Die Lage im Emsland hat sich beruhigt. Der Schweinestau ist längst aufgelöst, die Produktion normalisiert sich. Doch der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) auf einem einzelnen Betrieb im Juli war für die 300 Schweinehalter in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim ein Schock: Viele mussten hohe Kredite aufnehmen, um die 90-Tage-Restriktionen zu überstehen. Andere erlitten wirtschaftlichen Totalschaden und sind aus der Schweinehaltung ausgestiegen.
Falsch eingeschätzt
Wohl dem, der die finanziellen Einbußen mithilfe einer rechtzeitig abgeschlossenen Ertragsschadenversicherung abfedern konnte. Denn mit dem, was nach dem Seuchenausbruch passierte, hatte niemand gerechnet.
Rückblick: Die Behörden richteten um den Seuchenbetrieb herum ein Beobachtungsgebiet von ca. 10 km Durchmesser ein. Nach langem Hin und Her durften die dort ansässigen Landwirte ihre Ferkel, die bis dato schon eher als Mastschweine zu bezeichnen waren, in andere Mastbetriebe verbringen. Und die Mäster durften ihre Tiere in die Schlachtung geben – alles natürlich unter strengen Auflagen.
Die allgemeine Einschätzung lautete damals: Sobald die Transportsperre aufgehoben ist, können die Mastschweine aus den Restriktionsgebieten mit Abzügen und schlimmstenfalls zumindest als Schlachtsauen vermarktet werden. Die Erlöseinbußen wären also schmerzhaft, aber nicht dramatisch.
Dass dies eine Fehleinschätzung war, mussten die Emsländer Schweinemäster leidvoll erfahren. Die unter strengen Auflagen für den Verkauf vorbereiteten Tiere durften zwar den Hof verlassen, die Schlachtabrechnungen wiesen aber Beträge von 0 € auf! Die abnehmende Hand wollte und will die Schweine eigentlich gar nicht haben, da das erhitzte Fleisch keinen Abnehmer findet.
Finanzieller Totalausfall
Das hat zu finanziellen Totalausfällen für die Betriebe ohne Versicherungsschutz geführt. Denn die Tierseuchenkasse zahlt nur dann, wenn die Tiere gekeult werden müssen. Für Verluste und Kosten von Sperren oder Ertragsausfälle kommt sie nicht auf.
Die Ertragsschadenversicherung hingegen entschädigt die Deckungsbeitragsverluste infolge behördlicher Anordnungen nach Abzug der Selbstbeteiligung. Die Mehrzahl der Sauenhalter und einige größere Mastbetriebe haben eine solche Ertragsschadenversicherung bereits vor Jahren abgeschlossen. Aber längst nicht alle.
Einkommen, Pacht, Kapitaldienst
Die verbliebenen größeren Schweinebetriebe sind daher gut beraten, neu über den Abschluss einer Versicherung nachzudenken! Sie sollten sich fragen: Wie stark hängt das Einkommen von der Schweinehaltung ab? Habe ich hohe Pachten und einen hohen Kapitaldienst zu zahlen?
Denn der nächste Seuchenzug kommt bestimmt. Wer dann mit seinem Stall im Restriktionsgebiet liegt, muss nicht nur Mehrkosten für Untersuchungen, Genehmigungen und Futter stemmen, sondern auch mit dramatischen Erlöseinbußen rechnen. Bei 1000 verkauften Mastschweinen zum Beispiel droht ein finanzieller Verlust von 150 000 bis 200 000 €.
Angebote einholen
Da die Situation derzeit bezüglich ASP sehr angespannt ist, tun sich die Versicherungen mit dem Neuabschluss von Ertragsschadenversicherungen schwer oder nehmen keine Neuverträge an.
In Westfalen können Schweinehalter eine Ertragsschadenversicherung grundsätzlich bei der Allianz Agrar, LVM, R+V und der Westfälischen Provinzial erhalten. Im Rheinland arbeitet die Provinzial mit der Ülzener Versicherung zusammen. Nach Angaben der Versicherungen zeichnen aktuell nur die R+V und Allianz Agrar (für gute Kunden). Dies kann sich aber wieder ändern, wenn sich das Seuchengeschehen entspannt.
Wer mehrere Anbieter vergleichen möchte, sollte ihnen gleiche Tierzahlen und (falls erforderlich) gleiche Deckungsbeiträge, Leistungen und Tierwerte vorgeben. Hier zählen die Durchschnittszahlen des Betriebes. Die Versicherungen bieten dann einen Unterversicherungsverzicht auch bei höheren Werten von 10 bis 20 %.
Was kostet der Versicherungsschutz?
Die Kosten für den Versicherungsschutz von Sauen betragen je nach Leistungsstand zwischen 12 und 15 € pro Sauenplatz pro Jahr. Schweinemäster zahlen zwischen 80 Cent und 1 € pro Platz für den Versicherungsschutz.
Die Selbstbeteiligungen im Schadensfall liegen bei ca. 30 bis 50 € pro Sauenplatz und bei etwa 8 bis 11 € pro Mastplatz.
Zudem ist Folgendes zu beachten:
- Der Schutz gilt nicht sofort. Die übliche Wartezeit beträgt drei Monate nach Versicherungsabschluss.
- Im Angebot sollten unbedingt alle Tierseuchen sowie der Unfall (zum Beispiel Lüftungsausfall) enthalten sein.
- Gegen Aufschlag lässt sich der Haftungszeitraum zum Beispiel in der Sauenhaltung von 12 auf 18 oder 24 Monate verlängern.
- Wer schon eine Ertragsschadenversicherung besitzt, sollte die versicherten Tier- und Kennzahlen mit den aktuellen Zahlen abgleichen und den Vertrag gegebenenfalls anpassen lassen.
Was wird entschädigt?
Im Schadensfall werden auf der Grundlage der vergangenen drei Wirtschaftsjahre die Kennzahlen des Betriebes ermittelt. Wie hoch waren die Tageszunahmen, Futterverwertung, Umtriebe, Tierarztkosten, Aufschläge, Ferkelzahlen normalerweise? Dann wird anhand der derzeitigen Preis- und Marktsituation der Deckungsbeitrag ermittelt, den der Betrieb ohne Einschränkungen erwirtschaftet hätte. Der ermittelte Verlust aus theoretischem und tatsächlichem Deckungsbeitrag wird nach Abzug der vereinbarten Selbstbeteiligung entschädigt.
Dabei ist stets darauf zu achten, dass der Schaden rechtzeitig der Versicherung gemeldet wird und alle Maßnahmen mit der Versicherung abgesprochen werden. Denn im Schadensfall besteht eine Schadensminderungspflicht gegenüber der Versicherung! Nur dann wird der Schaden entschädigt.
Marktrisiko nicht gedeckt
Vor dem Abschluss einer Ertragsschadenversicherung muss eins klar sein: Sie greift nur dann, wenn der Betrieb von behördlichen Anordnungen infolge einer Tierseuche betroffen ist.
Sollten in dem Fall auch schlechte Marktpreise herrschen, dann sind diese Preise auch Grundlage der Entschädigung und nicht die Erlöse, die der Betrieb bei Abschluss versichert hat.
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