Mehr Tierwohl als Erfolgsrezept für die Zukunft? Viele Mäster denken darüber nach, sich einem Tierwohlprogramm anzuschließen, um sich am heimischen Markt einen höheren Preis zu sichern. Doch welche Programme gibt es? Wo unterscheiden sie sich? Und wie hoch ist der Bonus für die Mehraufwendungen?
Wir stellen in einer Übersicht die drei „großen“ Programme in NRW vor. Alle drei produzieren in Stufe 3 der „Haltungsform“. Dieses Siegel ist vom Lebensmitteleinzelhandel ins Leben gerufen und definiert worden. In der Schweinemast gelten folgende Grundanforderungen für Stufe 3:
- 40 % mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben – das sind 1,05 m² pro Tier
- Stallhaltung mit Außenklimareizen, mindestens Offenfrontstall
- Zusätzlich zum gesetzlich geforderten organischen Beschäftigungsmaterial ist Stroh oder vergleichbares Material als Einstreu oder Raufutter vorgeschrieben.
- Futtermittel ohne Gentechnik.
Zuschlag fürs Ferkel?
Die drei „Big Player“ in NRW sind Bauernliebe, Wertschätze und Fairfarm. Ein Blick auf die Anforderungen und Konditionen zeigt schnell, dass die Kriterien der Haltungsform lediglich ein Grundgerüst sind. Jedes Programm sattelt eigene Programmanforderungen auf – je nach Unternehmensphilosophie und Vermarktungsstrategie. Vorbedingung ist bei allen Programmen die Teilnahme an QS und ITW. Bauernliebe nimmt nur Mäster aus NRW auf.
Die Ferkel müssen bei allen drei Programmen aus Deutschland stammen. Bei Bauernliebe ist die ITW-Teilnahme des Sauenhalters künftig verpflichtend. Damit auch die Ferkelerzeuger in der Kette profitieren, ist seit dem Anfang 2022 für neue Verträge ein Mindestpreis von 40 € für 25-kg-Ferkel vorgeschrieben, plus Qualitäts- und Mengenzuschläge.
Fairfarm schreibt bei Ferkeln zusätzliche Tierwohlkriterien vor mit dem Langfristziel Ringelschwanz. Sauenhalter und Mäster sollen sich auf einen betriebsindividuellen Ringelschwanzbonus einigen.
GVO-frei ab wann?
Alle drei Programme schreiben GVO-freies Futter vor. Dabei beschränken sich Bauernliebe und Fairfarm bei der GVO-Freiheit auf die Mast. Das Wertschätze-Programm fordert die GVO-freie Fütterung entsprechend dem Gentechnik-Gesetz für mindestens vier Monate vor der Schlachtung. Damit muss die Fütterung schon in der Ferkelaufzucht umgestellt werden. Zusätzlich fordert Kaufland, dass über die Hälfte der Futtermittel aus regionaler Produktion stammt.
Auch beim Raufutter sind die Kriterien unterschiedlich. Während Bauernliebe eingestreute Bereiche im Stall oder einen eingestreuten Auslauf vorgibt, reicht bei Wertschätze auch eine Strohraufe, während bei Fairfarm Raufutter zur dauerhaften Beschäftigung der Tiere vorhanden sein muss.
Mindestpreis oder Festpreis
Fairfarm-Mäster können zwischen einem Festpreis- und einem Marktsystem wählen. Entweder erhalten sie einen Festpreis von 1,95 €/kg SG. Oder es gilt die VEZG-Notierung als Preisbasis. Dann wird ein Mindestpreis von 1,40 €/kg garantiert.
Der Basispreis im Wertschätze-Programm orientiert sich an der aktuellen VEZG-Notierung. Ein Mindestpreis von 1,40 € darf nicht unterschritten werden.
Bauernliebe arbeitet mit der durchschnittlichen VEZG-Notierung des zurückliegenden Quartals. Nach unten fängt ein dynamischer Mindestpreis die Mäster auf. Dieser entspricht dem Mittel der VEZG-Notierung der letzten fünf Jahre.
Aktuell liegt der Bauernliebe-Mindestpreis bei 1,53 €/kg SG. Doch fallen ab dem nächsten Quartal nach und nach die teils sehr hohen Notierungen des Jahrs 2017 heraus. Stattdessen rückt das niedrigere Niveau von 2021 nach, sodass der Mindestpreis sinken wird.
Mit oder ohne ITW-Bonus
Auch die Preisaufschläge sind sehr unterschiedlich.
Bei Fairfarm ist mit dem Festpreis alles abgegolten, auch der ITW-Bonus. Entscheidet sich der Landwirt für das Marktmodell, so bekommt er neben dem ITW-Bonus einen HF-3-Bonus in Höhe von 0,25 €/kg Schlachtgewicht.
Bauernliebe zahlt zusätzlich zum ITW-Bonus von 5,28 €/Tier einen Bauernliebe-Bonus von 20 €/Tier. Hinzu kommen die Mengen- und Qualitätszuschläge des Bestschwein-Vertrags.
Das Wertschätze-Programm kehrt zusätzlich zum ITW-Bonus von 5,28 €/Schwein einen Tierwohlbonus in Höhe von 12 €/Tier aus. Dazu kommen 10 €/Tier Futterbonus, um die höheren Kosten der GVO-freien Fütterung auszugleichen. Aufgrund der angespannten Lage auf den Eiweißmärkten wurde der Futterbonus derzeit auf 14 €/Tier angehoben.
Weite oder enge Maske?
Genauso unterschiedlich wie die Boni sind die Preismasken:
Wertschätze rechnet nach einer gestaffelten Maske auf der Basis von 57 % Magerfleischanteil (MFA) ab. Zu den genauen Zu- und Abschlägen hat Kaufland keine Auskunft gegeben.
Bei Fairfarm werden die Schweine beim Festpreis- und beim Marktmodell nach MFA abgerechnet. Oberhalb von 59 % MFA sind 2 Cent Zuschlag möglich. Zwischen 56 und 59 % MFA werden 2 Cent/% MFA abgezogen, darunter verdoppelt sich der Abschlag. Auch beim Gewicht gibt es gestaffelte Abschläge: Unterhalb von 80 kg und oberhalb von 110 kg SG werden 2 Cent/kg abgezogen, zwischen 105 und 110 kg sind es 1 Cent/kg.
Bauernliebe hat eine einfache Maske. Das angestrebte Schlachtgewicht liegt zwischen 100 und 105 kg. Der abzugsfreie Korridor reicht von 90 bis 115 kg Schlachtgewicht und von 50 bis 65 % MFA. Für Schweine außerhalb des Korridors werden einmalig je 5 Cent/kg abgezogen.
Die längsten Vertragslaufzeiten bietet derzeit Bauernliebe mit bis zu fünf Jahren. Fairfarm macht Dreijahresverträge. Wertschätze gibt die Laufzeit mit ein bis drei Jahren an – nach individueller Absprache auch länger.
Flexibel bleiben
Jeder Betriebsleiter muss sich individuell mit den verschiedenen Programmen auseinandersetzen, ihre Vor- und Nachteile abwägen und ihre Absatzchancen einschätzen. Eine Lösung, die für alle passt, ist aktuell nicht in Sicht.
Wie lange will ich mich binden? Bin ich „einstreukompatibel“? Wie sind die baulichen und genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen auf meinem Betrieb? Ist mir eine kontinuierlich gleiche und planbare Auszahlung wichtig? Oder möchte ich am Marktgeschehen beteiligt sein?
Wird der Festpreis favorisiert, ist es sinnvoll, mit dem Ferkelerzeuger ebenfalls einen Festpreis zu vereinbaren. Ansonsten können steigende Ferkelkosten in einer Hochpreisphase den Spaß am Vermarktungsprogramm gehörig schmälern.
Bauernliebe strebt an, nach und nach die Ferkelherkunft auf ITW-Betriebe umzustellen und dem Ferkelerzeuger einen Mindestpreis in Höhe von 40 €/Ferkel zu garantieren. Damit schwindet der aktuelle Vorteil der Mäster, die den Mindestpreis bei sehr geringen Ferkelkosten erhalten.
Bereits vor dem Neu- oder Umbau des Stalls sollte man darauf achten, möglichst flexibel von einem Vermarktungsprogramm in ein anderes wechseln zu können. Denn es ist ungewiss, wie sich die Programme künftig entwickeln.
Derzeit müssen alle Mehrkosten für Umbau und Betrieb von Ställen vom Vermarktungspartner entlohnt werden. Ob die Borchert-Pläne noch umgesetzt werden oder eine andere Form staatlicher Subventionierung kommt, ist unklar.
Gleichzeitig will der neue Landwirtschaftsminister Özdemir die Haltungskennzeichnung vorantreiben. Wie kompatibel die mit der Haltungsform (HF) des LEH sind, weiß niemand. Bislang fordert die zweite Stufe des staatlichen Tierwohllabels, die in vielen Punkten HF 3 entspricht, mit 1,1 m² pro Tier etwas mehr Platz. Doch können künftig ganz andere Kriterien eine Rolle spielen.
Lesen Sie demnächst im Wochenblatt, wie die einzelnen Programme bei der Wirtschaftlichkeit abschneiden.
Ein Beispiel für einen Fairfarm-Betrieb finden Sie in folgendem Artikel: