb von Bauch und Euter.“
Melkroboter richtig nutzen
Mit dem Stallneubau 2015 entschied sich die Familie dazu, zwei Melkroboter vom Modell Lely-Astronaut A4 einzubauen, 2017 folgte der dritte vom selben Modell und Ende 2020 noch ein A5-Melkroboter. Die Entscheidung für die Roboter war für den jungen Betriebsleiter schnell klar: Er arbeitet gerne und effizient mit Daten und gute Mitarbeiter sind rar.
Dass die Automatisierung mehr Freizeit bedeutet, ist in seinen Augen allerdings nur eine Halbwahrheit: „Wir sind zwar flexibler durch die Melkroboter, aber trotzdem muss immer jemand verfügbar sein, wenn die Technik versagt. Deshalb muss der Service unbedingt stimmen! Melkroboter bedeuten nicht, dass man nicht da sein muss.“
Seine Kuhherde hat Schlütke in zwei Gruppen eingeteilt: Färsen und Altmelker. So haben die Färsen weniger Stress und müssen sich keinen Roboter mit den Kühen teilen. Dass sich das lohnt, beweist die Färsenleistung von 37,5 kg Milch pro Tier und Tag. Im Schnitt gehen die Tiere bis zu 3,2-mal täglich zum Melken. „Wir haben eine hohe Melkgeschwindigkeit und müssen daher auf die Eutergesundheit aufpassen“, ist sich der Milchviehhalter bewusst.
Der Hauptgewinn durch die Melkroboter ist für Schlütke die enorme Menge an guten Daten. Von großer Bedeutung sind für den 35-Jährigen die Wiederkauaktivität, Temperatur, Leitfähigkeit der Milch und die Zellzahl.
Der Schlüssel zum Erfolg und zur hohen Milchleistung ist in seinen Augen ein gutes Management und die konsequente Umsetzung von Aufgaben. „Dabei ist die Verteilung auf verschiedene Schultern entscheidend.“ So ist seine Herdenmanagerin und Meisteranwärterin, Nele Wester, für die Tiergesundheit zuständig. Sie untersucht alle Kühe, die auf der vom Melkroboter erstellten Gesundheitsliste, einen Wert von mehr als 20 haben.
Bei diesen Tieren misst sie die Temperatur, den Ketosewert mittels Urinstreifen, hört Pansen, Labmagen und Lunge mit dem Stethoskop ab und macht einen Schalm-Test (CMT-Test). „Das dauert pro Tier nur vier Minuten, aber hat uns unheimlich nach vorne gebracht“, berichtet der Betriebsleiter. Am Tag werden so rund drei bis vier Kühe untersucht. „Mit den Roboterdaten erkennen wir Tiere, bei denen sich etwas anbahnt, bevor wir es mit dem bloßen Auge sehen können“, lobt der Landwirt.
Wichtige Stellschrauben im Management sind für den studierten Agrarwirt:
- Wiederkauaktivität: „Wir achten streng auf die Wiederkauaktivität der Kühe und reagieren sofort mit einer Flüssigkeitstherapie, wenn diese schlecht ist. Das führt zu einem geringen Antibiotikaeinsatz.“
- Klauengesundheit: Jede auffällige Kuh kommt in den Klauenstand. Außerdem ist drei Mal jährlich der Klauenpfleger in der Herde. Alles wird dokumentiert.
- Fütterung ist das A und O: Rund 24,6 kg Trockenmasse nehmen die Kühe auf dem Betrieb täglich auf. Die Ration besteht aus Mais, Grassilage, erstem Schnitt Ackergras, gemahlenem Stroh, Raps- und Sojaschrot, Natriumbicarbonat, Mineralfutter und 14 kg Wasser. Mit einem Selbstfahrer verteilen die Mitarbeiter das Futter. Wichtig für den Betriebsleiter: „Bei der hohen Milchleistung darf die Restfuttermenge niemals unter 5 % liegen, sondern sollte immer zwischen 5 und 10 % betragen, ansonsten ist die Ration zu knapp berechnet.“
- Trockensteher: Rund zehn Tage vor dem Kalbetermin kommen die Kühe in einen großzügigen Strohbereich. Bereits 21 Tage vor der Kalbung erhalten die Tiere eine angesäuerte Ration. „Unser Ziel ist, dass der Urin-pH-Wert bei 5,5 bis 6,5 liegt. Das dient der Milchfieberprophylaxe.“
- Versorgung der Kälber: Alle Kälber werden zwei bis drei Stunden nach der Geburt mit 3,5 bis 4 l Biestmilch gedrencht. Dabei verfüttern Schlütkes nur Biestmilch mit einem Brix-Wert von mehr als 20. „Seitdem wir das konsequent umsetzen, haben wir weniger Probleme mit Durchfall.“ Danach erhalten die Kälber Vollmilch ad libitum und stehen in Kälberhütten.
Zum Erfolg gehört für den Milchviehhalter nicht nur clever zu melken, sondern auch eine gute Kälberaufzucht.
Mehr zum Thema: