Treffen Pferde und Traktoren aufeinander, sind es in erster Linie Menschen, die sich begegnen. Das kann so oder so ausgehen; hier zwei Szenen, die irgendwann, irgendwo passiert sind.
Geduld ist nicht unendlich
Szene 1) Es ist ein kühler Abend im Oktober. Nach einem sonnigen Herbsttag ist es bereits dunkel geworden, die Arbeitsscheinwerfer des Schleppers meines Ausbildungsbetriebes zeigen die Feuchtigkeit in der Luft. 19:55 steht auf der Uhr im Armaturenbrett des Traktors. Bis zum Feierabend wird aber noch einige Zeit vergehen: Die letzten Hektar Weizen müssen noch gesät werden – ab morgen ist Regen gemeldet.Ich befahre mit dem Schlepper einen asphaltierten Wirtschaftsweg, an dem mein Ausbildungsbetrieb liegt.
Der Weg verbindet einen benachbarten Pensionspferdestall mit einer Reithalle. So überrascht es mich trotz der Dunkelheit nicht, als die Arbeitsscheinwerfer in etwa 100 m Entfernung ein entgegenkommendes Pferd in die Nacht zeichnen. Sofort bremse ich ab. „Irgendwie muss das Pferd zur Reithalle und zurückkommen“, denke ich. Gleichzeitig springt die Reiterin hektisch von ihrem Pferd, klammert sich nervös an die Zügel.
Pferde können nicht verkehrssicher geboren werden
Das ist das Signal für mich, anzuhalten. Die 30 Sekunden Lebenszeit werde ich wohl nicht vermissen, und Pferde können nun mal auch nicht verkehrssicher geboren werden. Als das Pferd auch am stehenden Schlepper nicht vorbeigeht, schalte ich nach und nach alle Scheinwerfer aus: vorne, hinten, seitlich, bis nur noch das Standlicht an ist. Mittlerweile ist mehr als eine Minute vergangen.
Langsam fange ich an, im Kopf durchzugehen, was noch zu tun ist: „Die Sämaschine befüllen, wieder zum Acker fahren, die letzten Bahnen säen, wieder zum Hof fahren, den Schlepper in die Halle stellen, nach Hause fahren, duschen. Bis ich im Bett bin, müsste es etwa 23 Uhr sein, morgen früh um 6 wird wieder gemolken.“Für mich steht also fest: Jede Minute Verzögerung kostet mich eine Minute meines ohnehin knappen Schlafes. So ist auch meine Geduld allmählich erschöpft, als die Reiterin mir signalisiert, dass ich den Schlepper komplett ausschalten soll.
Hufabdrücke im Feld
Aber auch das mache ich: „Vielleicht geht es dann ja vorwärts.“ Doch was dann beginnt, ist eine – zumindest gefühlt – nicht enden wollende Trainingseinheit für das Pferd. Die Reiterin bewegt ihr Pferd dazu, zwei Meter vorwärtszugehen, dann geht es wieder drei Meter zurück, vier Meter vorwärts, zwei Meter zur Seite und auf den frisch eingesäten Acker. Die Hufabdrücke zeichnen sich über zig Meter deutlich im frisch bestellten Feld ab.
Nach einiger Zeit schafft die Reiterin es, ihr Pferd am Schlepper vorbeizuführen – eine erfolgreiche Trainingseinheit für sie. Mir hat der Stillstand wertvolle Arbeitszeit geraubt, die ich hinten dranhängen muss. Das nächste Training mit großem Gefährt sollte die Reiterin auf einem Hof mit einem stehenden Schlepper absolvieren. Und solange das arme, gestresste Tier im Verkehr nicht sicher ist, sollte sie doch mit ihm auf dem Reitplatz bleiben.
Das ist einfach Rücksicht
Szene 2) Ich reite auf einem Feldweg. Daneben liegt Silogras in Schwaden. Ein großer Traktor mit Silierwagen biegt auf das Feld ein. Der Fahrer lenkt das Gespann zur Schwade direkt am Feldweg. Ich reite in die nächste Einfahrt, damit er vorbeifahren kann. Ich weiß, dass meine Stute bei Treckern gelassen ist und warte. Es passiert nichts. Der Trecker steht immer noch am Ende des Feldes. „Der Fahrer stellt wohl was am Silierwagen ein“, denke ich, weil ich das mal gesehen habe. Also warte ich weiter. Ich will ja als Reiter die Arbeit nicht stören.
Landwirte und Reiter – schwieriges Thema
Und man weiß es ja, Landwirte und Reiter – schwieriges Thema. Ich winke in Richtung des Traktors und will damit signalisieren: „Sie können fahren. Mein Pferd kennt Trecker, es rastet nicht aus.“ Als der Schlepper sich nach einiger Zeit immer noch nicht bewegt, reicht es mir: „Dann eben nicht.“ Ich reite los.
Das Gespann steht immer noch an Ort und Stelle. Als ich auf seiner Höhe bin, wird mir klar, was los ist. Der Landwirt hatte den Motor ausgestellt und wartete auf uns. Das habe ich diesen Sommer schon mehrmals erlebt, dass ein Landwirt den Trecker ausstellt, wenn ich angeritten komme. Nun wollte ich es wissen und fragte den Fahrer. „Das ist ganz einfach“, sagt er, „das ist Rücksicht.“ Als wir außer Sichtweite sind, startet er den Motor.
Lesen Sie mehr: