Was der „Zukunfts-Bauer“ nicht ist, machte Hubertus Beringmeier gleich zu Beginn deutlich: Das Projekt ist keine oberflächliche Marketingkampagne für die Landwirtschaft. Vielmehr soll der Prozess das Denken und Handeln der Landwirte verändern, die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft führen und mehr Wertschätzung sowie Wertschöpfung auf die Höfe bringen, sagte der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) am Samstag in Werl. Dort hatte der Verband zur Auftaktveranstaltung „Zukunfts-Bauer“ geladen. Gekommen waren rund 300 Orts- und Kreisverbandsvorsitzende sowie Landjugendliche.
Treiber für Veränderung
Zur Ausgangslage: Viele Landwirte stehen wirtschaftlich unter Druck, immer höhere Auflagen verschärfen den Kostendruck. Die Landwirtschaft steht gesellschaftlich unter Druck, weil kritische Organisationen die Debatten dominieren, Werte und Ernährungsgewohnheiten sich ändern und die kritische Haltung zur Landwirtschaft zunimmt. Und Landwirtschaft steht auch politisch unter Druck, weil sich ganz neue Parteien- und Regierungskoalitionen bilden. „Diese drei Faktoren sind die wesentlichen Treiber von Veränderung“, sagte Susanne Schulze-Bockeloh. Sie ist WLV-Kreisverbandsvorsitzende in Münster sowie Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes und dort verantwortlich für das „Zukunfts-Bauer-Projekt“.
„Raus aus Opferrolle“
In ihrem engagierten Statement plädierte die Landwirtin für ein neues Selbstverständnis in der Landwirtschaft: „Haben Sie Mut - verabschieden Sie sich von alten Gewissheiten und Überzeugungen. Gehen Sie raus aus der Opferrolle!“ Sie warb um ein neues Rollenverständnis, diese Veränderungen als Chance zu sehen. „Präsentieren Sie sich als Lösungsanbieter für die vielen Herausforderungen wie Klimawandel, Energieversorgung oder Nahrungsmittelsicherheit. Und gehen Sie Kooperationen mit gesellschaftlichen Gruppen ein“, gab sie den Zuhörern mit auf den Weg.
Nötig dafür seien aber neue Bilder bzw. Geschichten, sogenannte Narrative. Das verdeutlichte Marco Diefenbach vom Rheingold Salon. Das Marktforschungsunternehmen aus Köln hatte mit einer umfassenden Analyse die Grundlage für den „Zukunfts-Bauern“ gelegt. Diese Untersuchung zeigte: Landwirtschaft und Gesellschaft leben in Parallelwelten. Sie wissen wenig übereinander, was ein idealer Nährboden für Vorurteile ist. Und keine Seite ist bisher bereit, aus ihren Blasen herauszugehen. Das Schwarze-Peter-Spiel von gegenseitigen Beschuldigungen geht munter weiter: Die Gesellschaft bezeichnet Landwirte als Tierquäler, Brunnenvergifter und träumt von Bullerbü-Landwirtschaft. Landwirte werfen der Gesellschaft vor, sie durch hier Verhalten – viel fordern, wenig zahlen – zu ruinieren.
Die Studie des Rheingold Salon brachte noch eine Erkenntnis: Das Bild „Landwirt als Ernährer“ verfängt nicht mehr in der Gesellschaft. Aber: Das Bild „Landwirt als Zukunftsgestalter“ überzeugt sowohl Landwirte als auch Gesellschaft.
Neue Bilder transportieren
In der Diskussion gab es wenig Widerspruch, aber viel Zuspruch zu diesen Analysen. Schwammig und unkonkret bliebt noch, was „Zukunfts-Bauer“ inhaltlich genau heißt. Es zeigte sich aber, dass vieles aber schon auf dem Weg sein könnte: Landwirte produzieren regenerative Energie vor Ort, unterstützen Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau der Artenvielfalt und versuchen, die Folgen des Klimawandels einzudämmen und die eine weitere Verschärfung abzumildern. Sie reagieren auf Veränderungen – in alten Schweineställen stehen heute Wohnwagen oder es wächst Gemüse. Und Landwirte nutzen technischen Fortschritt, um präziser und nachthaltiger zu wirtschaften. „Tragt nach außen, was ihr Tolles leistet. Weg vom jammernden Bauern, hin zum smarten unternehmerisch denkenden und handelnden Landwirte“, sagte Charlotte Peine, Co-Vorsitzende vom Ring der Landjungend. Diese Bilder müssen in die Gesellschaft, forderte sie.
Geschichten erzählen
Dafür kommt es auf die Kommunikation an. Auch da gibt es schon gelungene Praxisbeispiele: Landwirte veranstalten Hoftage oder laden Besucher ein. Stemweder Landwirte zeigen Verbrauchern in den Sozialen Netzwerk Instagram, wie Landwirtschaft funktioniert. Und bei Tour de Buur lässt sich Landwirtschaft auf einer geführten Fahrradtour entdecken. Wichtig dabei: „Wenn wir mit Verbrauchern oder allgemeinen Medien sprechen, müssen wir die Dinge so einfach wie möglich erklären. Denn sie müssen es völlig ohne Fachkenntnis verstehen können“, verdeutlichte WLV-Vizepräsident Henner Braach. Volle Zustimmung dafür kam von Andrea Benstein, Leiterin vom WDR-Landesstudio Münster. Sie ermunterte die Landwirte, diese Geschichten zu erzählen.
In der Diskussion kristallisierte sich aber auch heraus, dass professionelle Kampagnen nötig seien. Gleich mehrere Wortmeldungen bemängelten, dass seit dem Wegfall der CMA, der Centralen Marketing-Gesellschaft für deutsche Agrarwirtschaft, die überregionale Werbung für deutsche Landwirtschaft fehle. Und ein Nachfolgemodell nötig sei. Zudem gab es den mehrfachen Wunsch, dass Landwirtschaft in Kindergärten sowie Schulen eine stärkere Rolle spielen solle.
Am Ende fasste ein sichtlich zufriedener Hubertus Beringmeier den Tag zusammen: „Wir wussten nicht genau, was uns heute an Diskussionen erwartet. Aber das war sehr gelungen und macht Freude auf die kommenden Monate, in denen wir das Projekt zusammen mit den Bäuerinnen und Bauern vertiefen möchten.“
Gorißen: Seien Sie stolz!
Sichtlich angetan von dem Projekt „Zukunfts-Bauer“ war NRW-Landwirtschafts- und Verbraucherministerin Silke Gorißen (CDU). Sie legte ihr vorbereitetes Redemanuskript zur allgemeinen agrarpolitischen Lage beiseite und sprach den Landwirten und Landwirten Mut zu, den Weg des „Zukunfts-Bauern“ zu gehen: „Seien Sie stolz darauf, was Sie jeden Tag leisten, wie viel Wissen Sie haben und welche Arbeitskraft Sie haben.“
Gorißen hat schon zu ihrer Zeit als Landrätin in Kleve beobachtet, dass das Wissen und Verständnis in der Bevölkerung schwinde. Allerdings auch politisch. Deshalb versprach sie, „gegen ideologische Politik zu kämpfen“. Bei den Themen Düngeverordnung und Pflanzenschutzmittelverbot zeigte sie dabei auf Berlin und Brüssel. Beim Thema Nutztierhaltung kritisierte sie Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne). Sie warf ihm vor, die Expertise der Bundesländer zu ignorieren und kündigte einen „schärferen Ton Richtung Berlin“ an.
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