Das Sauerland ist das Kerngebiet der Weihnachtsbaumproduktion. Dr. Gregor Kaiser, Waldbauer aus dem Kreis Olpe, ist einer der etwa 600 Anbauer aus der Region. Allerdings hebt sich der 44-Jährige aus der Menge ab: Er produziert Bioweihnachtsbäume und verzichtet auf Mineraldünger sowie Herbizide und chemische Pestizide. Stattdessen setzt er auf Haarmehlpellets und Schafe. Den Bäumen ist das kaum anzusehen, den Kulturen dafür schon.
„Biologische Produktion“
Seit Ende der 1970er-Jahre werden im Betrieb der Familie Kaiser in Lennestadt-Oberelspe (Olpe) Weihnachtsbäume angebaut. Neben den insgesamt 7,5 ha Christbaumkulturen bewirtschaftet Kaiser 80 ha Wald und 3 ha Grünland. Als der promovierte Politikwissenschaftler den Betrieb 2007 von seinem Vater übernahm, wollte er etwas verändern und ökologischer wirtschaften. „Weihnachtsbäume sind ein reines Kulturgut, da ist mir eine biologische Produktion wichtig“, verdeutlicht Kaiser.
Die Folgen des Sturms Kyrill im gleichen Jahr, der große Teile der Wälder des Betriebs geschädigt hatte, bekräftigten ihn in seiner Entscheidung. Das Ziel: Biobetrieb werden. Die Anforderungen an den Biobaum sind hoch und schließen den Einsatz von synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln komplett aus. Nicht ganz unproblematisch, denn für die sattgrüne Farbe der Nordmanntannen sind regelmäßige Stickstoffgaben nötig. Unbeirrt von den vielen Herausforderungen und den belächelnden Blicken einiger Berufskollegen begann Kaiser den Anbau seiner Weihnachtsbäume schrittweise umzustellen. Seit Mai 2010 ist die Weihnachtsbaumproduktion nach EG-Öko-Verordnung zertifiziert. Im Herbst 2015 folgte die Zulassung als Naturland-Betrieb.
Schweine liefern Ersatz
Kaiser ermittelt regelmäßig mithilfe von Bodenproben den Nährstoffbedarf der Böden seiner Kulturen. Während sich für die Startdüngung vor der Pflanzung organische Dünger wie Gülle, Festmist oder Kompost noch eignen, fallen diese für die Nährstoffgabe in den stehenden Beständen aus – die Ausbringung ist zu kompliziert, ohne die Bäume zu schädigen oder zu verschmutzen.
Dennoch liefern Schweine die Lösung des Düngeproblems: Kaiser nutzt Haarmehlpellets. Sie werden aus den Borsten von Mastschweinen gewonnen und haben einen Stickstoffgehalt von 14%. Neben den Haarmehlpellets setzt er nach Bedarf noch Gesteinsmehle, Kalke und natürliche Spurenelementdünger ein – das gestatten die Biorichtlinien, nach denen Kaisers Betrieb zertifiziert ist.
Aufgrund der Hanglage und fehlender Großtechnik bedeutet „düngen“ für Kaiser Handarbeit. Der Weihnachtsbaumanbauer bringt sämtliche Nährstoffe mit einer Säwanne aus.
Schafe statt Herbizide
Ein Problem aller Weihnachtsbaumerzeuger ist der Begleitwuchs. Zur Regulierung der Gräser, Farne und anderer krautiger Pflanzen mulchen die meisten Betriebe ihre Flächen regelmäßig. Weil eine geeignete Raupe mit Anbaumulcher für den kleinen Betrieb zu teuer ist, nutzt Kaiser neben dem Freischneider seine 16 Shropshire-Schafe. Sie fressen den Begleitwuchs zuverlässig ab.
Aufgrund der vergleichsweise kleinen Flächeneinheiten muss Kaiser seine Schafe regelmäßig umtreiben. Hinzu kommen die Hufpflege, die Fellschur und die Bergung des Winterfutters. Nicht zuletzt muss der Waldbauer seine Herde nach dem Lammen oder dem Zukauf neuer Schafe streng kontrollieren. Einige Schafe neigen zum Verbiss der Weihnachtsbäume. „Sie sind ein Fall für den Metzger“, sagt Kaiser.
Trotz der Schafe muss der Weihnachtsbaumerzeuger die Flächen zusätzlich mähen – bis zu dreimal jährlich. „Das ist der massivste Unterschied im Bioanbau“, urteilt der 44-Jährige.
Schädlinge bekämpfen
Gefürchteter Feind aller Weihnachtsbaumerzeuger ist die Tannentrieblaus. Sie nutzt besonders das Schmalblättrige Weidenröschen als Wirtspflanze. Um die Trieblaus, die durch ihre Saugtätigkeit die Nadeln schädigt, zu bekämpfen, nutzen konventionelle Anbauer häufig Insektizide. Kaiser nutzt entsprechend den Biorichtlinien nur Präparate, die auf der sogenannten FiBL-Liste (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) aufgeführt sind. Bisher verursachte die Tannentrieblaus im Betrieb aber keine Probleme.
Neben der Mahd und Düngung unterscheiden sich die Tätigkeiten des Waldbauern im Jahresverlauf kaum von denen konventionell wirtschaftender Berufskollegen: Mithilfe der „Top-Stop-Zange“ korrigiert Kaiser den Wuchs der Leittriebe, durch das Abzupfen der jungen Seitentriebe bringt er seine „Nordmänner“ in Form. Weihnachtsbaumanbau erfordert eben viel Handarbeit.
Nische „Biobaum“
Die spezielle Düngung und Pflege machen sich bemerkbar: Tendenziell sind die Biobäume nicht so kräftig grün wie die aus dem Nichtbioanbau. Verglichen mit dem konventionellen Anbau dauert die Produktionszeit in der Regel ein Jahr länger, weil Kaiser die Weihnachtsbäume wegen des Begleitwuchses bei der Ernte bis zu 20 cm über dem Boden abschneiden muss. „Nicht immer sind die Bäume im unteren Bereich bis in die Mitte benadelt, eine Folge des Begleitwuchses“, beschreibt er.
Allerdings schützt der Bodenbewuchs an den mitunter steilen Hängen auch vor Bodenerosion. Zudem bieten die Pflanzen Insekten und Bodenlebewesen einen Lebensraum. „Die Biodiversität ist im Vergleich zu früher deutlich gewachsen“, ist sich Kaiser sicher.
Als Direktvermarkter mit einem Ab-Hof-Verkauf und einem Verkaufsstand in Bonn hat sich der Waldbauer mit dem Nischenprodukt „Biobaum“ erfolgreich am Markt positioniert. Im Schnitt kostet ein ökologisch erzeugter Weihnachtsbaum 3 bis 5 €/m mehr als eine konventionell produzierte Nordmanntanne. „Ein Biobaum in 2 m Größe ist im Großhandel nicht unter 20 € erhältlich“, verdeutlicht Kaiser. Im Vergleich dazu kosten konventionell produzierte Bäume im Großhandel durchschnittlich nur die Hälfte. Für die Biobauern ist deshalb der Handel mit Discounterketten nicht rentabel.
Bislang machen Biobäume einen Marktanteil von knapp 0,5% aus. Aber die Nachfrage steigt. „Der Kunde unterstützt den nachhaltigen und ökologischen Anbau“, meint Kaiser. Seiner Aussage nach steigen zunehmend Familienbetriebe auf den biologischen Anbau um. Der Weihnachtsbaumproduzent ist sich sicher: „Für große Haupterwerbsbetriebe ist der Bioanbau eine Option, wenn die ökonomischen hinter den ökologischen Interessen stehen.“
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