Betriebsaufgabe

Steuern statt Kühe

Zu Spitzenzeiten hatte Georg Salher 140 Milchkühe im Stall. Doch seit 1,5 Jahren ist der gesamte Betrieb verpachtet und der 44-jährige Landwirt absolviert eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten.

Leicht ist ihm die Entscheidung wahrlich nicht gefallen. „Aber es machte keinen Sinn, weiter Geld in eine Sache zu stecken, nur um arbeiten zu dürfen“, sagt Georg Salher. „Und den Hof wollte ich nicht ,verfrühstücken‘.“ Vor 1,5 Jahren zog der heute 44-jährige Landwirt aus dem niedersächsischen Marl am Dümmer See die Reißleine und verpachtete seinen Betrieb. Seit August 2021 macht er eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten.

Es kamen viele Dinge zusammen

Dabei war der Milchviehbetrieb mit 70 ha Eigentumsfläche und zusätzlich 20 ha Pachtland alles andere als klein. In Spitzenzeiten standen 140 Milchkühe im Stall; verrichteten zwei Melkroboter ihren Dienst. Einen Großteil der Außenwirtschaft (45 ha Acker- und 45 ha Grünland) bewirtschaftete der Landwirt mit eigenen Maschinen selbst. Tatkräftig unterstützt wurde er dabei von seinen Eltern.

Doch dann kamen mehrere Dinge zusammen: schlechte Milchpreise, die Ehe zerbrach und seinem Vater ging es gesundheitlich binnen zwei Jahren schlechter. „Meine Mutter hat sich viel um meine beiden Kinder gekümmert, wenn sie im Wochenwechsel bei uns waren“, berichtet Salher. Seine Töchter sind mittlerweile neun und zwölf Jahre alt. Salher selbst widmete sich mit voller Kraft dem Betrieb. Um etwas Entlastung zu bekommen, leistete er sich eine Fremdarbeitskraft, „obwohl ohnehin finanziell nicht viel bei über war.“ Doch keine Fremdarbeitskraft kann einen Betriebsleiter voll vertreten. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann und ich physisch wie psychisch an meine Grenzen kam. Es ging in Richtung Burn-out.“

Alternativen finden

So überlegte er, welche Alternativen es geben könnte. „Bei diesen Gedankenspielen hatte ich das Glück, dass meine Eltern Verständnis zeigten, wenn ich die Bewirtschaftung des Hofes aufgebe“, schildert der Landwirt. Allerdings ist es meinem Vater schon schwergefallen, als es konkret wurde, denn schließlich hat er den Hof rund 60 Jahre lang geführt.“ Von Vorteil war, dass die Region am Dümmer im Einzugsgebiet der viehstarken Landkreise Vechta und Cloppenburg liegt und die Pachtpreise entsprechend hoch sind. „Unterm Strich ist es besser, das Land zu verpachten und außerhalb der Landwirtschaft arbeiten zu gehen“, kam Salher zu dem Schluss.

Vom Betriebsleiter zum Azubi

Zunächst überlegte er, ein Lehramtsstudium zu machen, doch den Studienplatz verpasste er knapp. „Sie können doch gut mit Zahlen, schauen Sie sich doch in dem Bereich um“, riet ihm eine Mitarbeiterin seiner Bank. Gesagt, getan: Seit August 2021 absolviert er eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten in einer Kanzlei im rund 20 km entfernten Bohmte. Dort sind 90 % der Mandanten Landwirte.

"Ich schätze Landwirte für ihre Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit. Meine Mitarbeiter müssen die Sprache der Bauern sprechen, denn 90 % unserer Mandanten sind selbst Landwirte." – Dip.-Ing. (FH) Holger Meyer, Steuerberater Steuerkanzlei Bohmte

Pächter für die Ländereien zu finden, war kein Problem. Um das Risiko zu streuen, hat Salher seine Flächen an drei verschiedene Landwirte vergeben. Schwieriger gestaltet es sich in der Regel mit den Gebäuden. Doch auch da hatte er Glück. „Den Boxenlaufstall hat ein Nachbar gepachtet, der zunächst mit dem Gedanken gespielt hatte, selbst einen Jungviehstall zu bauen. Aufgrund der agrarpolitischen Unsicherheiten war dieser froh, als sich für ihn die ­Möglichkeit ergab, unseren Stall pachten zu können.“ Ein anderer Berufskollege suchte einen Stall für Ammenkühe einschließlich Grünland. „Die Altgebäude habe ich so gut genutzt. Ein großer Verdienst ist die Pachtzahlung für die Gebäude nicht, aber die Unterhaltskosten sind gedeckt“, so das Fazit Salhers.

Schlimm war, als die Kühe gingen ...

Schlimm war trotzdem der Moment, als die Kühe im Oktober 2020 vom Hof gingen – und auch die ersten Wochen danach. „Dadurch, dass die Tiere von klein auf hier auf dem Betrieb waren, bestand zu jedem Tier eine Beziehung“, berichtet Salher. Und natürlich hatten auch seine Töchter ihr Lieblingskalb bzw. -rind gehabt. „Nach dem Ausstallen der Tiere bin ich in ein ziemlich tiefes Loch gefallen.“ Das einzig Positive in dieser Zeit war, dass der Landwirt auf einmal „nicht mehr musste, ­sondern konnte“, wie er es selbst beschreibt. Allein der Gedanke, als Betriebsleiter nicht krank werden zu dürfen, war psychisch ein ­hoher Druck gewesen.

Früh genug die Kurve gekriegt

Aus der heutigen Sicht bereut er seinen Entschluss, die praktische Landwirtschaft aufzugeben, nicht. In so eine Entscheidung spielen mehrere Faktoren mit hinein, vertritt er die Auffassung: die psychische Belastung, die finanzielle Situation und der familiäre Hintergrund. „Ich habe früh genug die Kurve gekriegt, musste noch kein Land, geschweige denn den ganzen Hof verkaufen“, so Salher. Wie er erzählt, möchte seine jüngste Tochter den Hof mal zu einem Reitbetrieb umgestalten. Die Möglichkeit ist auf jeden Fall noch gegeben. „Und ich würde dem nicht im Wege stehen“, betont der Landwirt.

Beruf war Beziehungskiller

In seiner neuen Ausbildung ist Georg Salher definitiv gefordert. „In meinem Alter muss man erst wieder lernen zu lernen“, schmunzelt er. Aber allein die gewonnene Lebensqualität war das Ganze wert. Die Freizeit findet wieder Platz. „Und inzwischen habe ich auch eine neue Beziehung“, erzählt er. „Wenn man ehrlich ist, ist der Beruf Landwirt doch ein ziemlicher Beziehungskiller. Nach Ansicht meiner Exfrau hätte ich mehr Zeit für meine Familie haben sollen.“

Mut gehört dazu

Für manchen Landwirt bedeutet die Hofaufgabe und das Suchen einer Arbeitsstelle eine Katastrophe. „Auch wenn es für manchen so erscheinen mag – es ist nicht das Ende“, beruhigt Salher. Natürlich gehöre eine große Portion Mut dazu, aus der Landwirtschaft auszusteigen. „Aber wer aus der Landwirtschaft kommt, hat gute Chancen, einen interessanten Job zu finden.“ Und dann wird sich letztlich alles auch zum Positiven wenden.

Lesen Sie mehr:

Der Einstieg nach dem Ausstieg

Nochmal ganz anders

von Julian Osthues

Mit 55 Jahren hat Karl-Heinz Sandknop seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben und eine neue Herausforderung angenommen.

Fallbeispiel

Den Weg zum Ausstieg planen

von Christian Solle, Landwirtschaftskammer NRW

Läuft ein landwirtschaftlicher Betrieb aus, ist auch betriebswirtschaftlich einiges zu beachten. Wie es gehen kann, zeigt das Beispiel von Familie Müller.

Zur Themenseite:

Investiere ich eine sechsstellige Summe in den Hof? Oder höre ich mit der Landwirtschaft auf? Ein emotionales, schwieriges Thema. Wir schauen auf Familien an diesem Wendepunkt.


Mehr zu dem Thema