Wochenblatt: Ende 2020 hat der Bundesrat eine Privilegierungsregelung für Tierwohlställe gefordert. Die hat der Bundestag beim Baulandmobilisierungsgesetz abgeschmettert. Ist damit der Zug fürs landwirtschaftliche Bauen abgefahren?
Friedemann: Es ist wirklich höchst ärgerlich, dass Tierwohlställe und die drängenden Fragen zur Umstellung der Sauenhaltung nicht im Baulandmobilisierungsgesetz geregelt wurden – allen Lippenbekenntnissen der Parteivertreter zum Trotz. Doch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Auf Antrag von NRW hat der Bundesrat offiziell festgestellt, dass es an baurechtlichen Vorgaben fehlt, „um einen Umbau von Tierhaltungsställen hin zu mehr Tierwohl zu unterstützen.“ Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, „bei der nächsten Änderung des Baugesetzbuches die baurechtlichen Regelungen dergestalt anzupassen, dass der gesellschaftspolitisch gewollte Transformationsprozess hin zu mehr Tierwohl unterstützt wird.“ Selbst wenn die Umsetzung also noch auf sich warten lässt – noch ist nichts verloren.
Aber die Abstimmung zum Baulandmobiliserungsgesetz ist gelaufen. Wie soll sich jetzt noch etwas zum Besseren wenden?
Es gibt einen weiteren Gesetzentwurf zur „Verbesserung des Tierwohls in Tierhaltungsanlagen“. Zwar entspricht die Formulierung derzeit nicht den Wünschen der Landwirtschaft. Doch befindet sich der Entwurf noch in der Beratung, sodass nachgebessert werden kann. Da die Legislaturperiode bald endet, sollten die Landwirte ihre Bundestagspolitiker lautstark aufrufen, diesem Gesetzentwurf endlich Leben einzuhauchen.
Was bedeutet der „Schwebezustand“ für Sauenhalter, die wegen des Deckzentrums beim Bauantrag unter Termindruck stehen?
Sauenhalter, die bereits heute den Antrag stellen, müssen damit rechnen, dass dieser am Ende nicht genehmigungsfähig ist, weil er den baurechtlichen Vorschriften nicht entspricht. Das wäre mehr als ärgerlich, da Zeit und Geld für die Genehmigung verloren sind.
Was also raten Sie Ferkelerzeugern, die auf Zukunft setzen?
Sie sollten die kurzfristige Entwicklung abwarten. Aber nicht untätig bleiben, sondern die Zeit für bauamtsreife Konzepte nutzen. Damit können sie bei geänderter Gesetzeslage umgehend einen Antrag stellen. Der Fokus sollte auf der Änderung der bisherigen Gebäude liegen. Hinter den Kulissen wird daran gearbeitet, auch Gebäudeerweiterungen zu ermöglichen. Für Ersatzbauten scheint die Politik derzeit noch nicht bereit.
Sind die Genehmigungsvoraussetzungen erst geschaffen, stehen die Erfolgsaussichten für einen Umbauantrag grundsätzlich gut.
Was bedeutet das für Schweinehalter, die mit einem Auslauf oder einem Außenklimastall á la Borchert liebäugeln?
Wer einen Stall um Außenklima oder Auslauf erweitern, um- oder neubauen will, muss die Regelungen des Immissionsschutzes beachten. Hier gilt: Abwarten! Doch könnten die Immissionsschutzvorgaben schon mal von einem Sachverständigen gecheckt werden.
Stichwort Immissionsschutz: Seit fünf Jahren wird um die Reform der TA Luft gerungen. Ende Mai hat der Bundesrat zugestimmt. Kommt jetzt der Abluftfilter?
Der Bundesrat hat die Novelle zur TA Luft abgesegnet. Aber unter der Maßgabe, dass mehr als 200 Änderungsanträge einzuarbeiten sind. Die Lage ist unübersichtlich, verschriftlicht liegt noch nichts vor. Bislang ist Folgendes bekannt:
- Die umfassende Reform betrifft fast alle Genehmigungslagen. Sie gilt grundsätzlich bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen. Doch ebenso, wenn Änderungen beantragt oder nachträglich angeordnet werden. Selbst Verbesserungsgenehmigungen fallen darunter, die zu einer Verbesserung der Emissionslage führen.
- Regelungen zur Geruchsbewertung und zur Stickstoffdeposition sind in die TA Luft integriert worden. Sie werden künftig bei BImSch-Verfahren immer angewendet. Doch auch bei Vorhaben, die „nur“ baurechtlich genehmigt werden müssen, sollen sie „als Erkenntnisquelle“ herangezogen werden. Inwieweit damit Ausnahmen für baurechtlich genehmigte und/oder Tierwohlställe möglich sind, ist noch nicht entschieden.
- An immissionsschutzrechtlich genehmigte Ställe werden deutlich höhere Vorsorgeanforderungen gestellt, um Belastungen oder Schäden für Umwelt und Gesundheit zu vermeiden. Ausnahmen gelten bei ökologischer oder biologischer Bewirtschaftung. Ebenso für „qualitätsgesicherte Haltungsverfahren“. Welche Stallart damit genau gemeint ist, muss noch definiert werden – bestenfalls abgestimmt auf die Nutztierstrategie.
Und was gilt jetzt in Bezug auf den Abluftfilter?
Anlagen mit mehr als 2000 Mast- bzw. 750 Sauenplätzen, sogenannte E-Anlagen, sind verpflichtet, ihre Ställe nachzurüsten. Es zählt die Platzzahl im Betrieb, also für BImSch-Betriebe über den höchsten BImSch-Grenzen.
Der Abluftwäscher kommt
Durch die Abstimmung zur TA Luft gelten für immissionsschutzrechtlich zu genehmigende Stallanlagen grundsätzlich folgende Punkte:
- Pflicht zur Mehrphasen-Fütterung mit konkreten Vorgaben, um die Nährstoffausscheidungen zu begrenzen. Landwirte müssen dies über zehn Jahre dokumentieren. Die Werte werden überwacht.
- Bei jedem zwangsgelüfteten Stall soll ein späterer Filtereinbau möglich sein.
- Abluftreinigungsanlagen werden für neue E- und G-Anlagen Pflicht. Bestehende BImSch-Betriebe mit mehr als 2000 Mast- oder 750 Sauenplätzen müssen innerhalb von fünf Jahren nachgerüstet werden. Wartung, Funktionsprüfungen und elektronisches Betriebstagebuch werden überwacht. Ausnahmen gelten für qualitätsgesicherte Haltungsverfahren oder bei technischer Unmöglichkeit, wenn etwa die Stabilität der Dachkonstruktion nicht reicht oder dezentral entlüftet wird. Dann muss anstelle des Abluftfilters die Emission um 40 % gemindert werden. Bei tiergerechten Außenklimaställen reichen 33 %.
- Diese Emissionsminderungen werden auch bei kleinen BImSch-Anlagen gefordert, sprich 1500 bis 2000 Mast- bzw. 560 bis 750 Sauenplätze. Ausnahmen gelten auch hier für qualitätsgesicherte Haltungsverfahren, Nachrüstung von Emissionsminderungsmaßnahmen wie Güllekühlung ab 1.1.2029.
- Güllebehälter müssen durch Folie, feste Abdeckung oder Zeltdach abgedeckt werden, um die Ammoniakemission zu mindern – neue immissionsschutzrechtliche Anlagen um 90 %, Bestandsanlagen um 85 %. Strohhäcksel- oder Granulatdecken sind ausgeschlossen.
- Festmistlager benötigen als Un-tergrund wasserundurchlässige Betonplatten, zusätzlich eine Umwandung und ein Dach. Das ganze auf möglichst kleiner Fläche.
Einerseits die Forderung nach Abluftfiltern, andererseits die Förderung von Außenklimaställen. Wie passt das zusammen?
Gerade in Veredlungsregionen wird die Beurteilung des Geruchs ein Problem. Für bodennahe Quellen gibt es bislang keine Emissionswerte. Zudem sind keine passenden Methoden bekannt, um die Lage genau zu beurteilen. Derzeit wird ausgiebig geforscht. Konkrete Ergebnisse, die flächendeckend angewendet werden können, liegen jedoch nicht vor.
Neu ist, dass ein Mindestabstand von 100 m zur Wohnbebauung eingehalten werden muss. Dabei müssen jetzt auch einzelne Wohnhäuser im Außenbereich berücksichtigt werden, sofern sie nicht dem Betrieb zugeordnet sind.
NRW hat unter Ex-Landwirtschaftsminister Remmel die Bioaerosole in die Beurteilung einbezogen. Ist das noch aktuell?
Das Thema Bioaerosole war und ist in der TA Luft heftig umstritten. Erst wurden Regelungen eingefügt, dann wieder herausgenommen, zuletzt wieder eingefügt. Auch hier heißt es, dass als Erkenntnisquelle für relevante Anlagen die Richtlinie VDI 4250 Blatt 3 dient. Was das konkret bedeuten soll, bleibt unklar. Maßgebliche Verschärfungen finden sich auch in den baulichen und betrieblichen Anforderungen. Diese sind grundsätzlich mit den Erfordernissen einer tiergerechten Haltung abzuwägen, soweit diese Form der Tierhaltung zu höheren Immissionen führt. Den Genehmigungsbehörden ist damit ein Türchen für Einzelfallentscheidungen geöffnet.
Viele dieser Änderungen überfordern die Tierhalter. Teilweise ist die notwendige Technik noch gar nicht zugelassen.
Das sieht der Bundesrat auch so. Deshalb weist er in einem ausführlichen Entschließungsantrag darauf hin, dass es den Tierhaltern faktisch nicht möglich ist, die Umsetzungsfristen einzuhalten. Der Bundesrat fordert daher von der Bundesregierung zeitlich begrenzte Ausnahmen.
Auch wird ausdrücklich auf die gesellschaftlichen Erwartungen an den Umbau der Tierhaltung hingewiesen. Der Bundesrat fordert, alle Kriterien dafür zu harmonisieren – sozusagen ein Wink mit dem Zaunpfahl zur Nutztierstrategie.
Gelten die neuen Regelungen sofort oder gibt es Reserven?
Die Umsetzung der TA Luft wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da die vielen Änderungsanträge noch vom Bundesumweltministerium in den Rechtstext eingearbeitet werden müssen. Danach gibt es eine Frist von drei Monaten, bis die TA Luft in Kraft tritt. Es ist also damit zu rechnen, dass sie erst ab Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres gelten wird. Die Zwischenzeit kann genutzt werden, um den Antrag zu stellen, sobald das Baurecht geändert ist.
Können Tierhalter mit einer bestehenden BImSch-Genehmigung sich beruhigt zurücklehnen, weil sie Bestandsschutz haben?
Das glauben viele Landwirte. Doch das stimmt nicht. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon 2010 entschieden, als die Käfighaltung von Hennen verboten wurde. Vielmehr ist den Anlagenbetreibern eine Anpassung an nachträgliche Rechtsänderungen zumutbar. Das gilt umso mehr, wenn Übergangsfristen vereinbart sind. Eine Entschädigung für den Entzug ist nicht vorgesehen.
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