Klimaschutz und Ökonomie sind in der Milchviehhaltung kein Widerspruch. Im Gegenteil: Landwirte, die ressourcenschonend und kostenbewusst arbeiten, aus bestem Grundfutter viel Milch erzeugen und damit wirtschaftlich erfolgreich sind, erreichen im Schnitt auch die niedrigeren CO2-Emissionen je kg Milch. Das zeigen Auswertungen aus Hessen sehr deutlich.
Viele Betriebe ausgewertet
„Angesichts der Tragweite des Klimaschutzgedankens ist es wichtig zu wissen, wo die heimische Milchviehhaltung in dieser Hinsicht steht“, beschreiben Philipp Heimel, Marcel Phieler und Arnt Schäfers die Hintergründe für die Auswertungsreihe des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH). Heimel und Schäfers betreuen vom LLH-Standort in Korbach aus zahlreiche Betriebe in der milchviehstärksten Region des Landes. Phieler arbeitet im Beratungsteam Ökolandbau mit Schwerpunkt Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.
Die drei Berater haben im vergangenen Jahr insgesamt etwa 50 Milchvieharbeitskreisbetriebe unter Klimaschutzgesichtspunkten durchleuchtet. „Für jeden einzelnen Betrieb wurde eine CO2-Bilanz für die Milchviehhaltung nach dem TEKLa-Programm erstellt“, berichtet Marcel Phieler. TEKLa heißt Treibhaus-Emissions-Kalkulator Landwirtschaft. „Ein CO2-Fußabdruck wird zwar bislang nur vereinzelt von den Molkereien verlangt. Es kann aber gewiss nicht schaden, wenn sich Landwirte und ihre Berater frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen“, erklärt Arnt Schäfers. „Das dient nicht nur der Standortbestimmung, sondern hilft auch, die Stellschrauben herauszuarbeiten, mit denen die Betriebe ihre Klimabilanz verbessern können“, ergänzt Philipp Heimel.
Es geht dabei nicht um eine Einteilung der Betriebe in „gut“ und „schlecht“, betont Marcel Phieler. Starre Grenzwerte beim CO2-Fußabdruck machen in der Landwirtschaft schließlich wenig Sinn, findet der Berater: Zu groß sind beispielsweise die Effekte von Dürrejahren auf die Abläufe im Milchviehbetrieb.
Es gibt aber offenbar eindeutige Zusammenhänge, die sich in Sinne des Klimaschutzes nutzen lassen, um die Umweltleistung der Landwirtschaft insgesamt positiv zu beeinflussen.
Gute Leistung – wenig CO2
Wie die LLH-Auswertung gezeigt hat, lassen sich dadurch sogar Synergieeffekte nutzen. Die Schnittmengen zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz sind jedenfalls beachtlich groß:Die Durchschnittsleistung der untersuchten Milchviehbetriebe lag bei knapp 9500 kg Milch/Kuh und Jahr. Die CO2-Bilanz der ausgewerteten Höfe lag je nach betrieblichen Gegebenheiten in einer Spanne von 750 bis 1050 g CO2-Äquivalent (CO2äq) je kg Milch. Dabei wiesen die Betriebe mit den höheren Durchschnittsleistungen in der Auswertung überwiegend die niedrigeren CO2-Emissionen auf. Das ist auch logisch, da der Anteil der für die eigene Erhaltung aufgewendeten Energie einer Kuh mit steigender Milchleistung sinkt.
Der CO2- und Methanausstoß je Liter Milch ist bei hohen Leistungen niedriger, weil sich der Erhaltungsaufwand auf eine größere Produktionsmenge verteilt.Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen den CO2-Emissionen und der Direktkostenfreien Leistung (DkfL).
Wie die Übersicht zeigt, hatten die Betriebe mit den höheren DkfL im Trend die niedrigeren CO2-Werte. Und das liegt nicht am Milchauszahlungspreis, wie Philipp Heimel und Arnt Schäfers betonen. Der ist zwar auch wichtig, aber in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Die hohen DkfL und niedrigen CO2-Werte finden sich überwiegend in den Betrieben mit gutem Kostenmanagement.
Zudem lohnt sich ein sorgfältiges, sauberes Arbeiten beispielsweise rund um Futtergewinnung und Fütterung offenbar auch unter Klimagesichtspunkten.
Grobfutterleistung steigern
Wie wichtig der Faktor Futter ist, zeigt die Auswertung zur Grobfutterleistung. Die Betriebe mit viel Milch aus Gras- und Maissilage erreichten im Trend eindeutig die besseren Werte beim CO2-Fußabdruck. Die Korrelation (R2) lag hier bei 0,26.
Der positive Effekt einer hohen Grobfutterleistung lässt sich im Übrigen erklären: Die auf dem eigenen Betrieb erzeugten Futtermittel sind unter Klimaschutzgesichtspunkten im Vorteil, weil sie auf kurzen Wegen ins Tier gelangen und nicht über lange Strecken transportiert oder unter hohem Energieaufwand aufbereitet werden müssen.
Außerdem ist das Futter in der Regel mithilfe von wirtschaftseigenem Dünger gewachsen (Kreislaufwirtschaft).
Trotzdem lässt sich an der „Grobfutterschraube“ noch weiter drehen. Das beginnt mit einer schlagkräftigen und verlustarmen Futterernte, beinhaltet eine sorgfältige Einlagerung und Silierung und setzt sich über die saubere Entnahme und Futtervorlage bis zum Tier fort. „Vom Feld bis zum Trog lässt sich jedenfalls einiges für den Klimaschutz tun“, so Marcel Phieler. Und: „Wer diese Punkte beherzigt, legt gleichzeitig die Grundlage für hohe Milchleistungen, gesunde Tiere und gute wirtschaftliche Zahlen. Eine klassische Win-win-Situation“, ergänzen Philipp Heimel und Arnt Schäfers.
Weitere Stellschrauben
Weitere Ansatzpunkte zur Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks sind unter anderem die Nutzungsdauer der Kühe, das Wirtschaftsdüngermanagement und der Einsatz von (elektrischer) Energie im Betrieb: Eine längere Nutzungsdauer beispielsweise verbessert die CO2-Bilanz, weil sich die Emissionen aus der „unproduktiven“ Jungviehaufzucht in einem längeren Milchkuhleben auf immer mehr Liter Milch verteilen. Es lohnt sich also, etwas dafür zu tun, dass die Kühe lange gesund und fit bleiben. Daran arbeiten die Landwirte allerdings nicht erst seit Beginn der Klimadiskussion!
Gut fürs Klima ist zudem ein insgesamt niedriger Energieverbrauch zum Beispiel durch sparsame, frequenzgesteuerte Vakuumpumpen und optimal eingestellte und arbeitende Kühlaggregate. Auch die Erzeugung und gegebenenfalls eigene Nutzung von erneuerbaren Energien aus Windkraft-, Photovoltaik- oder Biogasanlagen verbessert die betriebliche CO2-Bilanz und schont die fossilen Ressourcen unseres Planeten.Apropos Biogas: Wenn die im Milchviehbetrieb anfallende Gülle gasdicht gelagert wird oder zumindest ein Teil davon vor der Nutzung als Pflanzendünger in einer Biogasanlage vergoren wird, reduziert das den klimaschädlichen Methanausstoß und liefert überdies noch erneuerbare Energie. „Ein Betrieb, der seine Gülle zu 100 % durch die Biogasanlage leitet, verringert den CO2-Fußabdruck um etwa 70 bis 80 g CO2äq/kg Milch, kalkulieren die LLH-Berater. Hier gibt es noch enormes Potenzial, das zurzeit aber nur wenige Landwirte nutzen, weil die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Biogaserzeugung aus Wirtschaftsdünger nicht passen. Wenn die Politik also einen Ansatzpunkt zum praktischen Klimaschutz sucht, wäre die Förderung der Güllevergärung ein geeignetes Mittel.
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