- Herr Dr. Austermann, als gebürtiger Westfale haben Sie bislang den Bereich Tierhaltung und Tierzuchtrecht in der Landwirtschaftskammer (LWK) NRW geleitet. Was hat Sie an der Stelle der Gestütsleitung im Landgestüt gereizt?
Das stimmt, ich bin in Westfalen aufgewachsen. Allerdings habe ich im Anschluss für das Studium der Agrarwissenschaften, Promotion bzw. als wissenschaftlicher Mitarbeiter gut zehn Jahre im Rheinland gelebt. Daher fühle ich mich beiden Landesteilen sehr verbunden.
Als ehemaliger Fachbereichsleiter schaue ich auf prägende Jahre und ein tolles Team bei der LWK zurück. Als sich die Chance ergab, das Landgestüt in Warendorf zu leiten, wusste ich: Die Herausforderung möchte ich annehmen! Mich hat das Wissen um Hengstlinien und Stutenstämme immer schon fasziniert.
- Was verbindet Sie mit dem Landgestüt und der Pferdezucht in NRW? Züchten Sie selbst?
Der erste Hengstkatalog, den ich in die Hände bekommen habe, war der des Landgestüts. Insofern war es mit seinen Hengsten und als Institution eine Initialzündung für meine Passion – die Pferdezucht. Ich habe über Jahre das Zuchtgeschehen verfolgt. Auch in meiner Funktion bei der LWK habe ich bereits gute Kontakte zu den Pferdezucht- und den Pferdesportverbänden in NRW gepflegt. Mit meiner eigenen Stute wollte ich ebenfalls züchten. Das hat aber leider auf Grund wiederholter Nichtträchtigkeit nicht funktioniert. Ein wenig Glück gehört eben auch dazu.
- Das Landgestüt steht in Konkurrenz zu den privaten Hengsthaltern. Wie wollen Sie sich am Markt behaupten?
Konkurrenz belebt das Geschäft! Natürlich agieren wir in einem Markt, der seine Herausforderungen hat. Unser Konzept ist und bleibt es, qualitätsvolle Hengste anzukaufen, sie schonend aufzubauen und langfristig für unsere Züchter zu erhalten. So wollen wir auch zukünftig der Züchterschaft gute Hengste zu – wie ich finde – fairen Konditionen bieten. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal sind unsere Deck- und Servicestellen. Unsere erfahrenen Mitarbeiter sind direkte Ansprechpartner vor Ort, helfen bei allen Fragen rund um die Pferdezucht und besamen die Stuten im Züchterstall. Das ist als Gesamtpaket einzigartig.
- Werden Sie an dem Konzept festhalten, Landbeschäler auch im „großen Sport“ zu zeigen?
Ja, das Sportkonzept des Landgestüts hat langjährige Tradition. Hengste wie A la Carte NRW, Cornado NRW, Zoom oder Diathago sind nicht nur auf internationalem Parkett wichtige Werbeträger, sie stehen auch für die Überzeugung, dass Hengste sowohl in der Zucht als auch im Sport bis ins hohe Alter erfolgreich sein können. Mit Helen Langehanenberg und Marcus Ehning haben wir erfolgreiche und international erfahrene Partner und schauen mittlerweile auf eine mehrjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit zurück. Das möchte ich gerne fortsetzen. Die Erfolge unserer Hengste sind sicher auch gute Argumente für die erfolgreiche Anpaarung und letztlich die Vermarktung der Fohlen.
- In den vergangenen Jahren hat das Landgestüt oft für negative Schlagzeilen gesorgt. Wie wollen Sie den guten Ruf des Landgestüts als Geschäftspartner, aber auch als Arbeitgeber wieder herstellen?
Ich freue mich darauf, dieses fast 200 Jahre alte Landgestüt mit seiner bewegten Geschichte, der historischen Anlage und seinen vielfältigen Aufgaben für die Zukunft zu rüsten. Vor uns liegt eine große Aufgabe im Spannungsfeld zwischen Tradition und Wandel. Mir ist bewusst, dass sich große Ziele nur gemeinsam erreichen lassen: mit einer kompetenten und motivierten Mannschaft, durch engen Kontakt zur Züchterschaft und einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Zuchtverbänden.
- Wo sehen Sie das Landgestüt in fünf Jahren? Was werden Sie als Erstes angehen?
In den Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben sich bereits einige Themen herauskristallisiert. Dazu gehören zum Beispiel Tierwohl und -schutz. Nur eine akzeptierte Pferdehaltung als „Landgestüt mitten im urbanen Raum“, aber eben auch in der Mitte der Gesellschaft sichert zukünftig unsere Position.
Wir sind eine tierzüchterisch aktive Institution und zum Beispiel mit der Deutschen Reitschule als Ausbildungs- und Fortbildungsstätte tätig. Wir sind aber eben auch kulturhistorisches Gut mit überregionaler Bedeutung und Anziehungspunkt für jährlich mehrere 10.000 Besucher. Das wird auch künftig unser Profil bleiben.
Aktuell werden neue Paddocks auf dem Gelände des Landgestüts fertiggestellt, sodass wir für unsere Pferde ein neues Bewegungskonzept etablieren können. Das Ministerium für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz in NRW habe ich schon in meiner beruflichen Vergangenheit als verlässlichen Partner kennengelernt, sodass ich optimistisch in die Zukunft blicke.
Ministerinnen-Besuch
Die Landesregierung steht fest zum Landgestüt. Das machten die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Ina Scharrenbach, am vergangenen Sonntag bei einem Besuch in Warendorf deutlich. Anlass war nicht nur die Veröffentlichung eines aktuellen Berichtes zur Lage und Zukunft des Landgestütes, sondern auch die öffentliche Vorstellung des neuen Gestütsleiters, Dr. Felix Austermann. Zuvor hatte Staatssekretär Dr. Heinrich Bottermann das Landgestüt in einer Interimsphase kommissarisch geleitet.
Mit Blick auf sein 200-jähriges Bestehen im Jahr 2026 soll das NRW Landgestüt eine verlässliche Zukunftsperspektive haben und sich zukünftig noch stärker als Kompetenzzentrum für die Pferdehaltung verstehen. „Wir sind fest entschlossen, gemeinsam mit engagierten Mitarbeitern, diesem Kleinod einen festen Platz auch in den kommenden 200 Jahren der Landesgeschichte zu sichern“, betonte Ursula Heinen-Esser.
3 Mio. € Verlust
Das NRW-Landgestüt ist mit rund 65 Mitarbeitern und aktuell 22 Ausbildungsplätzen eines der größten staatlichen Gestüte Europas. Es verfügt über etwa 85 Zuchthengste, darunter auch Pachthengste, und etwa 24 Rheinisch-Deutsche Kaltbluthengste, teilte das NRW-Umweltministerium mit. Die Haushaltsrechnung weist für 2020 rund 2,1 Mio. € Einnahmen und 5,1 Mio. € Ausgaben aus.
Lesen Sie mehr: