Schock für Milchbauern

FrieslandCampina will die deutschen Molkereien und Marken verkaufen. Was bedeutet das für die Bauern und die Branche?

Milcherzeuger in Aufruhr: „Warum die Marke Landliebe, die wir mit Herzblut aufgebaut haben und die wir jedem Verbraucher erklären konnten? Und warum an Theo Müller“?, bringt es ein Sauerländer Landwirt auf den Punkt. Auslöser der Aufregung: Nach dem Eintritt Mitte der 1990er-Jahre zieht sich die ­niederländische Molkereigenossenschaft FrieslandCampina aus Deutschland zurück. Sie will Marken wie Landliebe, Tuffi, Südmilch, Puddis, Mondelice und die in Deutschland produzierten Handelsmarken der Weißen Linie verkaufen – an die Unternehmensgruppe Theo Müller. Auch die Produktionsstandorte Köln, Heilbronn und Schefflenz sollen an die größte deutsche Privatmolkerei gehen.

„Milchpreis nicht erzielt“

Damit stoßen die Niederländer einen Teil ihres deutschen Verbrauchergeschäfts ab. Zwar wackelt die Molkerei in Köln seit Jahren und es ist ein offenes Geheimnis, dass FrieslandCampina in Deutschland kein Geld verdient. Diese Konsequenz hat aber Mitglieder, Mitarbeiter und Branchenvertreter überrascht. Aufsichtsratsmitglied Hans Stöcker erklärt: „, wir mussten immer aus anderen Märkten oder Portfolios des Unternehmens quersubventionieren. Das hätte sich auch auf absehbare Zeit nicht geändert.“

Trotz aller Bemühungen konnten wir den Garantiepreis in Deutschland nicht erwirtschaften. Aufsichtsratsmitglied Hans Stöcker

Der Grund der Misere liegt für ihn im stark konzentrierten deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Dieser stelle seine Handelsmarken nach vorne und mache das Markengeschäft extrem schwierig, selbst für gut laufende und wachsende Marken wie Landliebe. Hinzu komme die aktuelle Situation, in der Handelsmarken teilweise teurer seien als Markenartikel. Aber FrieslandCampina profitiere vom guten Ruf und Wachstumspotenzial seiner Marken. „Nur deshalb ist Müller am Kauf interessiert“, sagt Stöcker, ohne den Kaufpreis zu verraten.

Am Montag dieser Woche stimmte der Mitgliederrat dem Verkauf zu, grünes Licht vom Kartellamt steht noch aus. Ende dieses Jahres könnte das Geschäft abgeschlossen sein. Aktuell erfasst FrieslandCampina 450 Mio. kg Milch von 615 Mitgliedern in Deutschland, zusätzlich noch Lieferantenmilch.

Müller-Gruppe sieht sich gestärkt

Klar ist: Bis Ende 2023 bezieht die Müller-Gruppe noch Landliebe-Milch von FrieslandCampina. Am Standort in Heilbronn hat die Genossenschaft ausschließlich Lieferanten. Diese Verträge übernimmt Müller. In NRW fließt die Milch der Mitglieder ab 2024 in andere Werke. „Die Milcherzeuger bleiben aber Mitglied unserer Genossenschaft und für sie ändert sich nichts“, verspricht Stöcker. Heißt: Sie haben Anspruch auf den Garantiepreis, die Barnachzahlung, die namentliche Rücklage und auf mögliche Zuschläge.

In Deutschland konzentriert sich FrieslandCampina künftig auf Vermarktung und Vertrieb ihrer internationalen Marken Valess und Chocomel, seiner Käsemarken sowie die im Ausland produzierten Handelsmarken. Außerdem bleiben die Standorte in Lippstadt, Goch und Nörten-Hardenberg.

Die Müller-Gruppe sieht sich durch die Übernahme gestärkt. Sie sei „eine sehr passende Ergänzung unseres erfolgreichen Mopro-Portfolios auf dem deutschen Markt“ und würde den Wachstumskurs stärken, sagt ein Unternehmenssprecher. Wo die Milch für Landliebe nach 2023 herkommen soll, ließ er offen. FrieslandCampina Deutschland hat im vergangenen Jahr 960 Mio. € umgesetzt. Etwa die Hälfte davon könnte an die Müller-Gruppe gehen. Diese kommt auf etwa 7 Mrd. € Jahresumsatz, wovon das deutsche Markengeschäft etwa 1 Mrd. € ausmachen soll.

Neues Milch-Buhlen?

Die Übernahme dürfte den Milchmarkt in Nordwestdeutschland in Bewegung bringen. Denn: Erst kürzlich gab FrieslandCampina bekannt, dass sie neue Mitglieder suchen. „Daran ändert sich auch nichts, weil die Milchmenge in den Niederlanden sinkt und wir Milch brauchen“, sagt Stöcker. Die Milch der deutschen Mitglieder könne in niederländische Werke fließen. Denkbar sei auch, die Partnerschaft mit dem DMK zur Lohnfertigung auszubauen. Oder eine Kooperation mit Hochwald einzugehen, die die neue Großmolkerei in Mechernich hochfahren. Arla in Pronsfeld mischt als weiterer Großkonzern ebenfalls mit.

Der Sauerländer Landwirt versucht daher dem Ganzen etwas Gutes abzugewinnen: „Wenn Milch knapper wird und Müller in unserer ­Region auch buhlt, kann das gut für den Milchpreis sein.“

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Die Enttäuschung ist riesig: Am Montag stimmte der Aufsichtsrat von FrieslandCampina dem Verkauf von Landliebe zu. Den Managern blieb keine Wahl. Der Verkauf legt drei Dinge offen.

Die niederländische Molkereigenossenschaft FrieslandCampina verkauft ihr deutsches Markengeschäft sowie drei Produktionsstandorte an Theo Müller. Für die deutschen Lieferanten soll sich nichts...