Die Dülmener Wildpferde sind weit über die Grenzen Westfalens bekannt – und könnten nun durch einen geplanten, rund 10 km langen Wolfschutzzaun weitere Bekanntheit erlangen. Die aus rund 400 Pferden einschließlich Fohlen bestehende Herde lebt im Merfelder Bruch, wenige Kilometer westlich der Stadt Dülmen im Kreis Coesfeld. Erstmals urkundlich 1316 erwähnt und damals noch tatsächlich frei lebend, ist der Lebensraum der Tiere seit Mitte des 19. Jahrhunderts die rund 400 ha große, eingezäunte Wildpferdebahn. Sie befindet sich im Besitz des Herzogs von Croy.
Bestätigter Damwildriss
Doch mit der vermeintlichen Idylle scheint es dort nun vorbei zu sein. Denn in der Wildpferdebahn kam es im Mai 2020 zu einem vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) bestätigten Damwildriss durch einen Wolf. Daraufhin hat der Eigentümer der Dülmener Wildpferde im März dieses Jahres den Bau eines Wolfschutzzaunes beantragt. „Die vom LANUV bestätigten Damwildrisse durch einen Wolf in der Wildpferdebahn zeigen die Notwendigkeit, die unter Naturschutz stehende Wildpferdeherde vor dem Wolf zu schützen“, heißt es in der Vorlage zur Sitzung des Beirates bei der Unteren Naturschutzbehörde am 15. Dezember, die auf der Internetseite des Kreises Coesfeld veröffentlicht ist. Weiter ist dort zu lesen: „Pferde sind von Natur aus Fluchttiere und bei einer entsprechenden Gefahr durchbrechen diese auch für Pferde gedachte Zäune. Die Problematik der Verkehrssicherungspflicht bei einer gegenwärtig rund 400 Pferde starken Herde lässt sich dadurch ableiten.“ Damit es erst gar nicht so weit kommt, möchte der Eigentümer die Wildpferdebahn an der Außengrenze wolfssicher einzäunen.
40 cm Untergrabeschutz
Bei dem geplanten ca. 9,9 km langen Zaun handelt es sich um ein durchgehendes, 2,20 m hohes Knotengeflecht (2,5 mm Draht mit Spezialverzinsung), von dem oberirdisch aber nur 1,80 m zu sehen sein werden. Denn als Untergrabschutz wird der Zaun 40 cm in die Erde versenkt. Oberhalb des Knotengeflechtes sollen zwei Stromdrähte verhindern, dass der Zaun von Wölfen überklettert wird. Auf der Innenseite des Zauns sollen ebenfalls zwei Stromdrähte in 1,1 m bzw. 0,6 m Höhe angebracht werden, um „den Zaun vor den Wildpferden zu schützen“.
Das geplante Vorhaben befindet sich zum Teil in den Naturschutzgebieten „Wildpferdebahn im Merfelder Bruch“ und „Heubachwiesen“ sowie im Landschaftsschutzgebiet „Merfelder Bruch-
Heubachniederung“. Beide Naturschutzgebiete sind zudem Bestandteil des Vogelschutzgebietes „Heubachniederung, Lavesumer Bruch und Borkenberge“. Für das Vorhaben ist daher eine Befreiung gemäß § 67 Bundesnaturschutzgesetz von dem innerhalb der Schutzgebiete geltendem Bauverbot erforderlich. Über die Erteilung der Befreiung hat der Beirat bei seiner Sitzung in der nächsten Woche zu beschließen.
Im Zuge der Beteiligung der Naturschutzverbände ging im August dieses Jahres eine gemeinschaftliche Stellungnahme bei der Unteren Naturschutzbehörde ein. Wie der Vorlage zu entnehmen ist, wurde dabei auf die bauliche Ausführung des Zaunes Bezug genommen und der optimale wolfsabweisende Schutz infrage gestellt ebenso wie seine pferdegerechte Gestaltung. Als bedenklich wird auch der Verlust des Genaustausches von Wildtierarten innerhalb und außerhalb des umzäunten Bereiches angesehen. Vonseiten des Veterinäramtes und aus jagdrechtlicher Sicht wurden hingegen keine Bedenken erhoben.
Schutz eines „Kulturgutes“
Wie es in der Vorlage weiter heißt, soll die Befreiung aus Gründen des überwiegend öffentlichen Interesses erteilt werden. Zwar würden auch an anderen Standorten im Land größere Tierherden weiden. Und sicherlich fände sich auch hier die eine oder andere Straße, sodass eine Gefährdung ebenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. „Doch während die meisten Weidetiere den Winter im Stall verbringen, grasen die Dülmener Wildpferde ganzjährig im Merfelder Bruch. Aus diesem Grund muss das Bauvorhaben als eine Vorsorgemaßnahme zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz der Wildpferde als Kulturgut verstanden werden.“
Für die Bauzeit werden drei Monate veranschlagt. Um artenschutzrechtlichen Konflikten entgegenzuwirken, soll ein „Bauzeitfenster“ vom 1. August bis 28. Februar festgesetzt werden. Mit dem Neubau wäre der Rückbau des bestehenden Zaunes um die Wildpferdebahn verbunden.
Wer trägt die Kosten?
Sollte sich der Naturschutzbeirat in der nächsten Woche die Befreiung vom Bauverbot aussprechen, stünden noch die wasserrechtliche Genehmigung seitens der Wasserbehörde und die Baugenehmigung seitens der Stadt Dülmen für den Wolfschutzzaun aus. Sollten diese Genehmigungen erteilt werden, stellt sich die Frage, wer das Mammut-Zaunprojekt bezahlt. Fakt ist, dass die Wildpferdebahn offiziell nicht als Wolfsgebiet eingestuft ist und auch nicht in der Pufferzone des Wolfsgebietes Schermbeck liegt. Auf Grundlage der „Förderrichtlinien Wolf“ würden in diesem Fall Investitionen in vorbeugende Herdenschutzmaßnahmen seitens des Landes gefördert. Doch im Gegensatz zu anderen Nutztieren handelt es sich bei den Wildpferden um ein Kulturgut und die Herde steht unter Naturschutz. Also doch eine Förderung durch das Land? Die Antwort auf unsere Frage blieb das Ministerium bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe schuldig.
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