Wisente sind nicht herrenlos

Im Wisent-Streit hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden, dass eine Duldungspflicht des Waldeigentümers bestehen kann. Diese sei jedoch zeitlich begrenzt. Zudem sei die Herde weiterhin Eigentum des Wisent-Vereins.

Der Streit um die am Rothaarsteig freigesetzte Wisentherde scheint zur unendlichen Geschichte zu werden. Denn in seinem Urteil am Freitag vergangener Woche hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Sache an das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zurückverwiesen und damit dessen Urteil vom 29. Mai 2017 aufgehoben. Dieses hatte seinerzeit den Verein verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Wisente von den Grundstücken der klagenden Waldbauern fernzuhalten. Da es sich um wild lebende Tiere handele, müsse dies allerdings unter Beachtung der erforderlichen naturschutzrechtlichen Vorschriften erfolgen.

Unzumutbar?

Durch die Zurückweisung an das OLG soll dies nun unter anderem die Frage klären, ob für die betroffenen Waldbauern eine unzumutbare Beeinträchtigung vorliegt. Zum Hintergrund: Bereits im November vergangenen Jahres hatte sich der BGH mit dem Fall befasst. Zwei Waldbauern klagten gegen den Trägerverein Wisent-Welt Wittgenstein und verlangten, dass dieser die freigesetzten Wisente daran hindert, in ihre Waldgrundstücke einzudringen und den Baumbestand zu schädigen. Ein Urteil gab es damals noch nicht.

Der V. Zivilsenat des BGH hat in der vergangenen Woche nun entschieden, dass sich während des derzeitigen Stadiums der Auswilderung („Freisetzungsphase“) eine Duldungspflicht des Waldeigentümers aus dem Bundesnaturschutzgesetz ergeben kann, sofern die Nutzung des Grundstücks „nicht unzumutbar beeinträchtigt wird“.

Verein ist Eigentümer

Entgegen der Auffassung des OLG sind die ausgewilderten Wisente und deren Nachkommen nach Ansicht des BGH derzeit aber noch nicht herrenlos. Es handele sich hier um die Erprobungsphase eines Projekts zur Wiederansiedlung einer verdrängten Tierart. „Die Herde ist weiterhin Eigentum des Vereins“, heißt es in der Entscheidung des BGH. Der Verein habe in dem im April 2013 mit dem örtlichen Landkreis, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz sowie dem Eigentümer des Projektgebietes abgeschlossenen öffentlich-rechtlichem Vertrag die Verantwortung selbst übernommen und sich zu einer umfassenden Überwachung und Steuerung der Tiere verpflichtet. Nach diesem Vertrag sollten artenschutzrechtliche Zugriffsverbote in der Freisetzungsphase gerade nicht greifen, damit die vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten zur Beendigung des Projektes erhalten bleiben. „Würde eine solche Erprobungsphase durch einen vorzeitigen Eigentumsverlust beendet, könnten Auswilderungsprojekte wie das vorliegende erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden; denn bei der Genehmigung einer Erprobungsphase müsste dann stets das Risiko einbezogen werden, dass die artenschutzrechtlicen Zugriffsverbote schon vor Abschluss der erforderlichen Prüfungen eingreifen und die Auswilderung damit gegen den erklärten Willen der Vertragsparteien unumkehrbar wird“, heißt es in der BGH-Entscheidung weiter.

Duldungspflicht begrenzt

Die Revision des Vereins habe aber deshalb Erfolg, weil sich bis zur Beendigung der Freisetzungsphase eine Duldungspflicht des Klägers ergeben kann, heißt es in der Entscheidung des BGH weiter. Diese muss aber zumutbar sein. Der Senat verwies zudem darauf, dass die Duldungspflicht zeitlich begrenzt sei. Denn die Freisetzungsphase sei von vornherein auf einen begrenzten Zeitraum angelegt worden und dürfe nicht über Gebühr ausgedehnt werden.

Mit dem Urteil des BGH sei die Verpflichtung durch das OLG-Urteil, die Wisente von den Grundstücken der Waldbauern fernzuhalten, hinfällig. „Die Wisente dürfen also weiter frei im Rothaargebirge laufen“, teilte der Wisent- Verein nach dem BGH-Urteil in einer Presseinformation mit. „Damit ist der Weg frei, den mit dem Umweltministerium in NRW und der Koordinierungsgruppe vereinbarten Prozess fortzusetzen. Unser Ziel ist es, das Wisent-Projekt nachhaltig zu etablieren und in die abschließende Projektphase zu überführen“, wird dort der erste Vorsitzende des Vereins, Bernd Fuhrmann, zitiert.

Wann kommt der Zaun?

Ende März hatte sich die Koordinierungsgruppe auf Vorschlag von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser auf einen Kompromiss verständigt. Dieser beinhaltet, dass die Wisente in den nächsten drei bis fünf Jahren in einem neu abgegrenzten Projektgebiet von 1500 ha gehalten werden (siehe Folge 14/2019). Um die Tiere dort zu halten, soll ein Zaun errichtet werden, der die anderen Wildtiere sowie den Freizeit- und Erholungsverkehr nicht beeinträchtigt, die Wisente jedoch nicht durchlässt. Das Geld dazu soll aus dem Etat des Umweltministeriums fließen. Im Detail soll die Übergangslösung bis Ende 2019 stehen. Es bleiben also nur noch fünf Monate Zeit, damit das Ganze nicht zu einer politischen Luftnummer wird.

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