Die extrem trockenen Sommer 2018 und 2019 haben so manchen Rinderhalter erfinderisch gemacht. Denn das Grobfutter war knapp. Viele Bullenmäster mussten Mais zukaufen. Doch oftmals hatte auch der zugekaufte Silomais einen viel zu geringen Stärkegehalt.
Manche Landwirte haben ihre Rationen aber auch mit Gras- oder Ganzpflanzensilage (GPS) gestreckt. Einige stellten dabei fest: Die Bullen sind ruhiger, glänzen und haben trotzdem gute Zunahmen. Wir haben mit Ralf Kortwinkel, produktionstechnischer Berater bei der Landwirtschaftskammer NRW und Bullenmäster im Nebenerwerb, über die Auswirkungen von Grassilage auf Mastbullen gesprochen.
Futteraufnahme kennen
Die Futteraufnahme bei Fleckviehbullen ist abhängig von der Jahreszeit. Im Sommer, bei hohen Temperaturen, fressen Bullen weniger als im Winter. „Insgesamt sollte Ziel sein, dass ein Endmastbulle 11 bis 12,5 kg Trockenmasse (TM) am Tag aufnimmt“, erklärt Kortwinkel. Dafür ist wichtig, dass Fütterungszeiten, Qualität des Futters und die Energiedichte (11 bis 11,3 MJ ME/kg TM) stimmen.
„Bullen müssen eine gewisse Menge an Energie aufnehmen. Ein Bulle, der nichts sagt, bringt keine Leistung.“ Damit meint der Berater, dass Bullen melden dürfen, wenn jemand den Stall betritt, das habe nichts mit dauerhafter Unruhe zu tun.
SARA führt zu Abgängen
Bei einer zu energiereichen Fütterung kann es passieren, dass der Pansen der Rinder übersäuert. Dann besteht die Gefahr von frühzeitigen Abgängen oder Ausfällen. „Das ist ein schmaler Grat, Bullen leistungsgerecht und trotzdem wiederkäuerfreundlich zu füttern“, weiß Kortwinkel.
Sind Bullen unruhig, kann eine subakute Pansenazidose (SARA) die Ursache dafür sein. Sie ist bekannt bei Milchkühen, aber kann genauso im Bullenstall vorkommen. Bei einer SARA bewegt sich der pH-Wert im Pansen über mehrere Stunden zwischen 5,5 und 6,1. Im Ergebnis kann es zu einer Belastung des Immunsystems der Tiere, zu Schwanzspitzennekrosen, zu schmerzhaften Entzündungen der hinteren Fesselgelenke oder Durchfällen kommen. „Langfristig zeigt SARA eine verringerte Futteraufnahme, geringere Zunahmen und mehr vorzeitige Abgänge im Bestand“, fasst Kortwinkel zusammen.
Um der Pansenazidose oder Übersäuerung der Tiere vorzubeugen, ist eine wiederkäuergerechte Fütterung mit genügend Struktur notwendig. Eine Möglichkeit, Struktur in die Ration zu bekommen, ist, Grassilage einzusetzen.
Höhere Pufferkapazität
Allerdings muss auf die Qualität der Grassilagen geachtet werden: „In der Regel ist der erste Schnitt der beste und danach lassen die Qualitäten nach.“ Die Gehalte an leicht löslichen Kohlenhydraten in Grassilage sind deutlich geringer als die der Maissilage. Außerdem wird Grassilage häufig auf 3 bis 4 cm Partikellänge gehäckselt. „Eine gewisse Partikellänge ist notwendig, damit der Pansen funktioniert“, so Kortwinkel.
Ist die gefressene Ration zu kurz, kann die Haube den Mageninhalt nicht ausreichend sortieren und die Partikel gelangen zu schnell in den Labmagen. „Die Pansenmotorik ist herabgesetzt, die Passagerate zu hoch und es finden sich im Kot zu viele unverdaute Bestandteile wieder.“
Besondere Vorsicht im Sommer
Gerade im Sommer bei Hitze ist zu beobachten, dass Mastbullen weniger liegen und die Atemfrequenz erhöht ist. Dadurch kauen die Rinder weniger wieder. „Eine geringere Wiederkauintensität führt zu weniger Bildung von Natrium-Bikarbonat“, erklärt der Nebenerwerbslandwirt. Die Folge sind zu niedrige pH-Werte im Pansen und folglich eine SARA.
Grassilage hingegen reduziert den Überschuss an leicht löslichen Kohlenhydraten im Pansen, verhindert somit einen schnellen pH-Wertabfall und erhöht, aufgrund ihrer besseren Mineralisierung, die Pufferkapazität. Deshalb ist häufig zu beobachten, dass Bullen ruhiger sind, wenn Grassilage in der Ration ist.
„Für die Tiergesundheit ist Grassilage positiv zu bewerten, wenngleich sie auch teurer ist und die Zunahmen nicht steigert“, beschreibt der Berater.
Eiweiß und Energie
Wenn Grassilage in die Ration kommt, verschiebt sich das Verhältnis von Protein und Energie. „Das was der Grassilage an Energie fehlt, holt sie an wertvollem Protein raus. Das bedeutet, Energie muss der Ration zugefügt werden, aber dafür kann an anderer Stelle an Eiweiß gespart werden“, erklärt Kortwinkel. Für sinnvoll hält er 10 bis 30 % Grassilageanteil in der Ration im Hochsommer. „Auch 10 % helfen schon als Leckerli.“
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) untersuchte den Einsatz von Grassilage in der Bullenmast. Im Versuch verglichen die Forscher drei Versuchsgruppen: Eine wurde nicht mit Grassilage gefüttert, eine mit 30 % und eine mit 60 % Grassilageanteil in der Totalen Mischration (TMR). Das Kraftfutter wurde dementsprechend angepasst. Das Endgewicht erreichten die Tiere mit der Ration mit 30 % Grassilage am schnellsten. Die täglichen Zunahmen, Ausschlachtung und Schlachtkörperklassifizierung änderten sich laut LfL nicht zwischen den Gruppen. Das Ergebnis der Forscher: Der teilweise Ersatz von Mais- durch gute Grassilage in Rationen in der Bullenmast hat nur geringe Auswirkungen auf Mast- und Schlachtleistungen.
Berater Kortwinkel würde den Einsatz von 30 % Grassilage in der Ration empfehlen und rechnet nicht mit Leistungseinbußen. Sicherlich entscheiden vor allem die Verfügbarkeit und die Kosten von Grassilage über den betrieblichen Einsatz, verdauungsphysiologisch macht der Einsatz aber Sinn.
Einsatz von Ganzpflanzensilage
In trockenen Sommern können Rationen auch mit GPS gestreckt werden. „Allerdings eignet sich GPS wirklich nur zum Strecken einer Ration, nicht zum Mästen. Denn die Zunahmen bleiben oft auf der Strecke und die Qualität sowie der Ertrag des Futtermittels sind unbefriedigend“, berichtet Kortwinkel. Bei der Ganzpflanzensilage ist es schwer, den richtigen Erntezeitpunkt zu finden und auch die Körneraufbereitung gestaltet sich oftmals problematisch.
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