Rund 1 bis 1,3 Mio. kg Milch sichert Söhnke Schlichtmann jährlich über das Festpreismodell des Deutschen Milchkontors (DMK) ab. „Auf der Onlineplattform ,Fixed Price‘ habe ich den Milchpreis für diese Milchmenge jetzt bereits bis Februar 2022 abgesichert“, erklärt der Milchviehhalter aus dem niedersächsischen Oldendorf bei Stade. Mitglieder der Genossenschaftsmolkerei können seit Herbst 2020 bis zu 30 % ihrer Milchmenge absichern. Der Festpreis ersetzt dann den DMK-Grundpreis und wird mit Zuschlägen für die tatsächlich gelieferte Milchmenge gezahlt. Im vergangenen Jahr lieferten Schlichtmanns 5,5 Mio. kg Milch an die Molkerei.
Milch mit Festpreis absichern
Die Milchviehhalter aus Stade haben bereits die Pilotphase der Onlineplattform begleitet. „Wir setzen uns schon länger mit dem Thema Börsenhandel auseinander.“ Doch, weil der Betrieb mit 530 Kühen plus Nachzucht in den vergangenen Jahren bereits viel investiert hat und an der Börse für die Absicherung einer großen Milchmenge viel Liquidität vorgehalten werden muss, bot sich dieses System nicht an. „Fixed Price“ der DMK kam für die Familie somit genau zur richtigen Zeit.
Abgesehen davon, dass für Milchviehhalter keine extra Kosten anfallen, schätzt Schlichtmann am Modell: „Wir müssen die Milch nur jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat absichern. So beschäftigen wir uns zwei Mal im Monat intensiv mit dem Milchmarkt, müssen die Börse aber nicht täglich im Blick behalten.“ Außerdem lobt der Landwirt: „Man bekommt nicht alle Spitzen und Täler von den Milchpreisen mit und kann zumindest für einen Teil der Milch mit einem festen Preis planen.“ Das bedeutet für den 40-Jährigen ein Stück Sicherheit: „Festpreise sind eine Art, das eigene Einkommen abzusichern.“ Auch in Gesprächen mit der Bank, sind Festpreise hilfreich in der Argumentation.
In Zukunft würde sich der Milchviehhalter wünschen, noch mehr Milch bei dem DMK absichern zu können. Außerdem rät er seinen Berufskollegen, sich mit dem Thema zu beschäftigen und so für die eigene Planungssicherheit zu sorgen. „Denn man muss nicht nur Molkereilieferant sein und zu vorgegebenen Konditionen seine Milch abliefern, man kann auch aktiv am Marktgeschehen teilnehmen.“
Direktvermarktung als Steckenpferd
Für Christoph Billmann aus Waltrop, Kreis Recklinghausen, steht fest: Die Direktvermarktung ist und bleibt für seinen Betrieb der Weg der Zukunft. Was seine Eltern, Heiner und Adelheid, 1994 im kleinen Stil aufbauten, führt der 21-Jährige heute fort. Angefangen haben Billmanns mit dem Verkauf von Vorzugsmilch an Privathaushalte. Ein paar Jahre später folgte die Erweiterung der hofeigenen Molkerei zur Herstellung von Joghurt und Milchmischgetränken. Die Produkte „made by Billmann“ kamen gut an – auch in regionalen Rewe- und Edeka-Märkten.
Seit zwei Jahren ist Christoph Billmann im Betrieb mit tätig. Gemeinsam überlegte die Familie, welchen Weg sie zukünftig einschlagen. Sie entschieden sich, die Direktvermarktung auszuweiten. Private Haushalte werden nicht mehr angefahren. Stattdessen zählen Bauernläden, Cafés und Eisdielen sowie der Einzelhandel zu ihren Hauptabnehmern. Rund 140 Weitervermarkter bedienen sie. Und das in mittlerweile 23 Städten: von Bochum bis nach Wuppertal. Die Milch der 60 Kühe wird komplett verarbeitet.
Verhandlungen mit dem Einzelhandel erfordern Durchsetzungsvermögen. „Da muss man dran bleiben“, weiß der ambitionierte Milchviehhalter. Im Regal stehen Billman-Produkte dicht an dicht neben Marken wie Landliebe und Co. „Davor darf man keine Angst haben, sondern muss das Vertrauen und die Begeisterung für das eigene Produkte haben“, ist Billmann überzeugt. Um die Begeisterung mit Verbrauchern zu teilen, nutzt er Facebook und Instagram: Filme, Fotos und Infos landen so in Ist-Zeit in den Sozialen Netzwerken. An die 1500 Follower zählt er auf Instagram, die Beitragsreichweite liegt bei 15 000 – ein beachtlicher Wert: „Der Verbraucher möchte wissen, wo bzw. wie unsere Produkte entstehen.“ Seit Mai dieses Jahres können Kunden zudem direkt auf dem Hof einkaufen. Die Verkaufshütte „Am Kuhdamm“ (der Betrieb liegt am Datteln-Hamm-Kanal) ist mit vier Automaten ausgestattet (Milch, Joghurt, Milchmischgetränke, Eis und Kaffee). Sitzmöglichkeiten sind um die Hütte vorhanden und laden zum Verweilen und Picknick ein. Auch der Gang zum Kuhstall wird ausdrücklich erwünscht. Sich Zeit zu nehmen, mit Kunden zu sprechen – das gehört für die Familie mit zum Konzept und ist für sie eine Selbstverständlichkeit.
Demnächst soll mehr in die Produktion investiert werden, um den Betrieb zukunftsfähig zu gestalten. Ideen hat der Milchviehhalter reichlich. Inspirieren lässt er sich von anderen Direktvermarktern: Diesen Sommer macht er gemeinsam mit seinem Bruder eine Deutschland-Tour, um bei Kollegen einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Auf Biomilch umgestellt
Peter Tillmann aus Warburg-Bonenburg stellt gerade auf den Ökologischen Landbau um. In sechs Monaten darf er die erste Biomilch von seinen 110 Kühen verkaufen. Momentan werden die Tiere zwar nach Ökovorgaben gefüttert und gehalten, die Milch kann jedoch nur konventionell vermarktet werden. Das ist eine harte Zeit.
Dennoch hat sich Familie Tillmann für die Biomilcherzeugung entschieden: „Bei dieser Option konnten wir unseren Betrieb mit überschaubaren Mitteln weiter entwickeln und profitieren gleichzeitig vom aktuellen Trend nach regionalen und ökologisch erzeugten Lebensmitteln“, beschreibt der 26-Jährige seine Überlegungen. Es bleibe zwar abzuwarten, wie sich das Konsumverhalten nach Corona entwickelt. Aber mit der Biomilch folge man dem Wunsch vieler Verbraucher und stehe mit seiner Tierhaltung nicht ständig in der gesellschaftlichen Kritik.
„Mit einem Wechsel zur ökologischen Milchviehhaltung hatten wir schon öfter geliebäugelt“, erklärt der Junglandwirt aus dem Kreis Höxter. Dann ergab sich im vergangenen Jahr die Gelegenheit einer Futter-Mist-Kooperation mit einem größeren Ökobetrieb aus der Region. Die sichere Futterversorgung ist Tillmann nämlich nach den Erfahrungen der vergangenen drei Trockenjahre sehr wichtig. Und eine Flächenerweiterung durch klassische Zupacht ist mittlerweile auch in Ostwestfalen-Lippe nicht mehr einfach.
Neben der ausreichenden Futtergrundlage braucht man allerdings auch eine Molkerei, die die Biomilch abnimmt. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Die meisten Biomilch-Abnehmer führen lange Wartelisten. Umso mehr freute Familie Tillmann sich, als sie im Frühsommer 2020 die Zusage der Upländer Bauernmolkerei aus Willingen-Usseln erhielt. „Das war der Startschuss“, betont Peter Tillmann. Es folgten die Erstkontrolle durch den Bioland-Verband und einige Umbauten im Stall bzw. Umstellungen in der Produktion. Bislang erhielten die Milchkühe beispielsweise eine eher maisbetonte Ration mit Rapsschrot zur Eiweißergänzung. Künftig wird der Landwirt auf Rapsschrot verzichten und mehr Kleegras sowie heimische Ackerbohnen ins Futter mischen.
Eine gewisse Herausforderung bedeutet zudem die Kombination aus Automatischem Melksystem (AMS) und Weidegang auf den hofnahen Flächen, weiß der junge Landwirt. Auch der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz wird nicht sofort leicht fallen: „Auf unseren kalten, steinigen Ackerböden stößt die mechanische Unkrautbekämpfung vielleicht an ihre Grenzen“, befürchtet Tillmann.
Dennoch hat er ein gutes Gefühl bei der Umstellung: „Ich arbeite gern mit Kühen, aber nicht zum Nulltarif. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, den Betrieb weiter zu entwickeln, ohne riesige Summen zu investieren. Ich kann den Markt beobachten und schauen, was sich dort tut. Im Moment sieht es jedenfalls danach aus, als böte der Ökobereich gute Chancen“.
Optimieren statt aufstocken
Dass er den Betrieb übernimmt, steht seit 2013 fest: Da erweiterte Familie Vollmers aus Sundern im Sauerland den Kuhstall auf 120 Kühe sowie den Melkstand auf einen Doppel-Zehner. Die Vorzeichen für die Milch waren kurz vor dem Quotenende gut: Es gab relativ viel Milchgeld bei noch mäßigen Produktionskosten. Und Sohn Tobias sprühte nach seiner Ausbildung vor Ideen und Tatendrang.
Heute sind die Vorzeichen anders: Die Milchpreise dümpeln seit Jahren auf mäßigem Niveau, die Kosten sind dagegen durch höhere Auflagen drastisch gestiegen. Bereut hat der 28-Jährige seine Entscheidung aber keineswegs, im Gegenteil: „Ich bin fest überzeugt, dass wir mit unserem Milchviehbetrieb die Herausforderungen der Zukunft meistern können. Klar ist aber, dass ich mich dafür auch auf Veränderungen einlassen muss.“
Vollmers klare Devise lautet: Den vorhandenen Betrieb optimieren statt pauschal die Kuhzahl aufzustocken und das Heil in der Masse zu suchen. Ansetzen möchte er dabei bei der Tiergesundheit. Der Milcherzeuger will die Aufstallung erneuern und die alten Gummimatten durch neue ersetzen, um den Kuhkomfort im Stall zu verbessern. Perspektivisch ist ein neuer Kälberstall geplant, um bereits bei den Jüngsten für optimale Haltungsbedingungen zu sorgen. Einzahlen soll das am Ende alles auf eine bessere Klauengesundheit sowie Fruchtbarkeit bei den schwarzbunten HF-Kühen. „Langfristig sollen so die Medikamenten- sowie Tierarztkosten sinken und die Milchleistung von 9000 auf 10 000 kg steigen“, sagt Vollmers. „Die 10 000 kg Herdenschnitt sollen sich aber entwickeln, ich will sie nicht teuer erkaufen.“
Am Weidegang der Kühe sowie Rinder hält er fest. „Ich mag das Bild der grasenden Tiere. Und gesellschaftlich sowie politisch gewünscht ist es auch“, sagt Vollmers. Natürlich mache die Weide zum Teil mehr Arbeit und sei auch eine Herausforderung bei der Fütterung. Auf der anderen Seite gebe es eine Weideprämie des Landes NRW und immerhin einen kleinen Weidemilchzuschlag der Molkerei. „Da muss man dann auch auf Zack sein und solche Angebote mitnehmen“, sagt er.
Verbunden ist damit auch die klare Forderung an Politik, Lebensmittelhandel und Molkereien: Wenn Milcherzeuger zusätzliche Leistungen im Tier- und Umweltschutz erfüllen sollen, muss es dafür eine verlässliche Honorierung geben. Als krasses negatives Gegenspiel nennt Vollmers die gentechnikfreie Fütterung: „Jedes Jahr ändern sich die Kriterien bei der VLOG-Prüfung. Aber der Zuschlag ist längst eingepreist und verpufft. Das darf nicht nochmal passieren!“
Gedanken gemacht hat er sich auch schon, wie er den Betrieb, den aktuell noch sein Vater führt, breiter aufstellen kann. Für Direktvermarktung ist der Aussiedlerhof eher ungeeignet. Beim Wechsel auf ökologische Produktion fürchtet er noch höhere Auflagen und starke Ertragseinbußen. Beides schließt er aber nicht kategorisch aus. Zunächst aber will er den Betriebszweig Forst wieder zukunftsfähig machen: Durch Sturm, Dürre und Borkenkäfer mussten Vollmers notgedrungen Teile ihres Fichtenwaldes schlagen. Die ersten Stücke haben sie schon wieder angepflanzt, mit einer Mischung aus Fichte, Douglasie und Lärche. Der Baumarten-Dreiklang soll klimastabiler sein. Aber klar ist für Tobias Vollmers auch: „Das soll eine finanzielle Rücklage werden. Die Milch muss sich alleine tragen – und wird es auch.“
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