Mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung hat sich am Freitag vergangener Woche (20.11.2020) das Agrarforum Oldenburger Münsterland (AEF) befasst.
Das Ziel der Bundesregierung, mit dem Gerüst des Borchert-Plans, die Tierhaltung in Deutschland zu mehr Tierwohl umzubauen, wird von den Mitgliedern positiv aufgenommen. Grundsätzlich müsste Ziel die Beibehaltung vorhandener Tierzahlen ebenso wie die Sicherung und Weiterentwicklung des Beschäftigungspotenzials sein.
Fragen bleiben offen
Aus einer Mitgliederbefragung ergaben sich jedoch zahlreiche offene Fragen: Deckt die anvisierte Tierwohlprämie die Kosten für den Umbau und durch eventuell verminderte Tierzahlen bedingte entgangene Erlöse? Greifen die Verbraucher schlussendlich wirklich zu den höherpreisigen und heimischen Tierwohlprodukten? Und: Wie können die Bauanträge im Bau- und Immissionsschutzrecht für Umbauten und Ersatzbauten schnell und unkompliziert genehmigt werden?
Die Arbeitsergebnisse der AEF-Arbeitsgruppe „Zukunft der Nutztierhaltung“
Tierwohlkriterien: Bei den Tierwohlkriterien der Stufen 1-3 sind die Anforderungen hinsichtlich Besatzdichten in der Schweinehaltung und der Masthähnchenhaltung als erste Entwürfe in Zahlen gefasst. Vor einer finalen Abstimmung müssen die damit verbundenen Kosten ermittelt werden. In den Nutztierhaltungsverordnungen muss zunächst der gesetzliche Standard festgelegt sein. Hier muss die Gesetzgebung Grundlagen für die weitere Definition der Tierwohlstufen liefern.
Finanzierungsmodell: Die zu erarbeitenden Tierwohlstufen müssen auf EU-Ebene abgestimmt sein. Mehrkosten für die betroffenen Tierarten sind belastbar für Schweine berechnet worden. Aufgrund fehlender Definitionen der Tierwohlkriterien und Stufen für Geflügel und Rind kann der Mehraufwand für diese Spezies noch nicht benannt werden. Diese finanziellen Auswirkungen müssen alsbald berücksichtigt werden.
Die AEF-Mitglieder sehen die Einführung eines verpflichtenden Tierwohllabels als notwendig an, um eine breite Marktdurchdringung zu ermöglichen. Dieser Wunsch stößt allerdings auf das Problem, dass eine EU-Förderung offensichtlich nur bei freiwilligen Verfahren rechtlich durchsetzbar zu sein scheint. Die Kosten und der Gesamtaufwand müssen ermittelt werden.
Die mengenmäßige Tierwohl-Abgabe auf Fleischprodukte 0,40 €/kg für jegliches an der Theke verkaufte Fleisch ist einfach und nachvollziehbar. Es ist aber zu bedenken, dass eine derartige Vorgehensweise zu Benachteiligungen durch unterschiedliche prozentuale Preiserhöhungen bei den unterschiedlichen Tierarten führt.
Die Art der Förderung ist dagegen noch weitgehend unklar. Sowohl Investitionsförderung, als auch Vergütungen der Mehraufwendungen über Stückkostenentlohnung sind angedacht, so Prof. Grethe. Letzteres wird bevorzugt, um nicht zu stark in kostenintensive Technik und Beton zu investieren und auf Jahre auf bestimmte Haltungssysteme fixiert zu sein.
Es wird vom AEF als notwendig angesehen, dass die Abgabe auch in der Gastronomie und bei dem Großhandel erhoben wird. Es fehlen zudem jegliche Informationen über die Ausschüttung der Gelder und wer die Kontrollen zur Einhaltung der Kriterien durchführen soll. In einer Machbarkeits- und Folgenabschätzungsstudie wird der Borchert-Plan umfassend untersucht. Das Ergebnis wird gesondert zu diskutieren sein.
Genehmigungsrecht: Auch Ersatz- bzw. Ergänzungsbauten müssen alternativ zum Umbau möglich werden, um die Tierplatzzahl zu erhalten, denn am Ende muss die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gesichert werden können.
Um den Weg zu mehr Tierwohl zu ebnen, muss vom Gesetzgeber das Baurecht und Immissionsschutzgesetz angefasst werden. Der Umbau der Ställe auf Stufe 2 und 3 erfordert Zugang zu Außenklimabereichen. Ein solcher Umbau erfordert z.B. in der Schweinehaltung den baulichen Umbau auf Großgruppen und Außenklimabereiche. Gebäude müssen dazu entkernt und Dächer angeschleppt werden. Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen dazu Ersatz- und Ergänzungsbauten errichten.
Für das Baurecht gibt es bereits einen Gesetzentwurf, der dem Bundestag vorgelegt wurde, in dem die Privilegierung landwirtschaftlichen Bauens bei bestehenden Genehmigungen für Umbauten zu Tierwohl weiterhin sichergestellt werden soll. Die Privilegierung ist nur für einen bestimmten Zeitraum weiter vorgesehen. Diese zeitliche Begrenzung sollte gestrichen werden. Ersatz- und Neubauten sollten ebenfalls möglich sein.
Es wird vom AEF als sinnvoll angesehen, dass der Bund mit dem Baugesetzbuch zunächst einen groben Rahmen zur Verfügung stellt und die Bundesländer den Rahmen ausfüllen. Außerdem sollte von einer 2GV/ha-Grenze Abstand genommen werden. In Niedersachsen und im Raum Oldenburger Münsterland wird diese Grenze als nicht sinnvoll angesehen.
Um die Schwierigkeiten beim Immissionsschutzrecht zu lösen, liegt ein Vorschlag zur Erweiterung der Verbesserungsgenehmigung im Bundesimmissionsschutzgesetz vor. Mit einem zusätzlichen Absatz im §6 BImSchV sollen Umbauten, die der Verbesserung des Tierwohls dienen, ohne neue Immissionsschutzprüfung möglich sein, wenn die Emissionen am Standort nachweislich nicht erhöht werden. Für die Genehmigungsbehörden ist dazu auch die exakte Definition, was unter dem Begriff Tierwohlverbesserung zu verstehen ist, notwendig.
In der Genehmigungspraxis müssen ebenfalls grundsätzliche Änderungen vorgenommen werden. Es fehlen für neue Haltungssysteme weitgehend die Emissionswerte für Ammoniak, Staub und Geruch, die durch Messungen zu ermitteln sind.
Haltungsstufen: Bisher nicht berücksichtigt, aber von großer Bedeutung wird die Beibehaltung des Selbstversorgungsgrades in Deutschland sein. Die Umsetzung und Einführung von Stufen zum Tierwohl können nur erfolgen unter Beachtung und Entwicklung des Selbstversorgungsgrades mit einem Grenzwert zwischen 90-100 %. Wenn dieser unterschritten wird, wird der LEH auf günstigere ausländische Ware zurückgreifen (müssen).
Obwohl die Abgabe auch auf importierte Ware erhoben werden soll, sind die Produktionskosten niedriger und der Thekenpreis wird günstiger sein. Erfahrungsgemäß reagiert der Verbraucher bei Lebensmitteln sehr preissensibel und es kann dazu führen, dass die deutsche Tierwohlware nicht wie gewünscht abgesetzt wird.
Das pauschalierte Argument, dass wegen der Klima- und Umweltschädlichkeit die Nutztierhaltung ohnehin zurückgebaut werden muss, ist nach Ansicht der AEF-Arbeitsgruppe für das Ziel des Borchert-Planes, das Tierwohl zu erhöhen, nicht zielführend. Der AEF hat zu diesem Thema in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Witzke eine wissenschaftliche Ausarbeitung erarbeiten lassen. Ein EU-Rechtsproblem könnte auch die zeitgleiche Einführung einer Abgabe und die Förderung der Tierhaltung in Deutschland werden, die als „Maut-Falle betitelt wird. Dies muss zunächst noch sehr genau geprüft werden.