Pferdehaltung

Ethik in der Pferdehaltung

In der Vergangenheit waren Pferde Nutztiere. In der öffentlichen Wahrnehmung werden sie mehr als Begleiter des Menschen gesehen. Entsprechend kritischer werden Reiterei und Pferdehaltung betrachtet.

Auch wenn es Beteiligte ungern hören: Die Nutzung von Pferden, in welcher Form auch immer, ist nicht mehr unumstritten. Eine kleine, aber virulente Gruppe von Tierrechtlern zielt schon jetzt auf das Ende der Reiterei, was in weiten Teilen ein Ende der Pferdehaltung in all ihren Aspekten einschließt. Auf der einschlägigen Internetseite von PETA heißt es: „Warum der Pferdesport mit all seinen Disziplinen Tierquälerei ist und wie die Pferde leiden.“

Nun lässt sich Reiten – wie Jagen, Fischen oder Schnitzelessen – als Nutzung von Tieren gegen echte Tierrechtler nicht rechtfertigen. Auch wenn deren Kritik nicht gesellschaftlicher Konsens ist – allen Beteiligten sollte klar werden, dass die Haltung von Pferden und vor allem ihre Nutzung zum „Spaß“ der Menschen zwar eine jahrtausendealte soziale Praxis ist, aber als solche nicht gegen Kritik immun. Auch diejenigen, die „gar nichts gegen das Reiten haben“, werden den Reitern nicht beistehen, wenn diese angegriffen werden. Eben, weil ihnen die Reiterei einfach „egal“ ist.

„Das Tier“ ist Megathema

Die Diskussion um die Nutzung von Pferden sollte nicht losgelöst betrachtet werden von der „Großwetterlage“ bei Fragen des Ver­haltens und des Verhältnisses zu Tieren überhaupt. „Das Tier“ ist zu einem Megathema in unserer Gesellschaft geworden. Dies lässt sich an zahlreichen wissenschaftlichen Projekten, die sich mit Tieren befassen, ablesen – und das weit über die Tiermedizin oder die Agrarwissenschaften hinaus, zum Teil sogar an ihnen vorbei: in den Kultur- und Geisteswissenschaften, in der Volkskunde, der Soziologie, der Geschichte sowie den philologischen Fächern.

In der Philosophie und der Ethik waren Tiere traditionell ein kleines Seitenthema und Fragen nach den moralischen Grenzen, ­etwa der Nutztierhaltung, waren schlechthin exotisch. Das hat sich massiv verändert: Eine Welle von Publikationen und akademischen Aktivitäten zu ethischen Perspektiven auf Nutztiere und Tiere allgemein hat die geistige Landschaft verändert. Die Bedeutung des Themas Tier als solches hat sich rasant gewandelt. Das Thema treibt Menschen offenkundig in einem bisher unbekannten Maße um: In einer Breite, die annehmen lässt, dass wir es hier nicht mit einer Wolke zu tun haben, die vorüberzieht. Für diese Konstellation einer neuen „Sorge um Tiere“ ist wiederum der Begriff „Tierwohl“ einschlägig geworden, wie er gerade landauf, landab bemüht wird. Tierwohl schließt (wie Wohlbefinden) die subjektive Komponente des Erlebens der Tiere mit ein. Es passt deshalb gut zu einer modernisierten Sicht auf Tiere: Sie sind, in den Worten des tierethischen Klassikers Tom Regan, „experiencing subjects of a life“, also Wesen, die individuell subjektive Erfahrungen machen.

Diesen Artikel veröffentlichte die in Berlin erscheinende Tageszeitung „taz“ nach dem Gewinn der Goldmedaille durch das deutsche Dressurteam.

Die pure Unterwerfung
aus: "Die Tagezeitung", taz, 30.7.21
Das deutsche Dressurteam gewinnt in Tokio zum vierzehnten Mal in der olympischen Geschichte Gold – und alle jubeln. „Deutsche Dressur-Stars im Olympia-Finale unschlagbar“, heißt es in der „Sportschau“ und wenn es nach der FAZ geht, hätte „das Dreigestirn“ einen „rauschenden Applaus“ verdient.
Applaus wofür? Für die furchtbarste Tierquälerei? Für die vollkommenste Unterwerfung der Pferde? Zur Erinnerung: Bei den Dressurpferden handelt es sich nicht um Roboterpferde. Es sind lebendige Tiere, die Gefühle und einen eigenen Willen haben. Pferde biegen ihren Hals nicht freiwillig so stark nach unten, dass ihre Nüstern fast den Brustkorb berühren und sie nur noch den Boden sehen können. (...)
Pferde treten in der freien Wildbahn weder trabähnlich auf der Stelle noch galoppieren sie mit gekreuzten Beinen seitwärts über die Wiese. Diese Kunststücke haben – wie es der Name schon sagt – rein gar nichts mit den natürlichen Be­we­gungs­abläufen eines Pferdes zu tun. (...)
Wenn das Olympische Komitee neue Sportarten wie Surfen oder Skateboarden aufnimmt, um junge Menschen für die Spiele...