Studie "Kotwasser beim Pferd": Ursache? Prophylaxe? Therapie? Auch wenn einige Pferdehalter das Problem zu kennen scheinen, ist über die Ursachen des Kotwassers in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wenig zu finden. HIer gibt es Antworten und eine Checkliste zum Download.
Wissenschaftliche Studie zu Kotwasser
Sind Fehler in der Fütterung und Haltung die Ursache dafür, dass Pferde Kotwasser ausscheiden? Gibt es Risikofaktoren, die freies Kotwasser begünstigen? Inwieweit können die Besitzer Einfluss nehmen? An der Hochschule Osnabrück gingen Wissenschaftler diesen Punkten nach. Franziska Beiermann, Prof. Dr. Heiner Westendarp, Fachgebiet Tierernährung, Hochschule Osnabrück, und Dr. Sebastian Bartke, Tierärztliche Klinik für Pferde, Warendorf, befragten 295 Teilnehmer, deren Pferde eine Kotwasser-Symptomatik zeigen. Die Arbeitsgruppe stellte dem Wochenblatt exklusiv AUszüge aus der Arbeit zur Verfügung. Hier sind die Ergebnisse.
Risikofaktoren identifizieren
Ziel dieser Arbeit war es, grobe Fehler in der Fütterung und Haltung der Pferde mit Kotwassersymptomatik zu ermitteln und dadurch Risikofaktoren zu identifizieren, die das Auftreten von freiem Kotwasser begünstigen. Mit Hilfe dieser Risikofaktoren soll eine Handlungsempfehlung für die Praxis gegeben werden, die es Besitzern von betroffenen Pferden ermöglicht, die Ursachen der Entstehung von Kotwasser bei ihrem Pferd einzugrenzen und Fehler in der Fütterung und Haltung zu vermeiden.
Hier gibt es eine Checkliste.
Im deutschsprachigen Raum scheint das Auftreten von freiem Kotwasser ein häufig zu beobachtendem Phänomen zu sein. Unabhängig vom Kotabsatz wird dabei eine schwarzbraune Flüssigkeit ausgeschieden. Neben kosmetischen Problemen können Reizungen des Analbereichs auftreten, die bei unzureichender Pflege in einer Dermatitis (Hautentzündung) enden können. Dennoch ist in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wenig Konkretes über die Ursachen des Kotwassers zu finden. Fest steht jedoch, dass es sich beim Absatz von freiem Kotwasser lediglich um ein Symptom handelt, welches durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden kann. Es stellt sich daher die Frage, welche Faktoren das Risiko einer Kotwassersymptomatik erhöhen und in wie weit Besitzer hier Einfluss nehmen können.
Raufutter – Gesunderhaltung von Magen und Psyche
Raufutter bildet die Basis jeder Ration, es regt zu langem Kauen an und ist für eine störungsfreie Verdauung unerlässlich. Die Mehrheit der Pferde erhielten in dieser Studie Heu (87,1 %) und nur selten (3,1 %) bekamen die Tiere Silage gefüttert.
Zu 33,2 % wurden die Pferde „ad libitum“ mit Raufutter versorgt und ein Fünftel hatte mehr als 10 kg zur täglichen Verfügung. 21,0 % der Befragten gaben an, dass ihre Pferde weniger als 8 kg Raufutter je Tag bekamen. Lediglich 8,8% konnten keine Angabe über die täglichen Heumengen ihrer Pferde machen.
Zusammenfassend stellte sich die Raufutterversorgung der Tiere als zufriedenstellend dar, nur wenige folgten nicht den Empfehlungen der Literatur und fütterten weniger als 1,5 kg Grobfutter pro 100 kg KM (Körpermasse) und Tag. Dennoch stellen die Empfehlungen nur Mindestmengen dar, die in individuellen Fällen nicht ausreichend für eine Gesunderhaltung des Verdauungstraktes sein können, z. B. wenn große Mengen Kraftfutter oder sehr strukturarmes Raufutter verfüttert werden.
Unter Berücksichtigung von Raufutter als Beschäftigungsmaterial reichen die verfütterten Mengen häufig nicht aus. Diese würden nur erreicht werden, wenn mind. 3 kg/ 100 kg KM und pro Tag gefüttert werden würden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass das Kaubedürfnis der Pferde die mit weniger als 3 kg je 100 kg KM und Tag versorgt wurden nicht ausreichend gestillt wurde. Dieses kann neben Störungen des Verdauungstraktes vor allem Stress zur Folge haben.
Die vermehrte Aufnahme und Ansammlung von Sand im Gastrointestinaltrakt des Pferdes wird in der Literatur als eine mögliche Ursache für die Bildung von freiem Kotwasser gesehen, vermutlich bedingt durch eine Reizung der Darmschleimhaut. Viele der Pferde hielten sich regelmäßig auf Sandpaddocks auf (57,3%), mehr als die Hälfte dieser Tiere (56,8%) hatte in dieser Zeit kein Grobfutter zur Verfügung, was das Risiko einer Sandaufnahme weiter erhöht. Dennoch fanden nur 2,4 % der Teilnehmer Sandrückstände im Kot ihres Pferdes. Fraglich ist jedoch, ob hier die Beurteilung des Kotes fachgerecht vorgenommen wurde, da sich dieses als schwierig gestalteten kann, wenn die Sandrückstände nicht immer optisch zu erkennen sind. Empfehlung: Aufschwemmen des Kotes, mit dessen Hilfe die Menge an Sand im Kot einfach zu beurteilt ist.
Kraftfutter – die Menge pro Gabe macht´s
Die Menge an Kraftfutter lag im Schnitt aller Pferde der Befragung bei 1,5 kg je Tag. 83,7 % der Tiere erhielten täglich weniger als 3 kg und nur 2 % der Pferde wurden mit mehr als 5 kg Kraftfutter gefüttert. 13,2% der Befragten gaben sogar an, dass ihr Pferd kein Kraftfutter bekommt. Die Intensität der Kraftfutterfütterung ist deshalb in dieser Umfrage nicht als auffallend hoch zu bewerten.
Trotz der moderaten Kraftfuttermengen wurde die Aufteilung der Gesamtmenge je Tag in vielen Fällen nicht ausreichend durchgeführt. Mehr als die Hälfte (57%) der Pferde bekamen ihre Kraftfuttermengen auf zwei bis drei Gaben je Tag verteilt. In der Literatur wird empfohlen, Kraftfuttermengen unter 4kg, auf mind. 2-3 Gaben aufzuteilen. Dieser Empfehlung folgten 25,4 % der Befragten nicht und verabreichen das gesamte Futter in nur einer Portion. Bei Pferden die mehr als 4kg täglich bekamen, lag die Anzahl der Gaben bei max. drei je Tag. diese steht im Konflikt zu den in der Literatur geforderten vier Gaben bei Kraftfuttermengen über 4kg. Nur selten (4,4 %) wurde die tägliche Kraftfuttermenge auf mehr als vier Gaben verteilt.
Zudem sollte der Stärkeanteil des Kraftfutters berücksichtigt werden. Die Besitzer sollten deshalb die Stärkegehalte des verwendeten Kraftfutters kennen und max. 1g/ kg KM und Tag verfüttern.
Futtermittelqualitäten – das Auge sieht nicht alles
Als Risiko für Verdauungsstörungen, darunter auch Kotwasser, gilt u.a. auch verunreinigtes und schimmeliges Grobfutter. In der Umfrage fanden nur wenige der Befragten Abweichungen von der angestrebten Qualität ihrer Futtermittel. Lediglich 1,7 % empfanden den Geruch ihres Grobfutters als muffig und auch den Staubgehalt schätzten nur 2,4 % der Befragten als hoch ein. Den Geruch des Kraftfutters empfanden zudem nur wenige (0,4 %) als muffig oder ranzig. Zu beachten ist aber, dass in den meisten Fällen die Beurteilung der Grobfutterqualität subjektiv erfolgt. Zudem lassen sich besonders beim Grobfutter die genauen Keimgehalte nur über eine mikrobiologische Untersuchung ermitteln, weshalb empfohlen wird diese analytischen Bestimmungen durchzuführen zu lassen. Besonders die mikrobiologische Untersuchung sollte beim Raufutter vorgenommen werden, da Keimgehalte und Verschmutzungen nicht immer optisch zu erkennen sind. Dennoch wurde das Grobfutter und/ oder Kraftfutter nur selten auf Inhaltsstoffe oder Keimgehalte untersucht:
Das Grobfutter ließen 88,5 % der Teilnehmer nicht untersuchen, beim Kraftfutter lag dieser Anteil sogar bei 88,8 %. Fazit: Futtermitteluntersuchungen auf Inhaltsstoffe und die Mikrobiologie sind die Basis für eine bedarfsgerechte Pferdefütterung. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf.
Futterumstellung – langsam aber/und sicher
Jede Futterumstellung, insbesondere die Umstellung von Stall- auf Weidefütterung, stellt eine Belastung für den Verdauungstrakt des Pferdes dar. Bei unsachgemäßer Umstellung können die Auswirkungen und Folgen, wie z.B. freies Kotwasser, noch Monate nach der Umstellung auftreten.
In der Umfrage führten 42,0 % der Befragten eine Futterumstellung innerhalb der letzten sechs Monate durch, wobei am häufigsten das Grobfutter (45,2 %) umgestellt wurde.
Eine Umstellung von Grobfutter, insbesondere das An- bzw. Abweiden sollte noch langsamer als eine Kraftfutterumstellung erfolgen. Daher ergeben sich für Kraft- und Zusatzfuttermittel andere Bewertungskriterien als für Grobfuttermittel. Bei der Umstellung von Kraft- und Zusatzfutter wird eine allmähliche Verschneidung des Futters über ca. eine Woche als „langsam“ betrachtet. Der Wechsel innerhalb von 3-5 Tagen erfolgt demnach in „mittlerer“ Geschwindigkeit und eine abrupte Umstellung innerhalb weniger Tage wird als „schnell“ beschrieben (siehe Abbildung 1). Grobfutterumstellungen innerhalb einer Woche werden als „mittel“, abrupte Wechsel als „schnell“ bezeichnet. Das Grobfutter sollte im besten Fall über einen Zeitraum vom 10-14 Tagen „langsam“ verschnitten werden und auch das Anweiden sollte über diesen Zeitraum durchgeführt werden.
Zum größten Teil (35,5 %) erfolgte der Wechsel, unabhängig vom Futtermittel, schneller als in der Literatur empfohlen. Besonders das Grobfutter, wo runter auch das Anweiden fällt, wurden zu 22,6 % abrupt und ohne mehrtägigen Übergang gewechselt. Bei der Umstellung des Kraftfutters folgten die Besitzer meist den Empfehlungen.
Da viele der Befragten eine schnelle Umstellung des Futters, besonders des Grobfutters, praktizierten, ist davon auszugehen, dass vor allem das Umstellen von Grobfuttermitteln und das An- bzw. Abweiden eine Ursache des Auftretens von freien Kotwasser sein kann.
Zahnerkrankungen – Kaufähigkeit im Blick behalten
Eine Kontrolle der Zähne sollte mindestens einmal jährlich erfolgen. Nur so kann eine intakte Gebissfunktion gewährleistet werden. Auch in der Umfrage war der Kontrollzyklus der Zähne bei nur 11,9 % der Pferde größer als ein Jahr und auch eine bereits diagnostizierte Zahnerkrankung lag bei nur 15,6 % der Tiere vor.
Verschiedene Anzeichen deuten auf eine gestörte Gebissfunktion hin, besonders das Auftreten von langen Fasern (>4 mm) und ganzen Körnern im Kot des Pferdes lassen auf eine verminderte Kautätigkeit schließen. Trotz regelmäßiger Kontrollen stellten viele der Befragten Anzeichen einer geminderten Gebissfunktion fest: 19,7 % der Probanden gaben an, dass im Kot ihrer Pferde ganze Körner zu finden sind und sogar 27,2 % fanden hier Fasern von über 4mm Länge. Besonders interessant ist, dass 38, % der Befragten dabei keine Zahnerkrankung ihres Tieres bekannt ist.
Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes – die Anzeichen beachten
12,5% der Befragten gaben an, dass ihr Pferd bereits unter einer Vorerkrankung des Magen-Darmtraktes litt. Magengeschwüre wurden dabei mit 37,8 % am häufigsten benannt, darauf folgten Magenschleimhautentzündungen mit 24,3% und Dysbiosen (Ungleichgewicht der Darmflora) mit 16,2%. Als Ursachen der Läsionen im Magen werden vor allem hohe Kraftfuttermengen genannt. Aus der Befragung ging hervor, dass die Pferde dieser Umfrage nicht übermäßig mit Kraftfutter versorgt wurden, die Mengen pro Einzelgabe jedoch oft zu hoch waren. Die Mehrheit der Pferde (52,2 %), die von einer Vorerkrankung des Magens betroffen waren, erhielt weniger als 1kg Kraftfutter je Tag und rund 13 % dieser Pferde erhielten gar kein Kraftfutter. Auch ohne sichere Diagnose werden in der Literatur einige Anzeichen beschrieben, die auf eine Schmerzempfindlichkeit des Magens schließen lassen.
Diese wurden von den Befragten wie folgt wahrgenommen: Besonders häufig wurde angegeben, dass die Tiere ihr Kraft- und / oder Raufutter nur sehr langsam aufnahmen oder sogar längere Fresspausen einlegten (39,2%). Des Weiteren zeigten 32,2% der Pferde Abwehrreaktionen beim Gurten. Auch das vermehrte Gähnen der Tiere wurde von 24,0 % der Befragten beobachtet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Häufigkeit der Magenerkrankungen bei den Pferden der Umfrage höher war, als angegeben.
Als häufigstes Indiz für Verdauungsstörungen am Dünn- und Dickdarm wird das Auftreten von Blähungen in der Literatur beschrieben. In der Befragung stellte sich heraus, dass Aufgasungen mit 26,9 % die am häufigsten genannte Kolikursache der Pferde war. Zudem gaben 40,5 % aller Befragten an, diese typischen Symptome einer Blähung bereits bei dem eigenen Tier beobachtet zu haben. Auf Grund dieser Tatsachen lässt sich vermuten, dass ein großer Teil der Pferde aus der Befragung zumindest unter leichten Verdauungsstörungen im Bereich des Dünn- und Dickdarms litt.
Stressbelastung – Vom Kopf in den Darm
Die Literatur schreibt der Stressbelastung der Tiere eine maßgebliche Rolle in der Bildung von freiem Kotwasser zu. In der Umfrage schätzten 36,9% der Befragten ihr Pferd als stressempfindlich ein. Zudem liefern die Rangpositionen innerhalb der Herde und das Verhalten des Tieres gegenüber anderen Pferden Anhaltspunkte, die dazu beitragen können, die Stressbelastung der Tiere zu beurteilen. Besonders soziale Konflikte, wie sie zwischen ranghohen und rangniedrigen Tieren entstehen, sind als Auslöser von sozialem Stress benannt.
Rund 30 % der Tiere wurden von ihren Besitzern als rangniedrig eingeschätzt. Am häufigsten wurde den Tieren aber eine ranghohe Position (44,2 %) zugesprochen.
Fazit - Hinweise für Pferdehalter
1. Ausreichende Grobfuttermenge für die Gesunderhaltung des Magen-Darm-Traktes unerlässlich.
- Minimum 1,5 kg /100 kg KM / Tag
- Ausreichende Beschäftigung mit 3 kg Grobfutter / 100 kg KM / Tag
2. Neben täglichen Gesamtmengen an Kraftfutter, sind die Mengen je Gabe entscheidend
- Max. 1 g Stärke / kg KM und Gabe bzw. max. 0,3kg Kraftfutter / 100kg Gabe
3. Qualitäten der Futtermittel werden maßgeblich von ihrer Lagerung beeinflusst
- Praktikable Beurteilung mit Hilfe von Sinnesprüfungen
- Besonders bei Grobfutter ist Untersuchung auf Inhaltsstoffe und Keimgehalte zu empfehlen
4. Beim Wechsel von Grobfutter und dem Anweiden wird häufig eine zu schnelle Umgewöhnung praktiziert
5. Beifütterung von Grobfutter während des Aufenthaltes auf kargen Weiden und Sandpaddocks notwendig, um vermehrte Sandaufnahme zu verhindern
6. Erhöhung des Kotwasserrisikos durch Stressbelastung vermeiden
Checkliste für Pferdebesitzer zur Eingrenzung der Ursache von freiem Kotwasser: Um Besitzern von Pferden mit Kotwassersymptomatik eine Eingrenzung der Ursachen zu ermöglichen, wurde auf Grundlage der Literatur und der in der Umfrage gewonnenen Daten eine Checkliste entwickelt.
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