Die deutsche Fleischbranche steht vor großen Herausforderungen. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen des jüngsten ISN-Schlachthofrankings. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands hat für das Jahr 2022 die Produktionsmengen der heimischen Schlachtunternehmen zusammen getragen und eine Top-Ten-Liste der Schweineschlachter erstellt (siehe Übersicht).
9,2 % weniger Schweine
Mit 47,1 Mio. Schlachtungen waren im vergangenen Jahr insgesamt deutlich weniger Schweine am Markt (–9,2 %). Darauf mussten und müssen die Schlachter reagieren. Einen solchen Einbruch der Schlachtzahlen hat es schließlich seit Beginn der Aufzeichnungen durch das Statistische Bundesamt vor 30 Jahren nicht annähernd gegeben.
Mittlerweile gehen die Schlachtzahlen seit sechs Jahren zurück – und alles deutet auf weitere starke Rückgänge hin. Besonders große Einbußen gab es in Niedersachsen (–10,8 % auf 15,1 Mio. Schweine). In NRW gingen die Schlachtungen um 5,7 % auf 16,1 Mio. zurück. Auffällig war auch die Abnahme der Schlachtungen in Sachsen-Anhalt (–24,6 % auf 4,6 Mio.).
Die Krise zeigt Wirkung
Wie ISN-Marktanalyst Klaus Kessing erklärt, waren die Statistiken 2021 noch durch den Corona-bedingten Schweinestau 2020/2021 verzerrt. In der Auswertung für 2022 zeigt sich nun das volle Ausmaß der Krise: Die Schweinehalter haben mit heftigen Produktionsrückgängen bzw. -aufgaben reagiert.
In der Folge mussten fast alle Schlachtunternehmen empfindliche Rückgänge bei den Schlachtzahlen hinnehmen.Einige Schlachthöfe reagierten auf die geringen Angebotsmengen mit einer Steigerung der Lebendimporte. So wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1,23 Mio. Schweine aus dem Ausland geschlachtet (+6,6 %) – vor allem in Phasen einer anziehenden Fleischnachfrage. Dieser Trend setzte sich im ersten Quartal 2023 fort.
Im Vergleich zu früheren Jahren wurden aber insbesondere während des Schlachtstaus deutlich weniger Schweine importiert: 2019 waren es noch 3,32 Mio., 2020 dann 2,29 und 2021 insgesamt 1,16 Mio. Importschweine.
Top Ten schlachten 82 %
Wie die Übersicht zeigt, haben die führenden Schweineschlachter im vergangenen Jahr zum Teil erhebliche Mengenrückgänge erlebt. In der Summe betrug das Minus bei den Top-10-Betrieben aber „nur“ 8,2 %, während die übrigen Schlachter ein Minus von 13,4 % verzeichneten. Somit stieg der Anteil der „ersten Zehn“ am Gesamtmarkt gegenüber 2021 um 0,9 Prozentpunkte auf 82 %.
Trotz der hohen Marktdynamik gab es jedoch kaum Positionsveränderungen in der Rangliste:
- An der Spitze des Rankings steht weiterhin Tönnies mit 14,79 Mio. Schweineschlachtungen. Obwohl das etwa 1,2 Mio. oder 7,5 % weniger als im Vorjahr waren, konnte Tönnies seinen Anteil am Gesamtmarkt steigern und liegt mittlerweile bei einem Marktanteil von 31,4 %. Die Schlachtungen wurden vor allem an den Standorten in Sögel und Weißenfels deutlich reduziert.
- Auf Platz zwei folgt Westfleisch mit 6,51 Mio. Schlachtungen im Jahr 2022 (–10,3 %) und einem Marktanteil von etwa 13,8 %.
- Mit –17,1 % auf 5,8 Mio. Schweine verzeichnete das niederländische Schlachtunternehmen Vion den deutlichsten Rückgang unter den Top-10-Betrieben. Der Marktanteil schrumpfte dadurch auf 12,3 %. Anfang 2023 gab das Unternehmen bekannt, seine Zerlegung in Holdorf (Niedersachsen) zu schließen.
- Danish Crown (DC) als Viertplatzierter meldete eine Steigerung bei den Schlachtzahlen von 2,9 % auf 3,03 Mio. Schweine. Anfang 2023 wurde jedoch der Zerlegebetrieb im mecklenburg-vorpommerschen Boizenburg geschlossen und die Grobzerlegung auf den Standort in Essen/Oldenburg konzentriert. Zwei Wochen später kündigte das Unternehmen an, die Schlachtungen dort bis Mai um ungefähr 40 % zu reduzieren. Danach soll über die weitere Entwicklung des einzigen DC-Schlachtstandortes in Deutschland entschieden werden.
- Auf den weiteren Plätzen konnte der niederrheinische Schlachtbetrieb Manten die Schlachtungen gegen den Trend um 4,1 % auf 1,08 Mio. Tiere steigern.
- Insgesamt haben sich die Unternehmen auf den Plätzen 5 bis 10 unter den schwierigen Marktbedingungen verhältnismäßig gut behauptet.
Branche unter Druck
Schon in den vergangenen beiden Jahren war der Druck in der Schlachtbranche hoch und derzeit gibt es wenige Anhaltspunkte für eine spürbare Verbesserung der Situation in näherer Zukunft.
Auf der Kostenseite belasten hohe bzw. sogar weiter steigende Ausgaben beispielsweise für Energie, Transport, Verpackungsmaterial oder Personal die Unternehmensbilanzen.
Auch die höheren Einkaufspreise für Schlachtschweine durch deren knappe Verfügbarkeit – sowohl in Deutschland als auch in der gesamten EU – spielen eine wichtige Rolle.
Auf Seite der Abnehmer des Fleisches ist der Druck der Lebensmitteleinzelhändler groß. Neben den Veränderungen des Konsumverhaltens aus preislichen Gründen ist außerdem zu beobachten, dass sich der Trend zu einer fleischärmeren Ernährung aus verschiedenen anderen Motiven weiter fortsetzt.
Insgesamt sank der Schweinefleischkonsum pro Kopf in den vergangenen zehn Jahren um etwa ein Viertel von 38,7 kg im Jahr 2012 auf 29,0 kg im Jahr 2022. Dieser deutliche Rückgang des Pro-Kopf-Verzehrs wird nur geringfügig durch die wachsende Bevölkerungszahl in Deutschland relativiert.
Simultan zur rückläufigen Entwicklung des Inlandsmarktes schrumpft auch das Exportgeschäft. Die Bedeutung des Drittlandexports nimmt wegen der anhaltenden ASP-bedingten Sperren weiter ab. Der Absatz von Nebenprodukten bleibt zwar weiterhin für die Wertschöpfung am gesamten Schwein sehr wichtig, aber die Möglichkeiten für Fleischexporte in Drittländer sind für deutsche Exporteure stark limitiert.
Konsolidierung unausweichlich?
Für ISN-Marktanalyst Klaus Kessing scheint eine weitere Konsolidierung in der Schlacht- und Verarbeitungsbranche daher unausweichlich: Die drastische Veränderung der Absatzmärkte – vor allem durch die CoronaPandemie, die Afrikanische Schweinepest und die hohe Inflation infolge des Ukraine-Krieges, habe mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung mittlerweile den Anfang der Wertschöpfungskette, nämlich die Schweinehaltung, stark verändert.
Auch in der Schlachtbranche sei der Transformationsprozess in vollem Gange, weitere Anpassungen an die neuen Marktgegebenheiten dürften noch folgen. Die Viehbestandsentwicklungen deuten darauf hin, dass die Gesamtzahl der Schlachthaken noch weiter verringert werden dürfte.
Abzuwarten bleibe, ob einige Schlachtunternehmen die Veränderungen am deutschen Markt zu ihren Gunsten nutzen können. "Wir nehmen durchaus eine zunehmende Wettbewerbsrelevanz von Markenfleischprogrammen mit Schweinen aus höheren Haltungsformstufen wahr. Ob das allerdings bei hoher Inflation und sinkender Kaufkraft der Verbraucher auch Optionen für die breite Masse sein können, wird sich zeigen müssen“, so der ISN-Fachmann.
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