Ab dem 1. Januar 2022 können nur noch Betriebe bis 600 000 € Vorjahresumsatz pauschalieren. Viele Mäster müssen daher ihre Umsätze künftig regelbesteuern. Sie müssen also 7% Umsatzsteuer beim Tierverkauf abführen, bekommen dafür die Vorsteuern aus beispielsweise Futter- und Ferkelkauf vom Finanzamt erstattet. So läuft es normalerweise. Was aber, wenn der Mastdurchgang jetzt als Pauschalierer startet und Sie die Tiere erst im nächsten Jahr mit Regelbesteuerung verkaufen? Wir zeigen, dass Vorsicht geboten ist, wollen Sie die Vorsteuer aus 2021 nicht verlieren.
Dass es dabei nicht um Peanuts geht, zeigt unsere Übersicht. Stallen Sie etwa im Januar 2022 als Regelbesteuerer die Schweine aus einem 1500er-Maststall aus, die Sie im Oktober 2021 als Pauschalierer eingestallt haben, geht es um etwa 5,79 €/Schwein und rund 8685 € Vorsteuern insgesamt aus 2021, die Sie mit der richtigen Strategie vom Finanzamt erstattet bekämen. Ist der Ferkelproduzent Pauschalierer, sodass Sie 10,7 % Vorsteuern auf den Ferkelpreis zahlen müssten, steigt der Betrag auf 6,96 €/Schwein und damit auf rund 10 500 €. Angesichts der desaströsen Preise und hohen Futterkosten ein Betrag, auf den wohl kein Schweinemäster verzichten kann. Und auch in der Hähnchenmast geht es beim letzten Mastdurchgang im alten Jahr um rund 9,40 € pro 100 Tiere, bei Puten um 2,26€/Tier Vorsteuern aus 2021.
Vorsteuerkorrektur?
Klar ist, dass es bei einem Wechsel zur Regelbesteuerung die Vorsteuern aus vorherigem Bezug und von früheren Investitionen in teure Wirtschaftsgüter anteilig zurückgibt. Bei Ställen gilt das, solange die Investition nicht mehr als zehn Jahre vor dem Wechsel zur Regelbesteuerung erfolgte, für andere Wirtschaftsgüter/Maschinen gelten fünf Jahre. Die Crux: Die sogenannte Vorsteuerkorrektur gemäß § 15a Umsatzsteuergesetz erfolgt (laut § 44 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung) nur, wenn im betreffenden Wirtschaftsgut mindestens 1000 € Vorsteuer stecken. Bei einem Steuersatz von 7 % müssen Sie also mindestens rund 15 000 € Bruttoanschaffungs- und -herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut aufwenden, damit die Vorsteuerberichtigung stattfindet. Tiere gelten als einzelne Wirtschaftsgüter. Somit ist die Vorsteuer aus dem Umlaufvermögen in der Mast über die klassische Vorsteuerkorrektur nicht wiederzuholen.
Rechtslage unklar
Gleichzeitig bestätigten aber be-reits der Europäische Gerichtshof (EuGH) sowie der Bundesfinanzhof (BFH), dass für den Vorsteuerabzug letztlich die beim Kauf beabsichtigte Verwendung entscheidend sei (BFH: Az. V R 77/96, Az. V R 39/00; EuGH: Az. C-396/98). Die Richter des BFH führten konkret aus, dass einem Unternehmer, der zum Zeitpunkt des Bezugs der Vorleistung vorhat, die damit beabsichtigten Umsätze der Regelbesteuerung zu unterwerfen, für diesen Kauf der Vorsteuerabzug zu gewähren sei. Das hieße also, dass durchaus die Vorsteuer für sämtliche Vorleistungen vom Finanzamt zu erstatten ist, sobald der am Ende generierte Umsatz der Regelbesteuerung unterworfen wird. Und zwar unabhängig davon, ob der Bezug der Vorleistungen vor oder nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung stattfindet. Die Rechtslage ist somit unklar.
Gewährt die Finanzverwaltung die Vorsteuer nicht, könnten Landwirte dagegen klagen und mit Blick auf die Urteile des BFH und EuGH Recht bekommen. Wer trotz dieser Unsicherheit als Pauschalierer starten und als Regelbesteuerer die Mastperiode beenden will, sollte in jedem Fall seine Verwendungsabsicht, also die Absicht, die Umsätze aus der Mast am Ende der Regelbesteuerung zu unterwerfen, von Anfang an gegenüber dem Finanzamt dokumentieren und deutlich machen. Das geht, indem Sie Vorsteuern aus den bezogenen Vorleistungen im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung ansetzen. Nur so könnten Sie Ihren Anspruch auf Erstattung geltend machen oder eventuell im Nachhi-nein von positiv beschiedenen Klagen profitieren, falls das Finanzamt Ihnen die Vorsteuer nicht erstattet.
12 500 € „gerettet“
Der deutlich sicherere Weg: Ziehen Sie bei absehbarem Wechsel zur Regelbesteuerung diesen auf den Mastbeginn vor, anstatt erst zum 1. Januar 2022 umzustellen. Viele Betriebsleiter werden sich bereits eine Betriebsstruktur für das „Ende“ der Pauschalierung überlegt und Strategien entwickelt haben. Sie sollten, wenn möglich, diese Umstrukturierung vorziehen.
Hierzu ein (fiktives) Beispiel: Hermann Meister bewirtschaftet in Westfalen einen Betrieb mit 2500 Schweinemastplätzen, davon bisher 700 Plätze und 120 ha im landwirtschaftlichen Einzelunternehmen und 1800 Mastplätze zusammen mit einem Nachbarn in einer 51a-Gesellschaft. Da Letztere über die Grenze von 600 000 € Umsatz kommt, kann sie ab 1. Januar 2022 nicht mehr wie bisher pauschalieren. Daher entscheidet der Westfale zusammen mit dem Nachbarn, die 51a-Gesellschaft zum 30. September 2021 auslaufen zu lassen. Stattdessen hält seine Frau Luise pünktlich zum Start des nächsten Mastdurchgangs im Oktober die 1800 Schweine in einer gewerblichen Tierhaltung, kann sich von Anfang an die Vorsteuern vom Finanzamt erstatten lassen und rettet so die Vorsteuer aus 2021. Da ihr Ferkelerzeuger pauschaliert, sind das rund 12 500 € (6,96 €/Schwein x 1800 Schweine). Die restlichen 700 Plätze und 120 ha bewirtschaftet Hermann Meister weiter im landwirtschaftlich pauschalierten Einzelunternehmen. Vorteile der Betriebsstruktur: Die Meisters sparen Vieheinheiten und deren Kosten, könnten künftig auch mehr Tiere halten und sind bei der Weiterentwicklung des Betriebes nicht auf einen Dritten angewiesen.
Aber sie zahlen höhere Grundsteuern. Zudem stellt dieser Betriebsteil keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, sondern einen gewerblichen dar. Dadurch kann es zur erbschaftsteuerlichen Nachbewertung kommen, wenn Behaltensfristen der Hofübergabe nicht eingehalten werden. Beim Erbrecht gilt das Bürgerliche Gesetzbuch statt die Höfeordnung. Auch Auswirkungen auf mögliche Förderung oder beim Baurecht mussten die Meisters im Blick behalten.
Betriebe, die bereits bestehende gewerbliche Einheiten bewirtschaften, wie etwa einen gewerblichen Futtergetreidehandel, ein gewerbliches Lohnunternehmen oder eine gewerbliche Ferkelaufzucht, können die Mast auch über diese Betriebe laufen lassen.
Neuen Betrieb gründen
Doch auch, wer aufgrund der Auswirkungen beim Wechsel in die gewerbliche Tierhaltung diesen Weg nicht gehen kann, kann sich die Vorsteuern aus 2021 sichern. Dazu ein weiteres, fiktives Beispiel: Diesmal gehen wir davon aus, dass Hermann Meister den Betrieb erst kürzlich von seinem Vater im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übernommen hat. Da er somit beim Wechsel in die gewerbliche Tierhaltung hohe Erbschaftsteuern nachzahlen müsste, entscheidet er sich für eine andere künftige Konstellation: Die 700 Mastplätze bleiben wie gehabt im landwirtschaftlich pauschalierten Einzelunternehmen. Auch diesmal lässt Meister die 51a-Gesellschaft auslaufen. Allerdings gründet Meister dann zusammen mit einem anderen Nachbarn zum 1. Oktober 2021 eine neue 51a-KG, die zwar weiterhin landwirtschaftlich ist, allerdings zur Regelbesteuerung (nach § 24 (4) UStG) optiert. So kann die Gesellschaft die 12 500 € Vorsteuer aus 2021 sichern, ohne dass Meister Erbschaftsteuer nachzahlen muss. Aber: Die Gesellschaft ist fünf Jahre an die Regelbesteuerung gebunden. Die Neugründung der 51a-Gesellschaft war nötig, da diese mit Begründung direkt regelbesteuern kann, während bestehende Betriebe immer nur für ganze Kalenderjahre, also ab dem 1. Januar eines Jahres optieren können.
Bei Überlegungen zur Sicherung des Vorsteuerabzugs aus der Aufstallung im vierten Quartal 2021 sollten Sie darauf achten, die Produktion nicht nur durchgangsweise auf einen anderen Betrieb auszulagern. Denn das könnte der Fiskus als Umgehung ansehen. Daher ist es wie in den Beispielen am besten, die Umstrukturierungen gemeinsam mit denen anzustellen, die ab 1. Januar 2022 sowieso anstehen.
Schon ab 2021 regelbesteuern?
Angesichts der schlechten Preise sollten Sie auch prüfen, ob es nicht generell Sinn macht, bereits rückwirkend zum 1. Januar 2021 zur Regelbesteuerung zu optieren. Auch so könnten Sie sich den Vorsteuerabzug aus dem letzten Mastdurchgang 2021 sichern. Am besten, Sie kalkulieren mit Ihrem Steuerberater, ob 2021 voraussichtlich ein Pauschalierungsvorteil vorhanden ist, ob also die als Pauschalierer 2021 vereinnahmte Umsatzsteuer insgesamt höher ist als sämtliche Vorsteuern, die Sie als Optierer erstattet bekämen. Ist dem nicht so, lohnt die Option. Für einen Wechsel zur Regelbesteuerung für 2021 haben Sie noch bis 10. Januar 2022 Zeit. Zwar sind Sie dann fünf Jahre an die Option gebunden, eine Erhöhung der 600 000-€-Umsatzgrenze für die Pauschalierung ist allerdings nicht in Sicht. Sollten Sie also auch dauerhaft über dieser Grenze sein, würde diese Bindungsfrist nicht weiter ins Gewicht fallen. Hinzu kommt, dass eine Absenkung des Pauschalierungssatzes auf 9,6 % diskutiert wird (siehe Wochenblatt Folge 21, Seite 12), was den Pauschalierungsvorteil weiter sinken ließe.
Viel Umsatzsteuer sichern
Das Futter für den Rest des Jahres 2022 sollten Sie erst nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung kaufen. Denn bei Einkauf davor erstattet das Finanzamt die Vorsteuer daraus nicht. Auch beispielsweise neue Maschinen sollten Sie erst danach kaufen, um nicht in die Vorsteuerkorrektur zu gelangen, sondern die Vorsteuerbeträge direkt vom Finanzamt erstattet zu bekommen. Auf der anderen Seite sollten Sie möglichst viele Umsätze noch als Pauschalierer generieren, also etwa selbst erzeugtes Getreide oder möglicherweise auch Anlagegüter verkaufen, die Sie zu mehr als 95 % für pauschalierte Umsätze genutzt haben.