Die braunen Tiere mit breiter Brust und muskulösem Rumpf liegen entspannt im hinteren Teil des Stalls im Stroh. Die dunklen Augen heben sich vom weißen Fell des Kopfes ab. Die Kiefer malmen. Fast alle Fleckviehbullen kauen wieder.
Vorne am Futtertisch stehen noch mehr von den kräftigen Tieren und fressen. Ihr Fell ist glatt und glänzt in den Sonnenstrahlen, die durch die großen Stalltore dringen. Ein Bulle mit weißen Flecken hebt nach und nach jedes Bein an, während der Spaltenschieber unter ihm her fährt und den planbefestigten Boden am Fressplatz abschiebt. „Daran haben sich die Tiere schnell gewöhnt. Das bringt sie nicht aus der Ruhe“, freut sich Felix Pahlsmeier.
570 Bullen auf Stroh
Gemeinsam mit seiner Frau Eva und einem Auszubildenden betreibt der Bullenmäster einen landwirtschaftlichen Betrieb in Delbrück im Kreis Paderborn. Er mästet rund 570 Fleckviehbullen und bewirtschaftet etwa 160 ha landwirtschaftliche Fläche. Auf dem Feld baut er Mais (90 ha), Roggen (30 ha), Weizen (20 ha) und Feldgras (13 ha) an. Dann hat er noch 7 ha Grünland. Zum Betrieb gehört außerdem eine 75-kW-Biogasanlage. Diese läuft ausschließlich mit Mist.
Seit Oktober vergangenen Jahres hat das junge Paar mit drei Kindern begonnen, sich ein weiteres Standbein aufzubauen: Sie vermarkten einzelne Bullen direkt ab Hof in der „Beef Box“ und neuerdings auch im Versand (Kasten).
Stallbau mit Köpfchen
Alle Bullen stehen bei Pahlsmeiers auf Stroh, insgesamt in fünf verschiedenen Gebäuden: Vier Ställe sind als Zwei-Flächen-Ställe konzipiert, einer als Tretmiststall. Die Ställe, auch für die Endmast, sind zwangsbelüftet – sonst hätte es keine Baugenehmigungen gegeben.
Die Tiere haben, wie es die AFP-Förderung verlangt, ein Platzangebot von mindestens 4,5 m2. Pro Bucht stehen je nach Stall neun bis 25 Bullen. Der zweite Vorsitzende vom Arbeitskreis Rindermast beim WLV ist überzeugt von Großgruppen: „Die Bullen begehen sich gegenseitig weniger in größeren Gruppen als in kleinen.“ Das Tier-Fressplatzverhältnis liegt bei 1,2 : 1.
In den Zwei-Flächen-Ställen stehen die Tiere am Fressgitter auf planbefestigtem Boden und hinten im Stroh. „Dadurch haben wir keine Probleme mit übermäßigem Klauenwuchs“, erklärt Felix Pahlsmeier. Spaltenschieber sind in den beiden neuesten Ställen, Baujahr 2016, integriert. Diese laufen rund um die Uhr, da sie nicht nur Kot, sondern auch Mist mit abschieben müssen. Beides landet auf den überdachten Mistplatten vor den Ställen.
Aber auch der Tretmiststall hat Besonderheiten: Hinten in die Rückwand hat der Landwirt Fenster in die Leitplanken geflext. Die Bullen können rausgucken. Außerdem hat er die Schalentränken in die Fenster gesetzt. „Nun bleibt das frische Stroh vorne trocken, weil die Bullen hinten trinken.“ An der Rückwand der Buchten treten die Tiere den Mist auf den überdachten Mistgang. Von dort aus kann der Rinderhalter zudem gefahrenfrei die Tränken kontrollieren und säubern.
Dennoch ist Bullenhaltung auf Stroh auch aufwendig. Pahlsmeier streut die Tiere täglich mit einer Einstreumaschine ein. Normalerweise ist das Streuen eine staubige Angelegenheit – doch nichtin Delbrück. Denn der Familienvater hat sich etwas einfal-len lassen: Oben am Strohverteiler hat er eine Wasserdüse an-gebracht. Das Stroh wird so direkt befeuchtet. „Das klappt hervorragend, ich habe kaum noch Staub im Stall“, strahlt der Mäster. Rund 300 l Wasser verbraucht er täglich beim Streuen.
Je nach Wetter braucht er 2,5 bis 4 kg Stroh pro Tier und Tag. „Es ist wichtig, dass die Bullen trocken stehen und liegen, sonst geht das Randalieren los“, beschreibt der Landwirt. Außerdem verbraucht er im Tretmiststall 25 bis 30 % mehr Stroh als in den Zwei-Flächen-Buchten. Zum Streuen nutzt er am liebsten Weizen- oder Roggenstroh. Im Jahr benötigt er rund 1800 Quaderballen, 1000 muss er zukaufen.
Sechs verschiedene Rationen
Die Bullen sind bei Pahlsmeiers in sechs Altersgruppen sortiert. Jede Partie wird entsprechend ihres Alters und Bedarfs gefüttert, alle GVO-frei. Die Rationen bestehen aus Maissilage, Rapsschrot, 300 bis 500 g gemahlenem Weizenstroh, Melasse, damit das Stroh nicht staubt, einem Energieträger und Mineralfutter.
„Normalerweise habe ich auch gerne noch 2,5 bis 3 kg Grassilage pro Tier in der Ration. Diese ist aber aufgebraucht“, erklärt der Bullenmäster, denn er ist sich sicher: „Gras ist ein gesundes Eiweiß, welches die Tiere gerne fressen. Auch, wenn die Herstellung von Gras- im Vergleich zu Maissilage teurer ist, lohnt es sich.“ Außerdem sind die Tiere insgesamt ruhiger, wenn Gras mit in der Ration ist. Deshalb plant Pahlsmeier, sobald wie möglich den ersten Schnitt vom Grünland zu holen.
Hohe Tageszunahmen
Die letzten Tierdurchgänge hatten gute 800 g Netto-Lebenstagszunahme. Für hohe Zunahmen sind, neben den bedarfsgerechten Rationen, genaue Fütterungszeiten und -routine wichtig. „Füttern ist Chefsache“, ist sich Pahlsmeier sicher. Auch ist er davon überzeugt, dass der Trog vor dem Füttern etwa eine Stunde leer sein sollte, denn die Bullen sollen Schmacht haben.
Das Futter mischen und verteilen macht der Landwirt mit einem Selbstfahrer mit Horizontalschnecke. Mit diesem schafft er es, alle sechs Rationen in zwei Stunden zu füttern.
Der Arbeitstag des Familienvaters beginnt morgens um 7 Uhr: Futterreste verteilen, Ställe einstreuen, dann den Selbstfahrer befüllen. Wenn dieser mischt, säubert Pahlsmeier die Tröge und kontrolliert die Tränken. Im Anschluss verteilt er das Futter. Die Biogasanlage wird ebenfalls vormittags „gefüttert“. Gegen Abend schieben Azubi oder Chef das Futter an.
Fresser von einem Aufzüchter
Die Fleckviehfresser kommen mit einem Alter von rund 160 Tagen und mit einem Gewicht von 200 bis 220 kg zum Betrieb in Delbrück. Alle Tiere stammen aus einem Fresserbetrieb. Auf dem Hof angekommen, schert Pahlsmeier den Tieren ein paar Mal über den Rücken. „Dann schwitzen sie nicht und bekommen keine Erkältung.“
Neue Tiere erreichen den Hof alle zehn Wochen in 90er- oder 120er-Partien, je nach Stallgröße. In einem Fresserstall hat der Landwirt Kälberschlüpfe in die Trennwände integriert. „Wenn die Fresser von Anfang an in großen Gruppen stehen, ist es nachher in der Endmast einfacher.“
Die Tiere gehen mit etwa 570 Tagen zur Schlachtung. „Wir haben am liebsten schwere Bullen mit etwa 470 kg Ausschlachtung. Zu schwer dürfen sie aber nicht sein, sonst gibt es Abzüge.“ Totalverluste hat Pahlsmeier gerade mal 0,7 %.
Vermarktung stärken
Für die Direktvermarktung ist wichtig, dass die Bullen nicht zu schwer werden, damit die Teilstücke nicht zu groß sind, erklärt der Bullenfachmann. Aber auch die Vermarktung insgesamt liegt ihm am Herzen: „Wir müssen den Vermarktern als Mäster geschlossen gegenüberstehen. Nur so können wir gute Preise für unsere hochwertigen Produkte bekommen.“
Das will Pahlsmeier als zweiter Vorsitzender des neu gegründeten Vereins „Berufsverband Rindermast“ vorantrei-ben: „Denn wir können mit unseren Bullen ein perfektes Steak bieten: In Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet und geschlachtet. Das Steak muss nicht aus Argentinien kommen. Wir wollen die Gastronomie wieder zu deutschem Rindfleisch bringen.“
Bulle & Co. – Natürlich im Stroh
„Am 16. Oktober 2020 habe ich das erste Mal Fleisch ab Hof verkauft“, erinnert sich Eva Pahlsmeier. Vor sechs Wochen hat das Pärchen dann die „Beef Box“ geöffnet. Eva Pahlsmeier hat die „Box“ designt. Sie ist studierte Modedesignerin und brennt für die Direktvermarktung. Unter dem Slogan „Bulle & Co. – Na-türlich im Stroh“ verkauft die Familie knapp 30 verschiedene Artikel mit Rindfleisch. Von Rouladen über grobe Bratwurst bis zum Filet. „Absolute Renner sind momentan Shortrips und Roastbeef“, strahlt die Mutter.
Freitags können die Kunden ihr Fleisch bei der „Beef Box“ abholen, bis donnerstagabends sollen sie es bestellen. Aber dabei bleibt es nicht: Ab sofort ist die Ware auch online zu erhalten. Auf einer professionell gestalteten Homepage, ihrem Instagram-Kanal und bei Facebook bewirbt die Modedesignerin ihre Fleischprodukte und zeigt auch den Alltag im Bullenstall.
„Manche Familien kommen auch zum Einkaufen, weil die Kinder die Fresser besuchen wollen“, freut sich Eva Pahlsmeier. Sie haben einen kleinen Offenstall eingerichtet, bei dem die Besucher die Rinder selbst mit Maissilage füttern können. „Das ist für viele ein echtes Highlight. Auch unsere Kinder lieben das.“
Momentan vermarkten Pahlsmeiers im Monat zwischen acht und 24 Bullen direkt. Die Tiere werden bei einem Metzger in unmittelbarer Nähe (20 Autominuten) geschlachtet und zerlegt. Dort reift das Fleisch auch ab. „Der Metzger macht großartige Arbeit, auch der Umgang mit den Tieren ist toll“, freut sich die Landwirtsfrau. Zusätzlich gibt es das Fleisch auch bei Marktkauf in Paderborn an der Fleischtheke zu erwerben.
Am liebsten würde die Familie in Zukunft alle Bullen direkt vermarkten. „Das macht einfach viel Spaß und der Kontakt mit den Kunden ist toll“, sagt Eva Pahlsmeier.
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