Kommentar

Sommer ohne Sommerloch: Was kommt auf Deutschland zu?

Was waren das noch Zeiten, als Deutschland über Problembär Bruno diskutierte. Zwar ploppte dieses Jahr kurz die Debatte über den Ballermann-Hit „Layla“ auf. Doch ein Sommerloch gibt es 2022 nicht.

Für belanglose Themen ist die Lage zu ernst: Russlands unsinniger Krieg in der Ukraine wütet weiter, Lebensmittel sowie Energie sind Machtmittel, die hohe Inflation leert die Geldbeutel und Corona war nie weg. Viele wissen: Das könnten erst Vorboten dessen sein, was im Winter und Frühjahr tatsächlich auf Deutschland zukommt.

Landwirte sind davon wie jeder Verbraucher und Unternehmer betroffen. Zusätzlich pfefferte Brüssel ihnen mitten in der Ernte ein weiteres knallhartes Thema um die Ohren: Das geplante Totalverbot für Pflanzenschutzmittel in Natura-­2000- und Naturschutzgebieten sorgte in der Hellwegbörde für einen Aufschrei. Im gleichen Atemzug will die EU-Kommission aber auch Landwirten in Landschaftsschutzgebieten den chemischen Pflanzenschutz komplett verbieten. Zusammen wären mehr als ein Viertel der 16,6 Mio. ha Nutzfläche in Deutschland vom Verbot betroffen. Kein Landwirt hat etwas gegen eine praxistaugliche Reduktion, aber solche Forderungen sind realitätsfremd – gerade, wenn weltweit Getreide knapp ist. Selbst Umweltschützer kritisieren die EU-Pläne. WLV-Präsident Hubertus Beringmeier kündigt massiven Protest in Brüssel an, LsV NRW ruft mit harschen Worten zur Demo am Montag in Bonn auf. Verständlich.

Auch in Berlin hat sich in der Sommerpause etwas getan, aber wie so oft wenig konkret. Erst in diesen Tagen entscheidet sich final, was Landwirte einhalten müssen, um im kommenden Jahr Agrargelder zu bekommen. Vermutlich greift die Pflicht zu 4 % Stilllegung und dem Fruchtwechsel 2023 nicht. Deutschland nutzt wahrscheinlich doch die EU-Ausnahmemöglichkeit. Dass es diese Klarheit aber erst so kurz vor der neuen Aussaat gibt, ist ein Unding – übrigens auch für die Verwaltung, die noch programmieren muss.

Dann sickerte mitten im Sommer noch der Entwurf zur fünfstufigen Haltungskennzeichnung von Bundesagrarminister Cem Özdemir durch. Ein erster Aufschlag für die Kriterien und Logos des verpflichtenden staatlichen Labels. Damit treibt Özdemir das Thema voran. Die entscheidende Frage zur Finanzierung lässt er aber weiter offen – und hilft damit keinem Tierhalter.

Vergleichsweise ruhig ist es noch in der neuen Düsseldorfer Landesregierung. Eigentlich zu ­ruhig: Das neue NRW-Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hatte bis Redaktionsschluss nicht einmal eine eigene Internetseite. Entweder waren hier tatsächlich Sommerferien – oder Landwirtschafts- und Umwelt­ministerium waren noch mit sich selbst und der Aufspaltung beschäftigt.

Fazit: Ohne politische Sommerpause geht die Landwirtschaft in den Herbst. Hier stehen harte Debatten an. Vor allem von den Politikern in Brüssel erwartet die Landwirtschaft „mehr ­Realität, weniger Ideologie“. Ob das kommt? Man darf gespannt sein.