Auch wenn der Winter ohne Schnee und Frost kein typischer war, freut sich jeder Waldbesucher über längere Tage und das Erwachen der Vegetation. Diese sprießt in diesen Tagen erst einmal auf dem Waldboden und in dieser Saison vermutlich noch früher als üblich. Die Frühblüher, wie Buschwindröschen und Leberblümchen, nutzen die knappe Zeit vor dem Laubaustrieb der Bäume, um mit dem eigenen Austreiben, Blühen und Fruktifizieren schon fertig zu sein, bevor die Baumkronen „das Licht ausknipsen“. Denn durch die dicht belaubten Kronen erreichen nur noch Bruchteile des Tageslichtes den Waldboden und machen die Photosynthese für viele Arten unmöglich.
Kluge Nährstoffeinlagerer
Die Frühblüher bringen bunte Farben in grau-braune Wälder zurück und liefern ersten Nektar und Pollen für die Insekten. Die mehrjährigen Stauden sind typisch für mitteleuropäische Laubwälder, meist auf nährstoffreichen Standorten mit Buche oder Eiche bestockt. Je nährstoffreicher der Waldstandort ist, desto artenreicher ist in der Regel auch seine „Geophytenflora“.
Die Nährstoffe lagern die Blumen aus unterschiedlichen botanischen Familien in unterirdischen Speicherorganen ein. Deren Form ist vielfältig. So hat das bekannte Buschwindröschen einen Erdspross – Rhizom genannt, in dem es die Energie für den Frühstart schon im Vorjahr speichert. Das noch vor dem Buschwindröschen erscheinende Scharbockskraut mit gelber Blüte und dichtem Blätterteppich nutzt Wurzelknollen. Der teilweise schon im Februar blühende Märzenbecher zieht seine Kraft aus einer Zwiebel. Die ist botanisch nichts anderes als eine stark gestauchte Sprossachse und kommt in der Form zum Beispiel auch beim gern für die Küche gesammelten Bärlauch vor. Da viele Frühblüher ihre Erneuerungsknospe frostschützend unter Tage verstecken und beim Aufwärmen des Oberbodens aus der Laubstreu schieben, werden sie Geophyten – „Erdpflanzen“ – genannt.
Ameisen als Helfer
Neben den standörtlichen Voraussetzungen ist auch die Beständigkeit der Bestockung von nicht unerheblicher Bedeutung für das botanische Artenspektrum eines Waldes. Die Forstwissenschaft spricht hier von „historisch alten Wäldern“ und meint Bestände, die seit mehreren 100 Jahren fortlaufend bewaldet sind. Das Alter des aktuellen Baumbestandes und die Naturnähe sind dabei zunächst zweitrangig. Weil die Fortpflanzung vieler Frühblüher „vegetativ“ über Ablegerbildung erfolgt und die Samen häufig nur durch Ameisen verbreitet werden, dauert die Neubesiedlung von Flächen extrem lange und ist bei isolierter Lage nahezu unmöglich. Daher gelten unter den Waldpflanzen auch einige Frühblüher wie beispielsweise das unscheinbare Waldbingelkraut, die Einbeere oder das mehrere Jahrzehnte alt werdende Leberblümchen als Zeigerarten für historisch alte Wälder. Darum sind die Frühblüher eng mit dem mitteleuropäischen Naturerbe der typischen Laubwälder verbunden.
Zahlreiche Zuchtformen
Für viele Menschen sind diese Wälder mit Teppichen blühender Pflanzen ein Sinnbild der Frühlingsnatur. Schon lange haben es etliche Arten von ihnen unter anderem als Zuchtform in die heimischen Gärten und Blumenkästen geschafft. Nichts geht aber über die Frühblüher im Wald, wo sie zum Teil hektarweise wachsen – und auch dort gelassen werden sollten. Denn viele Frühjahrsblüher stehen unter Naturschutz und dürfen weder gepflückt noch ausgegraben werden. Andere sind hochgiftig.
Vielleicht ist es, nach dem bunten Paukenschlag im Frühling, auch ihr schnelles Verschwinden bereits einige Wochen später, das die Frühblüher so besonders macht und viele Waldbesucher schon Wochen vor der erste Blüte auf sie warten lässt.
„Erdpflanzen“
Frühblüher sind auch sogenannte Geophyten und ruhen einen Teil des Jahres im Boden. Wenn die Bedingungen stimmen und es warm genug ist, treiben ihre Blätter und Blüten aus. In der Zeit sammeln sie Nährstoffe, die sie in Knolle, Rhizom oder Zwiebel einlagern. Ist die Wachstumszeit vorbei ruhen sie bis zum nächsten Jahr.