Auf Obstwiesen werden vor allem starkwüchsige und bezüglich Klima- und Bodenverhältnissen anpassungsfähige Sorten gepflanzt, die nicht nur Tafeläpfel zum Frischverzehr, sondern häufig auch Wirtschafts- und Mostäpfel liefern. Hingegen wünschen sich die meisten Gartenbesitzer vor allem schmackhafte Sorten für den Direktverzehr, deren Bäume nicht zu groß werden und die früh in den Ertrag kommen.
Baumgröße, Platzbedarf und Ertragsbeginn hängen nicht allein von der gewählten Sorte ab, sondern entscheidend auch von der sogenannten Wurzelunterlage, auf der die Sorte veredelt wurde. Während Hochstämme auf starkwüchsigen Sämlingsunterlagen veredelt werden, deren Bäume erst nach fünf bis acht Jahren in den Ertrag kommen und – je nach Sorte und Boden – Pflanzabstände von 8 bis 10 (bis 12) m benötigen, empfehlen sich für den Hausgarten auch Büsche oder Halbstämme auf mittelstarken sogenannten Typenunterlagen (beim Apfel zum Beispiel M7, MM106 oder M25). Letztere benötigen Pflanzabstände von 4 bis 6 m und kommen bereits nach drei bis sechs Jahren in den Ertrag.
Rote Sternrenette
Den Namen ‚Rote Sternrenette‘ haben in Westfalen viele Ältere noch aus ihrer Kindheit in Erinnerung, denn die Sorte war hier einst extrem beliebt. Die kleinen, kugeligen und meist knallroten Früchte hatten nicht nur einen süßen, sortentypisch gewürzten Geschmack, sondern hielten bei geeigneter Lagerung im Lehmkeller der Bauernhöfe noch bis Weihnachten und wurden gern als Christbaumschmuck verwendet.
Auf Streuobstwiesen hat die Rote Sternrenette auch heute noch ihren Wert. Ihre Bäume sind stark wachsend, robust gegen die wichtigsten Krankheiten Apfelschorf, Mehltau und Obstbaumkrebs und deshalb an fast jedem Standort pflanzbar. Wegen ihres steilen Wuchses wurde die Sorte früher oft auch an Straßen und Feldwegen gesetzt.
Allerdings benötigen die Bäume einige Jahre, bis sie mit dem Ertrag beginnen. Und die Früchte sitzen dann oft außen am hängenden Feinholz, was die Ernte erschweren kann. Nachteilig ist, dass die Früchte bei starkem Wind oft auch schon kurz vor der optimalen Reife herunterfallen. Manche Baumbesitzer haben ihre „Erntestrategie“ darauf eingestellt und verteilen ein wenig Heu oder Grasschnitt unter dem Baum, damit die ansonsten druckfesten Früchte weich fallen.
Das manchmal leicht rot geaderte Fruchtfleisch verleiht dem daraus gepressten Apfelsaft einen aparten, leicht rötlichen Anstrich. Die Früchte werden im Frischverzehr auch von Allergikern vertragen.
Graue Herbstrenette
Ebenso beliebt und verbreitet war in Westfalen einst die Graue Herbstrenette, auch ‚Griesenetten‘ oder ‚Chrüsenetten‘ genannt. Ihre aromatisch süßen Früchte sind manchmal mit einer leicht herben Schale verbunden.
Werden die Früchte heutzutage am Obststand zum Verkauf angeboten, denken die meisten Kunden zunächst, die Äpfel seien sauer oder noch unreif. Der ,Aha-Effekt‘ kommt beim Probieren. Doch nicht nur für den Frischverzehr ist die Graue Herbstrenette geeignet. Mit ihrer besonderen Fleischtextur ergibt sie auch einen „sämigen“, trüben und aromatischen Apfelsaft. Die Bäume der Grauen Herbstrenette kommen relativ früh in den Ertrag und tragen im Durchschnitt der Jahre gut. Früchte und Blätter sind hochtolerant gegen Apfelschorf und Mehltau. Alles in allem eine empfehlenswerte Sorte für die Obstwiese und für den Hausgarten. Aufgrund ihrer leichten Anfälligkeit für Obstbaumkrebs sollten extrem schwere oder staunasse Böden jedoch gemieden werden. Die Früchte werden – wie die aller „grauen“ Sorten – sehr gut auch von Allergikern vertragen.
Edelborsdorfer
Die ‚Borsdorfer‘ gehören zu den ältesten Sorten im deutschen Sprachraum, deren Namen noch bis ins 19. Jahrhundert die Herzen höher schlagen ließen. Als Inbegriff obstbaulichen Kulturguts hatten die ‚Borsdorfer‘ nicht nur einen festen Platz in der Obstbauliteratur früherer Jahrhunderte, sondern auch in zahlreichen Lexika der deutschen Sprache, wie „Meyers Konversationslexikon“ von 1862. Der Edelborsdorfer, auch Winterborsdorfer oder Borsdorfer genannt, soll bereits im 13. Jahrhundert im Osten Deutschlands entstanden sein und gilt als älteste namentlich bekannte Apfelsorte im deutschen Sprachraum.
Als Hochstamm gepflanzt, konnten die Bäume mehr als 100 Jahre alt werden, benötigten jedoch 15 Jahre bis zum Ertragsbeginn. Vermutlich aus diesem Grund haben die großen Obstbaumschulen der 1930er-Jahre unter dem Namen Edelborsdorfer nicht mehr die Originalsorte verkauft, sondern eine optisch kaum unterscheidbare Sorte, die sich bei jüngsten genetischen Tests als Tochtersorte des ursprünglichen Edelborsdorfers herausstellte und über deutlich bessere Ertragseigenschaften verfügt.
Diese Sorte kann auch heute noch mit etwas Glück über Obstbaumschulen unter dem Namen Edelborsdorfer bezogen werden. Ihre kugeligen grüngelben Früchte haben lediglich sonnenseits einen schwachen rötlichen Hauch und sind Ende September/Anfang Oktober pflückreif. Der Baum ist starkwüchsig, robust gegenüber pilzlichen Krankheiten und auch geeignet für Standorte mit schwierigen Bodenverhältnissen, hohen Niederschlägen oder in Höhenlagen, an denen sonst nur noch wenige Sorten gut gedeihen.
Holsteiner Cox
Cox Orange – das war für frühere Generationen der Inbegriff eines hochintensiv aromatischen Apfels, dessen Aroma je nach Reifegrad den Geschmack von Apfelsinen, Bananen, Birnen und Äpfeln in sich vereint. Als die Sorte um 1850 aus England zu uns kam, war allerdings bald klar, dassdie Bäume nicht die Robustheitalter heimischer Sorten hatten.
Auf schweren Böden neigt Cox Orange extrem zu Obstbaumkrebs, an warmen Standorten kommen Mehltau und an niederschlagsreichen Standorten Apfelschorf hinzu. Züchter vergangener Zeiten haben daher oft versucht, die hoch aromatische, aber empfindliche Liebhabersorte mit robusten Massenträgern zu kreuzen, um mit etwas Glück eine gut schmeckende und gleichzeitig robuste Sorte hervorzubringen.
Mit dem Holsteiner Cox – gezüchtet 1903 – ist das gelungen: Die Sorte steht ihrer Muttersorte geschmacklich kaum nach, der Baum ist jedoch deutlich robuster als der des Cox. Er wächst kräftig und eignet sich auch für Obstwiesen. Früchte und Blätter sind hoch tolerant gegen Apfelschorf. Der Holsteiner Cox gedeiht in kühlen Lagen besser als in warmen. Staunasse Böden sollten gemieden bzw. sehr schwere Böden gegebenenfalls durch das Einarbeiten von Sand und/oder Kompost etwas gelockert werden. Trotz dieser Einschränkung ist die Sorte sehr zu empfehlen.
Alkmene
Auch die Sorte Alkmene gehört zu den Züchtungssorten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, bei denen versucht wurde, durch eine Kreuzung von Cox Orange mit einem robusten Massenträger einen aromatischen und gleichzeitig robusten Apfel zu erhalten.
Bei Alkmene, gezüchtet in den 1920er-Jahren im damaligen „Kaiser-Wilhelm-Institut für Züchtungsforschung“ in Müncheberg (Brandenburg), ist das gelungen. Ihre Früchte schmecken ähnlich Cox Orange, sie werden etwa Mitte September geerntet und halten auf dem Lager bis November/Dezember. Schneller als viele andere Sorten beginnt Alkmene mit dem Ertrag und trägt reich und regelmäßig. Der Baum ist wenig anfällig gegenüber Schorf, Mehltau oder Obstbaumkrebs und gedeiht an den meisten Standorten.
Ein Pluspunkt dieser Sorte ist, dass der Baum seine Früchte auch bei Vollreife nicht gleich abwirft. Ratsam ist es, von Anfang bis Mitte September an alle acht bis zehn Tage jeweils die größten Früchte zu pflücken. Da der Baum anschließend nur noch eine kleinere Zahl an Früchten zu versorgen hat, nehmen diese schnell an Gewicht und Größe zu.
Alkmene ist eine ideale Sorte für den Haus- und den Kleingarten, wo eher kleinere Bäume erwünscht sind. Für den Hochstamm auf der Obstwiese ist die Sorte weniger geeignet bzw. sollte nur dort gepflanzt werden, wo ein regelmäßiger Schnitt gewährleistet ist. Unterbleibt dieser, trägt der Baum zwar überreich, erschöpft sich jedoch frühzeitig und bleibt im Wachstum stehen. Die Früchte werden auch von Allergikern vertragen.
Ein kleiner Makel dieser Sorte: Bei sehr warmem Wetter während der Apfelblüte hat sie sich als anfällig für Monilia-Spitzendürre erwiesen. Innerhalb weniger Tage trocknen junge Triebe von der Spitze her ein und sterben ab. Solche Triebe sollten sofort bis 10 bis 20 cm ins gesunde (grüne) Holz zurückgeschnitten werden. Da Monilia bei Apfelbäumen jedoch witterungsabhängig nur alle paar Jahre vorkommt, kann die Sorte dennoch empfohlen werden.
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